| # taz.de -- Weniger Geld für freies Theater: Stroh, das wir uns leisten müssen | |
| > Die freien darstellenden Künste sind von massiven Kürzungen bedroht. | |
| > Dabei machen sie Kunst für Menschen, für die sonst kaum welche gemacht | |
| > wird. | |
| Bild: Das muss auch möglich sein: Freies Theater in Essen vor dem Maschinenhau… | |
| Obwohl der Kulturhaushalt des Bundes um gut 50 Millionen Euro erhöht werden | |
| soll, sind die freien darstellenden Künste von massiven Kürzungen bedroht. | |
| Darum habe ich in den letzten Tagen auf vielen Kanälen [1][eine Petition | |
| gegen die Kürzungen] verbreitet – und wieder mal gemerkt: Die freie Szene | |
| ist zwar ein profilgebender Fels unserer Kulturlandschaft, aber die | |
| Strukturen sind nicht leicht zu durchschauen, selbst für Fans. Da sind zum | |
| einen die Künstler*innen und zum anderen die Produktionshäuser, also | |
| Theater ohne festes Ensemble, die Theatergruppen und Publikum in der | |
| jeweiligen Stadt zusammenbringen. | |
| Wenn du in der freien Szene etabliert und gut vernetzt bist, fühlt sich das | |
| so an, wie in vielen Großstädten eine befreundete WG zu haben, bei der man | |
| Party machen kann. Allerdings nur, wenn du Speisen, Getränke und Deko | |
| selbst mitbringst. Das Haus stellt die Technik und verschickt die | |
| Einladungen. Wenn man als Neueinsteiger versucht, einen der begehrten | |
| Plätze in den Spielstätten zu bekommen, hat das ein wenig | |
| Maria-und-Josef-Style: Du klopfst an sehr viele Türen. Die meisten sagen | |
| Nein. Manche sagen gar nichts, und wenn jemand sehr viel Mitleid mit dir | |
| hat, bekommst du vielleicht einen Stall. Allerdings ohne Krippe und Ochs | |
| und Esel. Das müssen die Künstler*innen selber mitbringen. Einige der | |
| Häuser stellen jedoch das Stroh! | |
| Wer immer wieder mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, brennt langsam | |
| aus. Die Probleme des freien Theaters bleiben Unterfinanzierung und | |
| Unsicherheit. Die geplanten Kürzungen treffen die Szene von beiden Seiten. | |
| Gespart und gestrichen werden soll gleichzeitig bei den Produktionshäusern | |
| und den Künstler*innen. Die Mittel des Fonds Darstellende Künste, der | |
| vielfältige Förderprogramme für Künstler*innen ausschreibt und dringend | |
| einer Aufstockung bedarf, werden um 5 Millionen Euro gekürzt. [2][Die | |
| Förderung für das Bündnis internationaler Produktionshäuser soll | |
| gestrichen werden]. | |
| ## Weniger und billiger produziertes Theater | |
| Das heißt: Häuser werden weniger Stroh stellen können, Theatergruppen | |
| weniger Geld haben, um selbst Stroh zu kaufen. Doch das ist wohl das | |
| geringste Problem: Den darstellenden Künsten geht es an die Infrastruktur, | |
| den Künstler*innen an die berufliche Existenz. Das Publikum wird weniger | |
| und billiger produziertes Theater zu sehen bekommen. Und das ist besonders | |
| traurig. | |
| Dem [3][freien Theater] ist es auch während der Pandemie gelungen, durch | |
| Zuhören und Experimentieren neues Publikum zu gewinnen und Menschen mit dem | |
| Theater in Berührung zu bringen, die nicht geglaubt haben, Theater wäre | |
| etwas für sie, und für die lange Zeit tatsächlich im deutschsprachigen Raum | |
| kaum Theater gemacht wurde: In der freien Szene haben Schwarze und | |
| migrantische Perspektiven ihren festen Platz gefunden. Die Szene ist | |
| queerfeministisch, vielfältig und arbeitet hart und erfolgreich am Abbau | |
| von Barrieren. | |
| Hier gibt es keinen Dresscode und kein Problem mit Überalterung des | |
| Publikums. Tanz und Theater finden in ehemaligen Fabrikhallen statt und im | |
| ländlichen Raum. [4][Die Themen sind aktuell und dringlich]. Theater ist | |
| immer live und immer flüchtig. Es lebt von der Begegnung im Moment. Dem | |
| gemeinsamen Sehen und Fühlen, dem Austausch und der Diskussion. Es kann | |
| verstören und aufrütteln oder verbinden und trösten. In jedem Fall bringt | |
| es Menschen zusammen. Und das ist das Stroh, das wir uns genau jetzt | |
| leisten müssen. | |
| 9 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.change.org/p/an-der-freien-kunst-zu-sparen-kostet-zu-viel | |
| [2] /Budgetkuerzungen-in-der-Kultur/!6026421 | |
| [3] /Freies-Theater-feiert-Jubilaeum/!5943946 | |
| [4] /Festival-fuer-freies-Theater/!5110544 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Dede Ayivi | |
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