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# taz.de -- Umstrittene A39 in Niedersachsen: Ein Minister baut vor
> Der BUND klagt erneut gegen die geplante A39 zwischen Lüneburg und
> Wolfsburg. Niedersachsen startet schon mal mit einer zweifelhaften
> Ortsumgehung.
Bild: Die Autobahn samt Ortsumgehung und Anschlussstelle von Ehra aus gesehen
Hamburg taz | Dass die A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg irgendwann
einmal gebaut wird, ist nicht gewiss. Trotzdem hat Niedersachsens
Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) vergangene Woche das Geld für eine
Ortsumgehung freigegeben, die nur Sinn ergibt, wenn die Autobahn kommt.
„Uns vor vollendete Tataschen zu stellen, in der Hoffnung, dass die A39
doch noch finanziert wird, halte ich für starken Tobak, wo doch anderswo so
viele Mittel gebraucht werden“, sagt Karin Loock, Grünen-Abgeordnete im
Gifhorner Kreistag.
Minister Lies bezeichnet die A39 als eines der wichtigsten
Infrastrukturprojekte Niedersachsens, die Handelskammer Lüneburg/Wolfsburg
sieht darin „das zentrale Verkehrsprojekt der Region“. Es erschließe
„Deutschlands größten autobahnfreien Raum“, entlaste die vielbefahrene A7
und die Ortschaften, durch die sich heute die Laster schieben. Und nicht
zuletzt erschließt die Autobahn diesen Raum für das VW-Werk in Wolfsburg.
Die Autobahn habe ein [1][„ausgesprochen schlechtes
Nutzen-Kosten-Verhältnis“], kritisiert der BUND. Im Bundesverkehrswegeplan
2030 ist für die gesamte 105 Kilometer lange Neubaustrecke ein
Nutzen-Kosten-Verhältnis von 2,1 angeführt. Ein Gutachten im Auftrag der
Grünen-Landtagsfraktion, das von sehr viel höheren Baukosten ausgeht,
taxierte das Verhältnis 2016 auf 0,85 – der Nutzen wöge die Kosten also
nicht auf.
Dazu kommt die Frage, ob so ein Projekt [2][unter Umwelt- und
Klimaschutzgesichtspunkten noch zeitgemäß ist.] So wundert sich der BUND,
dass der Bundesverkehrswegeplan zwar dem Grundsatz „Ausbau vor Neubau“
fröne, das Vorhaben aber trotzdem in den „vordringlichen Bedarf“
aufgenommen habe. Dabei seien EU-Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung
nicht angewandt und umweltfreundliche Alternativen nicht geprüft worden.
## Kommt überhaupt Geld vom Bund?
Beim Abschnitt 7 zwischen Ehra und Wolfsburg moniert der BUND konkret, dass
die Folgen für das Weltklima nicht geprüft sowie das
Flora-Fauna-Habitat-Gebiet Vogelmoor in den Plänen nicht richtig abgegrenzt
worden sei. „Es fehlen nach wie vor belastbare Angaben zur Chloridbelastung
zahlreicher Gewässerarten im Einzugsbereich der Kleinen Aller“, sagt
Manfred Michel, Vorsitzender der BUND-Gruppe Gifhorn.
Vom Stand des Planverfahrens her ist der Abschnitt Ehra – Wolfsburg am
weitesten unter den insgesamt sieben Bauabschnitten gediehen. Ob die
Bundesregierung das Geld für die Autobahn bereitstellt, ist jedoch
ungewiss. Sie findet sich nicht in der [3][Liste der 144 Autobahnprojekte],
die im März 2023 als von „überragendem öffentlichen Interesse“ eingestuft
wurden. Die Liste ermöglicht es, dass die Gerichte mögliche Klagen gegen
diese Vorhaben prioritär behandeln. Kleinere Mängel sollen nicht mehr zu
einem gerichtlichen Stopp des Projekts führen.
Für den [4][planfestgestellten Abschnitt 7] hat Wirtschaftsminister Lies
mitgeteilt, dass er auf den sofortigen Baubeginn vorerst verzichte. Damit
erübrige es sich für die Kläger gegen die A39 unter Führung des BUND, ein
einstweiliges Rechtsschutzverfahren anzustrengen, um den Bau zu stoppen.
„Das hilft, die Gerichte zu entlasten“, teilte Lies mit. Die Klage wird
also nur in einem Hauptverfahren abschließend verhandelt.
Lies verband den Aufschub aber mit etwas, das die Projektgegnerin
Anne-Kathrin Schulze aus Ehra-Lessien als „üblen Taschenspielertrick“
bezeichnet: den Bau der Ortsumgehung nördlich an den Dörfern Ehra und
Lessien vorbei. „Der Bau der Ortsumgehung soll jetzt gefühlt das
A-39-Zeitalter in der Region einleiten“, sagt Schulze. Weil die
Finanzierung der mindestens 1,6 Milliarden Euro teuren Autobahn fraglich
sei, schaffe Lies mit dem Geld des Landes schon mal Fakten.
## Als Ausgleichsmaßnahme wird ein Radweg zurückgebaut
Die Ortsumgehung kreuzt die A39, die zwischen Ehra und Lessien
hindurchführen soll, und schafft die Voraussetzungen für eine aufwändige
Anschlussstelle. Neun Millionen Euro soll sie nach Angaben des Landes
kosten, zuzüglich 1,8 Millionen Euro Planungskosten – jeweils zu 70 Prozent
vom Bund und zu 30 Prozent vom Land getragen. Das Geld des Bundes stehe
bereit, sagt Ministeriumssprecher Florian Mosig. In diesem Herbst werde die
Autobahn GmbH des Bundes das Projekt ausschreiben. Im Frühjahr 2025 solle
mit dem Bau begonnen werden.
Dabei ist allen – auch dem Ministerium – klar, dass die Ortsumgehung nur im
Zusammenhang mit der Autobahn sinnvoll ist, indem sie die Anschlussstelle
ermöglicht. Denn aus Osten werde nach dem Scheitern einer Ortsumfahrung für
Brome nicht viel Verkehr kommen und den Nord-Süd-Verkehr werde eine
Ost-West-Ortsumgehung nicht aufnehmen.
„Wir brauchen eine Entlastung der Ortschaft“, sagt der stellvertretende
Bürgermeister Ehra-Lessiens, Peter Albrecht (SPD). „Wir wollen, dass die
Autobahn schnell kommt.“ Den zahlreichen Autobahngegnern wirft er vor, dass
ihre Alternativvorschläge wegen der nötigen neuen Planungen einen
jahrelangen Stillstand bedeuten würden. „Wenn die Autobahn jetzt platzt,
fangen wir bei Null an“, sagt Albrecht.
Dabei nehmen die Planer auf die Bedürfnisse des Doppelortes wenig
Rücksicht. Nach jetzigem Stand soll die Landstraße samt Radweg, die heute
Ehra und Lessien direkt verbindet, als Ausgleichsmaßnahme für die
Umgehungsstraße zu einem Schotterweg zurückgebaut werden.
Verschnupft zeigen sich die Grünen, weil Lies sie nicht über sein Vorhaben
informiert hat. Denn am selben Tag, als der Minister seine Pressmitteilung
verschickte, hätten die Grünen in Gifhorn sich über den Stand der
Autobahnplanungen informiert und von nichts gewusst, erzählt die
Kreistagsabgeordnete Loock. „Das ist ein Affront gegen die Grünen“, sagt
Loock. Sie vermutet, der SPD-Mann Lies wolle sich wohl mit Blick auf die
Landtagswahl im kommenden Jahr empfehlen.
In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, das Grünen-Treffen hätte
in Ehra – Lessien stattgefunden, es war jedoch in Gifhorn.
26 Aug 2024
## LINKS
[1] /Gutachten-zur-Verkehrsprojekten/!5804187
[2] /Fahrraddemo-gegen-A39-und-Trinity-Werk/!5890669
[3] /Autobahn-Plaene-der-Ampel/!5921657
[4] https://www.autobahn.de/planen-bauen/projekt/a-39-lueneburg
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Autobahn
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