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# taz.de -- Protest gegen Deal mit Russland: Polizei verfolgt Atomkraftgegner
> Atomkraftgegner in Lingen deckten auf, dass russische Staatsbedienstete
> Mitarbeiter der Brennelementefabrik schulten. Nun verfolgte sie die
> Polizei.
Bild: „Kein Geld für Putins Krieg“ fordern die Aktivisten, die von der Pol…
Hamburg taz | Wieder Ärger in Lingen: Seit Anfang des Jahres gibt es in der
Bevölkerung breite Kritik am [1][Einstieg des russischen Atomkonzerns
Rosatom in der örtlichen Brennelementefabrik]. Jetzt nahm die Polizei in
Lingen ausgerechnet jene Antiatomkraftaktivisten ins Visier, die im Juni
aufgedeckt hatten, dass russische Staatsbedienstete von Rosatom Schulungen
in einer geheimen Halle nahe dem Werk abhielten.
Anlässlich eines Urantransports aus Russland nach Lingen hatten das
„Bündnis Atomkraftgegner*innen im Emsland“ und das „Aktionsbündnis
Münsterland gegen Atomanlagen“ am 19. August zu einer Mahnwache vor dem
Werkstor in Lingen aufgerufen. „Normalerweise läuft das so ab, dass die
Polizei sich bei der Versammlungsleitung vorstellt und die Mahnwache dann
mit etwas Abstand beobachtet“, sagt Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis.
Nicht so am 19. August. „Am Anfang war noch alles wie immer: Es kamen ein
Wagen mit zwei Polizisten, die sich bei mir als Versammlungsleiter
vorgestellt haben“, sagt Eickhoff. „Aber dann kam während der Versammlung
plötzlich ein weiterer Polizist angefahren, der ganz alleine in seinem Auto
saß.“ Dieser habe sich nicht bei Eickhoff vorgestellt. Stattdessen wandte
er sich an die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat (Grüne), die sich
ebenfalls am Protest der Bürger beteiligte.
Der Beamte fragte Polat gezielt nach dem Namen einer Person und wollte
wissen, ob diese vor Ort sei. Der Mensch im Fokus des Polizisten hatte am
Nachmittag desselben Tages einen Prozesstermin vor dem Amtsgericht Lingen.
Ihm wird vorgeworfen, sich in der Silvesternacht 2022 an einer
Kletteraktion auf dem Gelände der Brennelementefabrik beteiligt zu haben.
## Polat verweigerte die Antwort
Außerdem wollte der Polizist wissen, wer von den Aktivisten sich an einem
Treffen mit der Bundestagsabgeordneten im Anschluss an die Mahnwache
beteiligen würde. Polat wies beide Fragen zurück und verweigerte die
Antwort. Der taz konnte Polat vor Redaktionsschluss keine Stellungnahme
mehr geben, sie ließ aber ausrichten, dass sie den Sachverhalt vom 19.
August gerade auch in eigener Sache prüfe.
Nach der Versammlung zeigten die Aktivisten Polat noch [2][die ehemalige
Möbelhalle, die sie vor einigen Wochen als geheimen Ort für Schulungen
durch russische Ingenieure identifiziert hatten]. Die Schulungen hatten
nicht auf dem Gelände der Brennelementefabrik stattgefunden, weil das
Atomgesetz dies verbietet.
Im Anschluss fand ein gemeinsames Frühstück der Bürgerinitiativen mit der
Bundestagsabgeordneten statt. „Schon auf der Fahrt zu dem Treffen wurden
wir die ganze Zeit von der Polizei verfolgt“, erzählt Eickhoff.
Auch bei dem Frühstück selbst ging die Beschattung laut den Aktivisten
weiter: „Wir saßen in einem Garten, an dem plötzlich ein Polizeiauto ganz
nah und langsam vorbeifuhr, um einen Blick auf unsere Runde erhaschen zu
können“, sagt Eickhoff. „Wo kommen wir eigentlich hin, wenn man sich nicht
einmal mehr mit einer Bundestagsabgeordneten treffen kann, ohne von der
Polizei beobachtet zu werden?“
Der Höhepunkt der polizeilichen Maßnahmen war für die Aktivisten jedoch
nach dem Frühstück mit der Abgeordneten erreicht: Die Polizei verfolgte
mehrere Teilnehmende mit zwei verschiedenen Wagen auf ihrem Heimweg. Zwei
Personen wurden dabei bis zu dem Wohnhaus der einen verfolgt. Die andere
stieg dort in ihr eigenes Auto und wurde von der Polizei weiter bis zum
Ortsausgangsschild von Lingen verfolgt. Alle Betroffenen sind aktiv und
bekannt in der niedersächsischen Anti-AKW-Szene.
„Ich glaube, die meisten Menschen kennen dieses mulmige Gefühl, wenn sie im
Straßenverkehr im Visier der Polizei sind“, sagt Alexander Vent vom Bündnis
der Atomkraftgegner*innen. „Wir werten das Verhalten der Polizei deshalb
als gezielten Einschüchterungsversuch.“
Die Aktivisten gehen davon aus, dass die Beschattung durch die Polizei auf
eine Anweisung von oben geschah. „Wir haben deshalb eine Anfrage beim
niedersächsischen Innenministerium gestellt, aber noch keine Rückmeldung
erhalten“, sagt Alexander Vent.
Auch die taz stellte Anfragen beim niedersächsischen Innenministerium und
der Polizei Lingen zu dem Vorgang. Das Innenministerium antworte am
Mittwochnachmittag: „Das MI [Ministerium für Inneres] war in der
Vorbereitung und Durchführung des Einsatzes nicht involviert.“ Die Polizei
Lingen schreibt in ihrer Stellungnahme, die Überwachungsmaßnahmen seien
aufgrund einer zweiten Versammlung, nicht wegen der angemeldeten Mahnwache
erfolgt. Um welche Versammlung es sich dabei handelte, warum eine Befragung
der Abgeordneten Filiz Polat notwendig war und warum die Polizei einzelne
Aktivisten über Stunden mit dem Auto verfolgte, wurde dabei nicht klar.
„Uns besorgt es sehr, dass die Polizei in Lingen so viele Ressourcen
eingesetzt hat, um uns mit mehreren Beamten und Fahrzeugen über Stunden zu
beobachten“, sagt Eickhoff. „Diese Ressourcen wären sicher besser darauf
verwendet, die russischen Staatsbediensteten von [3][Rosatom zu
überwachen], die in unmittelbarer Nähe zum [4][Brennelementewerk ungestört
arbeiten] und sensible Daten von Mitarbeitenden abgreifen können.“
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Bericht um die nach
Redaktionsschluss der Druckausgabe eingegangenen Stellungnahmen der
Behörden ergänzt.
3 Sep 2024
## LINKS
[1] /Rosatom-im-Emsland/!6022666
[2] /Russen-in-Brennelementefabrik-im-Emsland/!6020371
[3] https://www.umweltbundesamt.at/energie/kernenergie/hintergrundpapier-rosatom
[4] /Protest-gegen-AKW-Laufzeit/!5795268
## AUTOREN
Marta Ahmedov
## TAGS
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