| # taz.de -- Nkisi live bei Berlin Atonals Openless: Die Zukunft des Trommelns | |
| > Nkisi verbindet kongolesische Musik mit Industrial zu polyrthythmischen | |
| > Arrangements. Am Samstag performt sie Berlin Atonals Openless Festival. | |
| Bild: Nkisi sieht das Trommeln als Wurzel aller elektronischer Musik an | |
| „Für mich ist Musik eine spirituelle Technologie“, sagt Nkisi. Die | |
| Künstlerin hinter dem Namen ist Melika Ngombe Kolongo. Die Producerin und | |
| DJ ist in der Demokratischen Republik Kongo geboren und in Belgien | |
| aufgewachsen, in ihrer Arbeit befasst sie sich mit [1][den vielfältigen | |
| Klängen des afrikanischen Kontinents], kongolesischer Kosmologie und Musik | |
| als Form der Kommunikation. | |
| So auch in ihrer Performance, mit der sie am 24. August auf dem Berliner | |
| Festival Openless auftreten wird. In dieser nimmt sie gezielt Bezug auf den | |
| senegalesischen Trommler Doudou N’Diaye Rose und sein Stück „Cheikh Anta | |
| Diop“, das dem gleichnamigen Wissenschaftler und Anthropologen gewidmet | |
| ist. Im Gespräch mit der taz erzählt Nkisi von ihrer Beziehung zu N’Diaye | |
| Rose, Diop und wie kongolesische Kosmologie ihre elektronischen Experimente | |
| beeinflusst. | |
| „Wenn ich im Studio bin, spüre ich die Energie meiner Vorfahren und meiner | |
| Umgebung und versuche diese durch Musik auszudrücken“, erklärt Nkisi ihre | |
| Philosophie der Musikproduktion. Schon in ihrer Kindheit spielte Musik eine | |
| wichtige Rolle. Im Haus ihrer Mutter, die sich in panafrikanischen Gruppen | |
| organisierte, hörte sie kongolesische und andere westafrikanische | |
| Musikrichtungen. Auch der Name Nkisi ist ein Symbol der Verbindung zu den | |
| Vorfahren. | |
| Nkisi sind Skulpturen des präkolonialen Königreichs Kongo, denen | |
| spirituelle Entitäten innewohnen. Die Musikerin bezieht sich auf | |
| afrikanische Kunst und Denkweisen und findet sich damit in der Tradition | |
| Cheikh Anta Diops wieder. Dessen Forschung zu [2][Panafrikanismus] und | |
| präkolonialer Geschichte Afrikas, die sie als proto-afrofuturistisch | |
| beschreibt, prägt ihr Schaffen. | |
| ## Zwischen Tradition und Experiment | |
| [3][Afrofuturismus] ist eine politische und künstlerische Bewegung, die | |
| Schwarze Lebensrealitäten zentriert und Vergangenheit, Gegenwart und | |
| Zukunft durch diese imaginiert. Dabei vermischen sich futuristische | |
| Elemente mit Tradition – so auch in Nkisis Musik. | |
| Die experimentellen Klänge ihres in diesem Jahr erschienenen EP „The Altar“ | |
| (via Cortizona zu hören) sind das Ergebnis von Recherchen in | |
| ethnografischen Musiksammlungen kongolesischer Musik sowie elektronischer | |
| Klangkunst der belgischen Industrial- und Doomcore-Szene. Dabei nimmt Nkisi | |
| eine kritische Haltung ein: „Mir ist bewusst, dass diese ethnografischen | |
| Archive und Aufnahmen oft durch koloniale Methoden generiert wurden und | |
| einen westzentrierten Blick auf indigene und afrikanische Kulturen | |
| reproduzieren.“ | |
| Inspiriert von akustischen Trommelmustern und den scheinbar endlosen | |
| Möglichkeiten der digitalen Produktion, kreiert Nkisi gezielt Balance oder | |
| Disbalance. Harmonie trifft Chaos. Zentral ist der Rhythmus, oder besser | |
| gesagt, die Rhythmen, denn Nkisi arbeitet mit polyrhythmischen | |
| Arrangements, die komplexe Klanglandschaften bilden und das Gefühl von Raum | |
| und Zeit verzerren. | |
| Hier knüpft sie an Doudou N’Diaye Rose (1930–2015) an, der als Meister der | |
| senegalesischen Sabar-Handtrommel bekannt ist. N’Diaye Rose kreierte | |
| hunderte Trommelrhythmen und wurde zu Lebzeiten als Unesco-Kulturerbe | |
| betitelt. Seine Kompositionen wurden vom Projekt Transcriptions, das sich | |
| mit dem Vermächtnis des Perkussionisten befasst, gemeinsam mit Mitgliedern | |
| der Familie und internationalen Musikschaffenden neu vertont. | |
| ## Die Wurzeln der elektronischen Musik | |
| Diese Aufnahmen werden nun im Rahmen des Berlin Atonal Presents Openless | |
| Festivals vorgestellt. Das Festival entspringt [4][Berlin Atonal] – das | |
| nunmehr alle zwei Jahre und daher erst wieder 2025 stattfindet – und | |
| präsentiert vom 23. bis 25. August 2024 experimentelle Musik und visuelle | |
| Kunst. Der Festivalsamstag ist dem Werk von N’Diaye Rose sowie | |
| kontemporären Interpretationen dessen gewidmet. | |
| In Dakar erlebte Nkisi die Tradition hautnah und spürte „eine tiefe | |
| Verbindung zu der Trommel“, die sie als Wurzel aller elektronischer Musik | |
| ansieht: „In Produktionen von heute höre ich das Echo der Musik von damals. | |
| Elektronische Musik ist eine Weiterführung dieser rhythmischen | |
| Traditionen.“ | |
| Auf die Frage, was von ihrer Performance am Samstag zu erwarten sei, | |
| schmunzelt Nkisi. „Ich verstehe meine Musik und Performance als Dekodierung | |
| und Rekodierung. Ich dekodiere Klänge durch meine Recherchen und rekodiere | |
| sie durch mich in die Musik. Das passiert meistens im Moment und wird von | |
| der Umgebung beeinflusst. Ich habe also keine Ahnung, was genau auf der | |
| Bühne passieren wird.“ | |
| Nach dem Gespräch mit der Künstlerin scheint das sowohl ein kluger Teaser | |
| zu sein als auch einfach der Wahrheit zu entsprechen. Neben Nkisi werden | |
| Mitglieder der N’Diaye Rose Familie, Lamin Fofane, Shackleton und Labour | |
| den Abend bespielen. Eine Hommage an Doudou N’Diaye Rose, die sowohl die | |
| Tradition als auch Zukunft des Trommelns ehrt. | |
| 23 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ilo Toerkell | |
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