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# taz.de -- Rosatom im Emsland: Warten auf den Showdown in Lingen
> Gegen den Einstieg der Russen beim Brennelementehersteller Framatome gab
> es 11.000 Einwendungen. Im November werden sie öffentlich erörtert.
Bild: Expertenhilfe aus Russland: Die Erweiterung der Brennelementeproduktion i…
Hannover taz | Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hat
aus seiner Ablehnung nie einen Hehl gemacht und tut das auch jetzt nicht:
„Geschäfte mit dem Kriegstreiber Putin sollten generell und gerade auch im
sensiblen Atomsektor nicht gemacht werden“, lässt er sich [1][in einer
Pressemitteilung seines Hauses zitieren].
Es geht – wieder einmal – um die Brennelementefabrik Framatome ANF im
niedersächsischen Lingen. [2][Seit 2021 ringt man hier um ein Joint Venture
des französischen Unternehmens mit einer Tochterfirma des russischen
Staatskonzerns Rosatom]. Das Ziel des Unternehmens: die Erweiterung der
Produktpalette um Brennstäbe für Reaktoren russischer beziehungsweise
sowjetischer Bauart. Das Problem Christian Meyers: Einfach so verbieten
geht auch nicht.
Der Anlass der jüngsten Pressemitteilung des Umweltministeriums ist, dass
nun ein weiterer Schritt des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens
abgeschlossen ist. Seit Januar lagen die Antragsunterlagen von Framatome
öffentlich aus. Knapp 11.000 Einwände hat das Umweltministerium bis zum
Ablauf der Frist Anfang März erhalten.
[3][Ein Großteil davon geht auf die Kappe der Atomkraftgegner von den
Organisationen „ausgestrahlt“ und „Agiel“, die] fleißig Unterschriften
unter Sammeleinwendungen zusammengetragen haben und auch sonst kaum eine
Gelegenheit auslassen, gegen die Anlage mobilzumachen. Aber die enorm hohe
Zahl der Einwände mache ja deutlich, wie viele Menschen sich hier in der
Region um die äußere und innere Sicherheit sorgen, erklärt Umweltminister
Meyer.
## Welches Interesse treibt Rosatom?
Nun musste das Umweltministerium einen Erörterungstermin festlegen, bei dem
die Einwände öffentlich diskutiert werden können. Das soll zwischen dem 19.
und 22. November in Lingen passieren. Erst danach kann das Ministerium eine
Entscheidung treffen, bei der es sich eng mit dem Bund abstimmen will.
Für die Gegner des Vorhabens ist klar: Wer russischen Experten die Tore zu
einer europäischen Atomfabrik öffne, [4][riskiere Sabotage, Spionage und
damit die Sicherheit Deutschlands und Europas]. Außerdem finanziere man auf
diese Weise indirekt Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der
Atomsektor musste von den Sanktionen ausgenommen werden, weil zu viele
europäische Länder auf Lieferungen aus Russland angewiesen sind.
Die Befürworter hingegen argumentieren, langfristig könne die Produktion
von Brennelementen in Lingen genau diese Abhängigkeit verringern. Neben
osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Tschechien und der Slowakei verwenden
auch die Ukraine und Finnland Reaktoren russischer Bauart.
„Aber warum sollte Rosatom ein Interesse daran haben, osteuropäische
Staaten unabhängiger zu machen?“, fragte die Grünen-Abgeordnete Britta
Kellermann noch im März im Landtag. Branchenkenner vermuten, die Russen
versuchen, sich mithilfe eines europäischen Partners Marktanteile zu
sichern – auch für den Fall, dass die EU ihre Sanktionen doch noch auf den
Atomsektor ausdehnt.
Erst in diesem Jahr hat zudem das US-amerikanische Unternehmen Westinghouse
begonnen, die Ukraine mit Brennstäben russischer Bauart zu beliefern, die
in Schweden gefertigt werden und bedroht damit das bisherige russische
Monopol.
## Die tatsächliche Gefährdung ist umstritten
In Lingen geht es bei der Debatte aber auch um die rund 400 Arbeitsplätze
in dem sonst nicht ausgelasteten Werk. Im Stadtrat scheiterte eine
Resolution der Grünen gegen die Erweiterung zuletzt daran, dass die anderen
Parteien die wirtschaftlichen Interessen der Region wichtiger fanden.
[5][Ein Gutachten, das der Atomrechtsexperte Gerhard Roller im Auftrag des
Bundesumweltministeriums] schon im vergangenen Jahr erstellt hat und auf
das sich Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer auch jetzt wieder
beruft, zeigt allerdings: Auf solche grundsätzlichen außenpolitischen
Bedenken allein darf sich das Ministerium in diesem Verfahren nicht
stützen.
Es müssten schon konkrete Gefährdungsszenarien für diese Anlage und durch
den Zugriff auf sicherheitsrelevante Strukturen dazukommen, damit das im
Atomgesetz vorgesehene „Versagungsermessen“ greift.
Framatome hat prompt ein Gegengutachten in Auftrag gegeben, um darzulegen,
dass das Ministerium das Vorhaben auf dieser Grundlage praktisch gar nicht
verbieten kann.
## Geheime Halle im Gewerbegebiet
Erst vor einem Monat hatte das Unternehmen einmal mehr für Schlagzeilen
gesorgt. [6][Atomkraftgegner entdeckten im Lingener Gewerbegebiet eine
eigene Halle,] in der russische Experten wohl schon einmal Testläufe und
Schulungen abhalten sollten. Die Umweltschützer argwöhnten, hier sollten
heimlich Fakten geschaffen werden, bevor die erforderliche Genehmigung
vorliege.
Auch das sieht das Unternehmen natürlich anders: [7][Gegenüber der Neuen
Osnabrücker Zeitung erklärte Framatome], die Behörden seien über das
Vorgehen in der Halle informiert gewesen. Weil man ohne Uran arbeitete,
brauchte man auch keine Genehmigung.
Aber vermutlich diente auch dieses Szenario eher dazu, Sicherheitsbedenken
auszuhebeln. Denn wenn der russische Kooperationspartner gar keinen Zugang
zur eigentlichen Produktionsanlage hätte, entfielen diese ja.
Das zähe Ringen um die Brennelementefabrik wird jedenfalls so schnell nicht
enden. Das niedersächsische Umweltministerium kann derzeit nicht sagen,
wann das Genehmigungsverfahren abgeschlossen sein wird. Und möglicherweise
schließen sich dann ja noch juristische Auseinandersetzungen an.
26 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen…
[2] /Atom-Fabrik-in-Lingen/!5771712
[3] /Anti-Atomorganisationen-protestieren/!5970760
[4] /Russische-Brennelemente-in-Deutschland/!5994355
[5] https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/gu…
[6] /Russen-in-Brennelementefabrik-im-Emsland/!6020371
[7] https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/anf-keine-russischen-tvel-fachkra…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Energiekrise
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Kritiker.
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