# taz.de -- Friedrich Merz’ Notstandsfantasien: Verantwortungslos und kontrap… | |
> Friedrich Merz spricht wegen des Solingen-Anschlags von Kontrollverlust | |
> und „nationaler Notlage“. Das ist völlig überzogen und hilft nur der | |
> extremen Rechten. | |
Bild: Aufgeheizte Stimmung wird von Merz nach der Messerattacke verantwortungsl… | |
Der mutmaßlich islamistische Anschlag von Solingen ist ohne Frage | |
dramatisch. Neben dem Leid der Opfer und dem Unglück der Angehörigen hat | |
die Tat viele auch fernab des Tatorts erschüttert und verunsichert. Das | |
wiegt schwer. Und der Anschlag wirft viele Fragen auf: nach den Kompetenzen | |
der Sicherheitsbehörden etwa oder dem Kurs in der Geflüchtetenpolitik. Ein | |
Grund, den Notstand auszurufen, ist er aber ganz sicher nicht. | |
Genau das behauptet allerdings CDU-Chef Friedrich Merz, wenn er, wie am | |
Dienstag, [1][von einer „nationalen Notlage“ spricht], in der Deutschland | |
sich befinde und die sich nur durch eine Wende in der Geflüchtetenpolitik | |
beenden lasse. In eine ähnliche Richtung geht auch Merz’ Satz: „Dem | |
Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land.“ | |
Man sollte misstrauisch werden, wenn Politiker*innen in | |
apokalyptischem Ton sprechen und die ganz große Staatskrise | |
heraufbeschwören. Denn wenn es um alles geht – und nicht anderes suggeriert | |
Merz ja, wenn er sagt, der Kanzler verliere die Kontrolle über „das Land“ | |
–, dann fallen die Hemmungen und Schranken. | |
Im Notstand wird möglich, was sonst aus guten Gründen nicht möglich ist. | |
Merz buchstabiert das sehr explizit aus: „Es gibt kein Tabu“, sagte er, | |
angesprochen auf mögliche Grundgesetzänderungen. EU-Recht möchte er | |
aushebeln, um einen „faktischen Aufnahmestopp“ zu erreichen. | |
Und zu [2][Gesprächen mit den Regimen in Afghanistan und Syrien] über | |
mögliche Abschiebungen sagte Merz: „Man muss dann auch mit dem Teufel | |
sprechen.“ Die quasireligiöse Metaphorik macht den vermeintlichen Ernst der | |
Lage klar: Um aus Merz’ „nationaler Notlage“ herauszukommen, ist jedes | |
Mittel recht, selbst das Gespräch mit dem Teufel. | |
## Keine 100%ige Sicherheit im freien Land | |
Diese Rhetorik geht aber schlicht an der Realität vorbei. Ohne das Leid der | |
Opfer und Angehörigen in Solingen schmälern zu wollen oder die | |
Verunsicherung der vielen anderen in diesem Land kleinzureden: In einem | |
freiheitlichen Rechtsstaat gibt es keine absolute Sicherheit. Das | |
politische und gesellschaftliche System Deutschlands ist stabil – dem | |
Anschlag zum Trotz. | |
Vor allem aber ist es unverantwortlich und kontraproduktiv, so zu sprechen. | |
Es bestärkt die Rechtsextremen, die Deutschland durch die Aufnahme von | |
Geflüchteten schon länger in einer existenziellen Krise wähnen. Nicht ohne | |
Grund sind sie es, die seit jeher in Umsturzfantasien schwelgen und eine | |
Obsession mit dem Ausnahmezustand pflegen, in dem Demokratie, Grundrechte | |
und Moral kurzerhand beiseite gewischt werden. | |
28 Aug 2024 | |
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[2] /Abschiebedebatte-nach-Solingen-Anschlag/!6029836 | |
## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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