| # taz.de -- Afghanistan-Untersuchungsausschuss: Kanzler wirft dem BND Fehleinsc… | |
| > Olaf Scholz tritt im Afghanistan-Untersuchungsausschuss als Zeuge auf: | |
| > Die falsche Lageeinschätzung des BND habe zu falschen Entscheidungen | |
| > geführt. | |
| Bild: Im Juni 2021 endete der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr | |
| BERLIN taz | Soetwas wie einen Höhepunkt erlebte der selbst von den Medien | |
| meist ignorierte Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages am | |
| Donnerstag. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war als Zeuge geladen, um dort | |
| seine Rolle und Erkenntnisse über die letzen Monate des deutschen Einsatzes | |
| am Hindukusch darzulegen. Zu dieser Zeit war er Bundesfinanzminister und | |
| Vizekanzler unter Angela Merkel. So war die sonst meist gähnend leere | |
| Besucher- und Pressetribüne mit Blick aus das Spreeufer immerhin einmal | |
| halb gefüllt. | |
| Dabei ist schon überraschend, wie das Thema Afghanistan in der | |
| Öffentlichkeit abgehakt zu sein scheint. Immerhin war der Einsatz dort, wie | |
| auch Scholz betonte, mit 17 Milliarden Euro der „teuerste“, den die | |
| Bundesrepublik je erlebte. | |
| Scholz’ aus anderen Untersuchungsausschüssen bekannte Wortkargheit trug | |
| dazu bei, dass die Anhörung recht zäh, nur selten eindringlich oder gar | |
| kontrovers verlief. Da die Abgeordneten froh zu sein schienen, wenn sie ihm | |
| mal etwas Ausführlicheres entlocken konnten, konnte er sich die Themen | |
| dafür aussuchen. | |
| Mehrmals betonte Scholz seine [1][„rigide Haltung“ zu Abschiebungen nach | |
| Afghanistan]. Er habe es damals „richtig gefunden, dass man so lange es | |
| geht, Straftäter nach Afghanistan zurückführt“, und er habe jetzt „dafür | |
| gesorgt, dass es wieder geht“. Ende Oktober schob die Ampel-Regierung als | |
| erste in der EU Afghanen zu den Taliban ab, 28 an der Zahl. Das hatte dann | |
| schon Wahlkampfcharakter. | |
| Kritik daran, dass Washington die NATO-Partner inklusive Deutschland bei | |
| der Abzugsentscheidung aus Afghanistan übergangen habe, wollte er im | |
| Gegensatz [2][zur ehemaligen Verteidigungsministerin Annegret | |
| Kramp-Karrenbauer] nicht üben. Sie hatte vor Scholz ausgesagt. Im Gegensatz | |
| zu ihr, die sich als „nicht mehr berufstätig“ bezeichnete, will er das als | |
| Kanzler ja bleiben. Offensichtlich will er es sich nicht mit einem | |
| potenziellen künftigen Gesprächspartner Trump verscherzen. | |
| ## Scholz wirft BND falsche Einschätzung vor | |
| Zu künftigen Auslandseinsätzen sagte Scholz, man brauche dafür „ein | |
| realistischeres Lagebild“ und „realistischere Zielsetzungen“. Er machte | |
| sich die Aussage US-Präsident Joe Bidens zu eigen, der „nation-building“ | |
| und Demokratieaufbau als zu ambitioniert bezeichnet hatte. Man müsse sich | |
| fragen, so auch Scholz, mit skeptischem Unterton, ob das „im Interesse | |
| Deutschlands“ sei. | |
| Wiederholt warf Scholz [3][dem Bundesnachrichtendienst] falsche | |
| Lageeinschätzung vor. Auf dieser Grundlage sei „man davon ausgegangen“, | |
| dass sich die afghanische Regierung auch ohne internationale Truppen „noch | |
| sehr lange hält“. Dann sei man „immer überrascht“ gewesen, dass es mit … | |
| Taliban-Vormarsch doch „schneller ging“. Der BND habe, so Scholz, „bis | |
| zuletzt“ gedacht, „so schnell kommt es nicht dazu, dass Kabul fällt“. | |
| Soweit er sich erinnere, seien die Einschätzungen der Partnerdienste aber | |
| „auch nicht viel besser gewesen“, relativierte Scholz. „Ich vermute, dass | |
| fast alle das Bauchgefühl hatten, das ich auch hatte, dass es auch anders | |
| kommen könne“. | |
| Die BND-Fehleinschätzungen führten zu „falschen Entscheidungen“, so Schol… | |
| „das kann doch niemand bestreiten.“ Bei korrekter Einschätzung „hätten … | |
| die Ortskräfte viel schneller abziehen müssen.“ Was „möglich gewesen wä… | |
| sei „nicht genutzt worden“. | |
| Kramp-Karrenbauer konstatierte, wenn man den Kreis der nach Deutschland | |
| Einreiseberechtigten „früher erweitert“ und sie mit Charterflügen | |
| ausgeflogen hätte, für die sie sich eingesetzt habe, „hätten wir nicht so | |
| viele Ortskräfte zurücklassen müssen“. Das ist zwar ehrlich, hilft den | |
| Zurückgelassenen aber nicht mehr. Auch Scholz fand die Evakuierung der | |
| Ortskräfte „nicht zufriedenstellend“. | |
| ## Scholz hätte zu mehr Aufklärung beitragen können | |
| Nicht nur der BND lag falsch. Kramp-Karrenbauer legte dar, dass das | |
| Auswärtige Amt (AA) und das Entwicklungsministerium (BMZ) bis kurz vor | |
| Schluss „darauf verzichtet“ hätten, ihre Ortskräfte ausfliegen zu lassen. | |
| Dem Ausschuss wird langsam klar, warum das so war. Sara Nanni, | |
| Grünen-Obfrau im Ausschuss, sprach von einer „Wahrnehmungslücke“. Der taz | |
| erklärte sie, das AA habe sich „zu sehr“ auf seine zuständigen Diplomaten | |
| „wie den Afghanistan-Sonderbeauftragten Markus Potzel verlassen.“ Die waren | |
| offenbar „der Auffassung, dass Deutschland auch mit den Taliban | |
| zusammenarbeiten könne, wenn die an die Macht gelangen.“ Das BMZ sei „lange | |
| davon ausgegangen, unter egal welchen Verhältnissen in Afghanistan weiter | |
| arbeiten zu können – naiv.“ | |
| Insgesamt hätte Scholz an mancher Stelle wohl mehr zur Aufklärung beitragen | |
| können. Immerhin sei, wie er sagte, Afghanistan für ihn im August 2021 eine | |
| „dramatische Situation“ gewesen, „die uns 24 Stunden am Tag bewegt hat“. | |
| Dafür zeigte er erstaunlich wenig Detailerinnerung an diesen Zeitraum. | |
| Nach dem Ampel-Aus muss der Untersuchungsausschuss mit verkürzter | |
| Arbeitszeit und Zeug*innenliste klarkommen. Ein ebenfalls verkürzter | |
| Abschlussbericht soll nun schon vor Weihnachten fertig werden. Zusätzlich | |
| können die Fraktionen eigenständige Voten vorlegen. Am 5. Dezember wird der | |
| Ausschuss dann wohl noch einmal im Rampenlicht stehen: Letzte Zeugin ist | |
| Ex-Kanzlerin Angela Merkel. | |
| 15 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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