# taz.de -- Angeschlagener Schiffbauer: Meyer Werft wird Staatskonzern | |
> Die größte deutsche Werft kann auf Rettung hoffen. Bundeskanzler Scholz | |
> sichert den Beschäftigten in Papenburg Hilfen zu. | |
Bild: Hoffen auf staatliche Hilfe: Kundgebung von Beschäftigten der Meyer Werf… | |
Berlin taz | Beschäftigte und Eigentümer der [1][angeschlagenen Meyer Werft | |
in Papenburg] können auf Rettung hoffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) | |
sagte am Donnerstag bei einer Betriebsversammlung staatliche Hilfen zu. | |
Alle Beteiligten würden der Meyer Werft „eine stabile Brücke in die | |
Zukunft“ bauen, sagte Scholz. Noch sind die Verhandlungen über die Rettung | |
aber nicht abgeschlossen. | |
Seit Wochen warten Belegschaft und Eignerfamilie der größten deutschen | |
Werft auf ein Signal aus der Politik auf Rettung. Er könne sich vorstellen, | |
wie die Unsicherheit die Beschäftigten belaste, sagte Scholz bei der | |
Betriebsversammlung. „Wir lassen Euch mit Euren Sorgen nicht allein.“ | |
Am Standort Papenburg arbeiten rund 3.300 Beschäftigte. Im Emsland hängen | |
insgesamt etwa 18.000 Arbeitsplätze an der Werft. Die Meyer Werft sei | |
systemrelevant für die maritime Wirtschaft in Deutschland, sagte Scholz. | |
Systemrelevanz ist Voraussetzung dafür, dass die EU Staatshilfen genehmigen | |
kann. Die Meyer Werft sei „ein industrielles Kronjuwel“, sagte er. | |
Eigentlich geht es dem Unternehmen nicht schlecht, zu tun hat es genug. In | |
den Auftragsbüchern stehen nach eigenen Angaben zehn Kreuzfahrtschiffe, ein | |
Forschungsschiff sowie der Stahlbau von vier Offshore-Konverterplattformen. | |
Diese Plattformen sorgen dafür, dass von Windanlagen im Meer erzeugter | |
Strom transportiert werden kann. Die Verfügbarkeit dieser Technik ist | |
wichtig [2][für die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Windenergie] im | |
Meer. Wegen des wachsenden Bedarfs gilt dieses Geschäftsfeld als sehr | |
vielversprechend. | |
## Viele Aufträge in den Büchern | |
Dominierend ist allerdings der Bau von Kreuzfahrtschiffen. Der Betrieb | |
dieser Schiffe mit Tausenden von Tourist:innen an Bord ist allerdings | |
ausgesprochen klimaschädlich und deshalb umstritten. Erst am 12. August | |
haben die Werft und der US-Unterhaltungskonzern Disney den Auftrag für vier | |
neue Schiffe unterzeichnet. Sie sollen zwischen 2027 und 2031 ausgeliefert | |
werden. Das Problem: Kunden zahlen in der Regel nur 20 Prozent bei der | |
Bestellung an, der Rest der Summe kommt erst bei der Übergabe der Schiffe. | |
Der Preis für ein Kreuzfahrtschiff kann bei mehr als 1,5 Milliarden Euro | |
liegen. | |
Für die Vorfinanzierung braucht die Meyer Werft viel Geld. Vor der | |
Coronakrise konnte der Bau auch aus Einnahmen der fertigen Schiffe | |
finanziert werden. Doch in der Pandemie geriet die Kreuzfahrtbranche in die | |
Krise, weniger Schiffe wurden bestellt. Managementfehler sollen die Lage | |
verschärft haben. So soll die Werft Schiffe mit Verlust gebaut haben. Jetzt | |
kann die Werft das nötige Kapital für die Vorfinanzierung nicht aufbringen. | |
Die Lücke liegt bei 2,7 Milliarden Euro. Banken sollen aber nur bereit | |
sein, entsprechende Kredite zu geben, wenn das Eigenkapital aufgestockt | |
werde. | |
Hier soll der Staat einspringen. Die Einzelheiten stehen noch nicht fest. | |
Dem Vernehmen nach wollen der Bund und das Land Niedersachsen mit | |
dreistelligen Millionenbeträgen helfen sowie Bürgschaften für Kredite | |
übernehmen. Insgesamt könnten sie einen Anteil von bis zu 90 Prozent | |
übernehmen – damit würde die Werft zum Staatsunternehmen. | |
Im Gegenzug für die Hilfe sollen die Unternehmenseigner:innen den | |
Erhalt von Arbeitsplätzen zugesichert haben. Sie sollen ein Vorkaufsrecht | |
bekommen, wenn der Staat in einigen Jahren seine Anteile verkaufen will. | |
Außerdem soll die Familie mit einem Sitz im Aufsichtsrat vertreten sein. | |
## IG Metall begrüßt Hilfe | |
Bis Mitte September sollen alle offenen Fragen geklärt sein. Der | |
niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte bei der | |
Betriebsversammlung allerdings vor vorschnellem Jubel. „Der Ball ist noch | |
nicht im Tor“, sagte er. | |
Die Haushaltsausschüsse von Bundestag und dem niedersächsischen Landtag | |
müssen noch zustimmen. Die FDP will die Hilfen mittragen, mahnt allerdings | |
eine Ausstiegsstrategie des Staates an. Der Bund könne nicht langfristig an | |
einer Werft beteiligt sein, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der | |
FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. Denkbar sei ein Vorgehen wie | |
[3][bei der Unterstützung der Lufthansa] während der Coronapandemie. Der | |
Staat rettete die Fluggesellschaft, mischte sich aber nicht ins Geschäft | |
ein und verkaufte die Anteile später mit Gewinn. Nach Houbens Vorstellungen | |
könnte der Ausstieg des Staats bei der Meyer Werft bis spätestens 2027 | |
festgelegt werden. | |
Die IG Metall Küste begrüßt das Engagement des Staates. „Durch den | |
geplanten Einstieg von Bund und Land werden nicht nur die Standorte | |
Papenburg und Rostock gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in | |
ganz Deutschland“, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich. | |
22 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Staatsknete-fuer-Kreuzfahrtschiffe/!6024310 | |
[2] /Windkraftanlagen-im-Meer/!5985779 | |
[3] /Pro-und-Contra-Lufthansa-Rettung/!5688742 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
## TAGS | |
Meyer-Werft | |
Olaf Scholz | |
IG Metall | |
Arbeitsplätze | |
GNS | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Meyer-Werft | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Meyer-Werft | |
Umwelt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rettung der Meyer-Werft: Kreuzfahrtriese in Seenot | |
Der Staat soll vorübergehend die Meyer-Werft übernehmen. Er geht ins | |
Risiko, um den industriellen Kern einer Region und eine Branchenperle zu | |
retten. | |
Angeschlagene Meyer-Werft: Ökonom warnt vor Staatseinstieg | |
Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen haben der Meyer-Werft | |
Staatshilfe zugesichert. IfO-Chef Clemens Fuest kritisiert die | |
Entscheidung. | |
Staatsknete für Kreuzfahrtschiffe: Große Werft, kleiner Fluss | |
Die Papenburger Meyer-Werft baut riesige Kreuzfahrtschiffe weit im | |
Binnenland. Jetzt braucht sie 2,7 Milliarden Euro vom Staat. | |
Stellenabbau bei der Meyer Werft: 340 Stellen weniger im Schiffsbau | |
Schiffsbauer in der Krise: IG Metall und die Meyer Werft haben sich im | |
Streit um den Stellenabbau geeinigt. Es werden 100 Stellen weniger | |
abgebaut. | |
Planverfahren für Vertiefung beginnt: Keine Auferstehung für die Ems | |
Die Pläne für die Vertiefung der Außenems sind von heute an öffentlich | |
einsehbar. Damit droht sich der Zustand des Stroms erst mal zu | |
verschlechtern. |