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# taz.de -- Eine späte Diagnose: ADHS und die Perspektiven of Color
> Wenn Matze im Unterricht nicht mitkommt, muss man das mal checken lassen.
> Wenn Malik das gleiche Verhalten zeigt, wird die Sache nicht ernst
> genommen.
Bild: Symptome so auffällig wie ein Faschingsumzug
Ich war über vierzig, als ich rausgefunden habe, dass ich ADHS habe. Dabei
(das weiß ich heute) habe ich schon als Kind Symptome gezeigt, die so
auffällig waren wie ein Faschingsumzug.
Darüber, [1][warum Frauen oft erst später im Leben diagnostiziert werden],
wurde schon viel geschrieben und es ist einfach, Geschichte und Berichte
von Frauen mit ADHS im Netz zu finden, mit denen ich [2][meine eigenen
Erfahrungen abgleichen] kann. Was mal wieder fehlt, sind Perspektiven of
Color und die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle „race“ bei
alldem spielt. Denn Stereotype und rassistische Zuschreibungen bringen PoC
um ihre Diagnose.
Wenn Matze im Unterricht nicht mitkommt, unkonzentriert ist und stört, muss
man das mal checken lassen. Vielleicht ist es ADHS oder er ist hochbegabt
und gelangweilt? Wenn Malik das gleiche Verhalten zeigt, liegt das
wahrscheinlich daran, dass er ein Migrantenkind ist und es zu Hause
bestimmt schwer hat oder … na ja… südländisches Temperament.
Dass es gefährlich ist, Menschen aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft
bestimmte Verhaltensmuster oder Charaktereigenschaften zuzuschreiben, weiß
ich – und merke doch in der Auseinandersetzung mit ADHS, wie sehr ich
selbst darauf reingefallen bin, wie sehr meine Versuche, nicht „anders“ zu
sein oder als Schwarze Person in Deutschland nicht negativ aufzufallen,
dazu geführt haben, dass ich viel zu lange gebraucht habe, meinen Symptomen
auf den Grund zu gehen.
## So einiges los in mir
Es gab ja immer bereits eine andere Erklärung für meine Struggles: Der
tägliche Kampf gegen Rassismus ist eine Belastung im Alltag, klar bin ich
da weniger konzentriert als andere. Und stimmt es nicht auch, dass ich
durch meine westafrikanische Familie Werte und Verhaltensweisen mitbekommen
habe, die hier irgendwie nicht reinpassen?
Nach meiner Diagnose war so einiges los in mir. Ich habe mir viele Fragen
gestellt und bin gedanklich immer wieder in die Vergangenheit gereist. Habe
Situationen analysiert und Muster entdeckt. Ich war erleichtert und habe
gleichzeitig getrauert. Ich hatte das Gefühl, mich bei mir entschuldigen zu
müssen, für die Ungerechtigkeit mir selbst gegenüber und das wenige
Verständnis, das ich mir gezeigt habe.
Ich hatte das Glück, direkt nach meiner Diagnose gute Beratung und
Unterstützung zu finden. Seitdem habe ich viel gelernt und verstanden.
Dieses Wissen hilft mir und meinem Hirn jeden Tag das Chaos in den Griff zu
bekommen und sich besser auf die Welt einzustellen. Wir arbeiten jetzt
miteinander und nicht gegeneinander. Das hätten wir schon früher haben
können.
Was ADHS bei PoC angeht, fehlt es an Repräsentation. Schwarze
Influencer*innen und Autor*innen zu finden, die ihre
ADHS-Erfahrungen teilen, ist nicht leicht. Studien zur Intersektion von
„race“ und ADHS habe ich nur aus Nordamerika gefunden. Ich hoffe, dass sich
diese Lücke bald schließt und mehr Wissen dazu zugänglich wird, damit PoC
in Zukunft nicht nur schneller zu ihren Diagnosen kommen, sondern auch
Verständnis und Unterstützung finden.
Bis dahin werde ich selbst mehr über meine Auseinandersetzung schreiben –
und [3][Wissen und Erfahrungen teilen]. Oder einfach Fragen in die Runde
werfen. Ich glaube, das ist nach wie vor der beste Weg, um Menschen zu
finden, die ähnliche Wege gehen und mit denen man sich verbinden und
austauschen kann.
24 Aug 2024
## LINKS
[1] /ADHS-im-Erwachsenenalter/!6026543
[2] /Buch-ueber-psychische-Stoerungen/!6013058
[3] /Chronische-Erkrankungen-in-Berlin/!6008562
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
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