| # taz.de -- Drei Jahre Taliban-Regime in Afghanistan: Es gibt nicht viel zu fei… | |
| > Die Taliban wollen seit ihrer erneuten Machtübernahmen einen „wahrhaft | |
| > islamischen Staat“ errichten. Jetzt vermelden sie angebliche | |
| > Wirtschaftserfolge. | |
| Bild: Damenkleider in einem Geschäft in Kabul, 22. Juli 2024: Auf Anordnung de… | |
| Berlin taz | Die Taliban dürften den [1][dritten Jahrestag] ihrer erneuten | |
| Machtübernahme vom 15. August 2021 genießen. Damals zog die US-geführte | |
| Koalition samt deutscher Beteiligung nach zwanzig Jahren bedingungs- und | |
| erfolglos aus Afghanistan ab. Die Taliban rückten ungehindert in Kabul ein, | |
| die vom Westen gestützte Islamische Republik brach zusammen. | |
| Vom „stolzesten Tag in der Geschichte der ganzen islamischen | |
| Weltgemeinschaft, besonders der Afghanen“ sprach ihr Premierminister, | |
| Mullah Muhammad Hassan Akhund, am Dienstag in einer Grußbotschaft – einem | |
| „deutlichen Beispiel von Gottes Hilfe“. | |
| Seit drei Jahren arbeiten die Taliban daran, einen „wahrhaft islamischen | |
| Staat“ zu errichten. In einer Art Erziehungsdiktatur wollen sie alle | |
| westlichen Einflüsse in der Gesellschaft ausradieren. Wer sich nicht | |
| freiwillig fügt, gegen den wird Gewalt angewendet. | |
| ## Die Lage Menschenrechte verschlechtert sich weiter | |
| Die exilafghanische Menschenrechtsorganisation Rawadari berichtete Anfang | |
| der Woche, die Zahl der Fälle von „erzwungenem Verschwinden, Folter, die in | |
| Mord endet, willkürlicher Inhaftierung und grausamer und unmenschlicher | |
| Behandlung“ durch die Taliban habe sich im ersten Halbjahr verdoppelt, | |
| teils sogar verdreifacht. | |
| Der Taliban-Feiertag findet wegen unterschiedlicher Schaltjahre in unserem | |
| und dem in Afghanistan gebräuchlichen persischen Kalender für uns übrigens | |
| einen Tag früher statt, schon am 14. August. In Afghanistan ist das Datum | |
| der 24. Assad, im Monat des Sternbilds Löwe. Doch außer kleineren | |
| offiziellen Meetings wird nicht viel los sein. | |
| Wie viele Menschen im Land mitfeiern, ist unklar. Sie haben sich dieses | |
| Regime nicht ausgesucht. Viele lehnen dessen strikte Politik ab, die | |
| [2][Frauen und Mädchen von Bildung jenseits der sechsten Klasse und | |
| weitgehend aus dem außerhäuslichen Arbeitsleben ausschließt]. Oder sie | |
| teilen die Taliban-Auslegung der Scharia nicht. Abweichende Meinungen | |
| können sie öffentlich nicht äußern. Viele sind aber auch einfach froh, dass | |
| vierzig Jahre Krieg vorbei sind, und arrangieren sich. | |
| Das vergangene Jahr verbrachten die Radikalislamisten vor allem damit, | |
| Lücken in ihrem System zu schließen. In seiner wohl einschneidendsten | |
| Maßnahme ordnete Taliban-Chef Hebatullah Achundsada an, all jenen Frauen im | |
| Regierungsapparat, die nicht mehr zur Arbeit kommen dürfen, aber formal | |
| nicht entlassen wurden und weiterhin Gehalt beziehen, einheitlich nur noch | |
| 5.000 Afghani im Monat zu zahlen, kaum 70 Euro. | |
| Vor allem Alleinverdienenden reicht das nicht zum Leben. Zudem betreiben | |
| die Taliban gerade eine neue Kampagne zur strikten Verschleierung. Ihre | |
| Moralpolizei kontrolliert Schulen und Büros, es drohen „Bestrafung und | |
| Gefängnis“. | |
| ## Taliban kontrollieren NGOs und wollen an ihre Budgets | |
| Die Taliban bemühen sich, die als westliche Einflussagenten beargwöhnten | |
| lokalen wie internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und vor | |
| allem deren Budgets unter Kontrolle zu bringen. Sie verlangen Mitsprache | |
| bei Einstellungen und Beschaffungen sowie Genehmigungen für | |
| Veranstaltungen. Afghaninnen sollen solche NGOs möglichst überhaupt nicht | |
| mehr leiten. | |
| Machen sie das weiter, verwehren die Behörden ihnen Treffen zur verlangten | |
| Projektkoordinierung. Und doch berichteten lokale NGOs, auch solche mit | |
| Frauen an der Spitze, dass sie punktuell mit gutwilligen Regimevertretern | |
| arbeiten können. Aber sie sprechen nicht gern darüber, damit sich diese | |
| Nischen nicht auch noch schließen. | |
| Zur Zeit verbreiten die Taliban Erfolgsmeldungen, um ihre Regierung als | |
| ökonomisch kompetent zu präsentieren. Am Montag verkündete ihr Vizepremier | |
| für Wirtschaft, Mullah Abdul Ghani Baradar, er habe mit iranischen | |
| Investoren Industriezonen an der gemeinsamen Grenze vereinbart. Dort soll | |
| unter anderem Solarenergie generiert werden. | |
| Kürzlich eröffnete Chinas Botschafter den Bau einer Straße nach Mes-e Ainak | |
| südöstlich von Kabul, dem wohl zweitgrößten Kupfervorkommen der Welt. Seit | |
| 40 Jahren wollten Sowjets wie westliche Berater dies erschließen, um den | |
| von ihnen gestützten Regierungen eine Mega-Einkommensquelle zu verschaffen, | |
| scheiterten aber am Krieg. | |
| ## Das Taliban-Regime profitieret politisch vom Ukraine-Krieg | |
| Im Mai vereinbarten die Taliban mit Kasachstan und Turkmenistan an der | |
| Grenze zu Iran im Nordwesten des Landes ein Logistikzentrum zu errichten, | |
| über das auch russisches Öl nach Südasien fließen soll. | |
| Politisch profitieren die Taliban bereits vom Ukrainekrieg. Moskau erklärte | |
| offiziell, sie seien keine Feinde Russlands und keine Gefahr mehr und | |
| bindet sie so in [3][sein antiwestliches Bündnis] ein. Gemeinsam mit China, | |
| dessen Präsident Xi Jinping im Januar als erster Staatschef einen | |
| Taliban-Botschafter empfing. | |
| Doch bekommen auch die Taliban das Terrorproblem nicht in den Griff. Am | |
| Sonntag verübte der sogenannte Islamische Staat (IS) im schiitischen | |
| Westkabul seinen dritten Anschlag des Jahres. Es gab einen Toten und 13 | |
| Verletzte. | |
| 14 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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