| # taz.de -- Freie-Wähler Wahlkampf in Bernau: La Vida Loca | |
| > Bei den Landtagswahlen in Brandenburg bangen die Freien Wähler um den | |
| > Wiedereinzug in den Landtag. In Bernau kämpfen sie um das Direktmandat. | |
| Bild: Die Grünen seien eine „Spaßpartei“ und „verteufeln Fleisch, aber … | |
| Bernau taz | Mit „Oweia, do brauch mo nächst mal fast a größere Holle“ (… | |
| brauchen wir nächstes Mal fast eine größere Halle), begrüßt der bayrische | |
| Wirtschaftsminister und Bundesvorsitzende der Freien Wähler, [1][Hubert | |
| Aiwanger,] am Mittwochabend sein Publikum im Ofenhaus im brandenburgischen | |
| Bernau. Der Vize-Staatspräsident von Bayern stand vergangenes Jahr im | |
| August noch wegen antisemitischer Flugblätter, die er in seiner Jugend | |
| verfasst haben soll, in der Kritik. Vielleicht war es auch sein Bruder. | |
| Niemand mag sich erinnern, auch im prall gefüllten Saal nicht. Dort wird | |
| der umtriebige Minister, der sich volksnah wie eh und je gibt, mit Standig | |
| Ovations empfangen. | |
| Aiwanger ist nach Bernau gekommen, weil Brandenburg nicht Bayern ist. | |
| Zumindest, was den Wahlerfolg der Brandenburger Vereinigte | |
| Bürgerbewegungen/Freie Wähler betrifft. In Brandenburg sieht es für die | |
| BVB/Freie Wähler kurz vor der Landtagswahl am 22. September nämlich nicht | |
| so gut aus. | |
| Eine aktuelle Umfrage des Insa-Instituts sehen die BVB/Freien Wähler bei 4 | |
| Prozent. Doch wie bereits 2019 scheint die Wählervereinigung auf ein | |
| Direktmandat ihres Aushängeschilds und Landesvorsitzenden Péter Vida in | |
| Bernau zu setzen: Die 5-Prozent-Hürde wäre so aufgehoben und die Freien | |
| Wähler könnten in den Landtag einziehen. Bereits seit 2014 sitzt Vida für | |
| die Freien Wähler im Brandenburger Landtag; 2019 gewann er das erste Mal | |
| ein Direktmandat. Damit das so bleibt, hängt sein Gesicht derzeit an jedem | |
| Bernauer Laternenpfahl. | |
| Immer mit darauf ist eine Orange, die fast schon eine staatstragende Rolle | |
| zu spielen scheint. Am Eingang des Ofenhauses wird dies eindrücklich mit | |
| einer übergroßen aufblasbaren Nachbildung der Zitrusfrucht demonstriert. Im | |
| Innenraum geht es weiter: orange Hemden, Orangenfrüchte und Orangensaft, | |
| Schilder in Orangenformat mit der Aufschrift „Wählt Orange“ auf den | |
| Tischen. Dass die Orange für die Freien Wähler in Brandenburg mehr als ein | |
| Symbol ist, nämlich ihr politisches Programm, macht Vida in seiner Rede | |
| deutlich. „Orange rein, Grün raus“ ist sein Ziel bei der anstehenden | |
| Landtagswahl. An „grüner Ideologie“ wird sich nach Vida auch Aiwanger | |
| abarbeiten. | |
| ## Vida führt in eigenen Umfragen | |
| Die ausgestrahlte Siegeszuversicht des Landtagsabgeordneten Vida speist | |
| sich aus einer von den brandenburgischen Freien Wählern selbst in Auftrag | |
| gegebenen Umfrage für Bernau und Panketal. Dort führt Vida mit 29 Prozent, | |
| [2][dicht gefolgt vom Kandidaten der AfD]. Das scheint den Politiker und | |
| Rechtsanwalt jedoch kaum zu beunruhigen. Denn „das drängendste Problem in | |
| unserem Land sind die Grünen“. | |
| Heizungsgesetz, Wärmepumpe und Windräder seien eine Zumutung für den Bürger | |
| und die Grünen ein „Wolf im Koboldsspelz“. Dem Orangen-Politiker Vida gehe | |
| es hingegen darum, „den ehrenhaften und rechtschaffenen Bürgern wieder eine | |
| Stimme zu geben“. Weder Rechtspopulismus noch Linkspopulismus sei dafür das | |
| Mittel der Wahl: „Lasst uns Mitte-Populisten sein“, agitiert der Bernauer | |
| Politiker die Menge. | |
| Auch „Leistung“ müsse sich „wieder lohnen“ und aus den „Fesseln der | |
| Bürokratie gelöst werden“. Würdigt man Fleiß, dann brauche es kein | |
| Bürgergeld, erklärt Vida und wirbt für ein Revival „preußischer Tugenden�… | |
| Von Preußen geht es dann endlich nach Bayern. Und zwar bei den Forderungen | |
| für die Bildungspolitik in Brandenburg: „Zu einer guten Bildung gehört eine | |
| gute Sprache. Da müssen wir uns ein Beispiel an Bayern nehmen und fordern | |
| ein Verbot der Gendersprache!“ | |
| Ehrengast Aiwanger, der laut Ankündigung von Vida „die bayrische | |
| Aristokratie in die Knie gezwungen hat“, freut sich über diese Würdigung | |
| und betritt die Bühne, um seinem Kollegen zum Wahlsieg zu verhelfen. Nach | |
| Witzeleien über die „mageren Kiefern in Brandenburg“ und was das Land neben | |
| der Einführung eines Genderverbots sonst noch von Bayern lernen könnte, | |
| wettert Aiwanger in seiner fast einstündigen Rede gegen so ziemlich alles: | |
| die Ampelregierung, Geflüchtete und das Selbstbestimmungsgesetz. | |
| ## Freie Wähler machen Grünen-Bashing | |
| Die Grünen seien eine „Spaßpartei“ und „verteufeln Fleisch, aber erlaub… | |
| Drogen“. Ersteres sei wohl gesünder. Auch die Bundesregierung ist für ihn | |
| ein „Witz“. Er würde der Ampel nicht mal seinen Hund zum Aufpassen oder | |
| Füttern geben. Beim Thema innere Sicherheit wirbt er für mehr Law and Order | |
| und sieht diese vor allem durch „illegale Migration“ bedroht. An sich habe | |
| er nichts gegen Ausländer, aber, „die, die bei uns frech werden, gehören | |
| heimgeschickt“. Auch tolerant sei er, aber im Selbstbestimmungsgesetz sieht | |
| er eine Gefahr für „die Jugend“. Natürlich ist auch das nach Aiwanger „… | |
| einer grünen Ideologie, die die Gesellschaft durcheinanderbringen will.“ | |
| Wenn es um konkrete politische Lösungen im Sinne des „kleinen Mannes“ geht, | |
| hat der Freie-Wähler-Frontmann kreative Ideen. Zum Beispiel fordert er, | |
| dass arbeitsfähige Menschen kein Bürgergeld erhalten sollen. Dafür sollten | |
| Rentner 2.000Euro Nebeneinkünfte erwirtschaften dürfen, ohne Steuern zahlen | |
| zu müssen. Damit könne man sie im Arbeitsleben halten und dem | |
| Fachkräftemangel entgegentreten. Im Rest seiner Rede setzt der bayrische | |
| Wirtschaftsminister sich wie auch sein Vorredner Vida passioniert gegen | |
| „Leistungsfeindlichkeit“ ein. | |
| Mit einem „Gott beschütze Euch“, schließt Aiwanger seine Ansprache und | |
| wieder erheben sich die Gäste im Bernauer Ofenhaus. Nur noch die | |
| allgegenwärtige Orange verweist nach diesem Abend darauf, dass das, was | |
| einem ausgelassenen Stammtisch im Wirtshaus glich, eine | |
| Wahlkampfveranstaltung für den „gesunden Menschenverstand“ in Brandenburg … | |
| so die Devise der Freien Wähler – war. | |
| 22 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martha Blumenthaler | |
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