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# taz.de -- Massentourismus der Zukunft: Bloß nicht dahin, wo's schön ist
> Je pittoresker, desto voller – das gilt auch für die Urlaubsorte der
> Zukunft. Unsere Kolumnistin träumt von lizenzierten Urlaubsverderbern.
Bild: Es wird immer enger: Massentourismus auf Sardinien
Urlaub ist auch nicht mehr das, was er mal war: Traumstrände quellen über
vor Billigtouristen, im Wasser schwimmt der Müll. Einstige Geheimtipps wie
glasklare Bergseen gehen an ihrer Instagrammability zugrunde. Die
Mallorquiner demonstrieren gegen den Massentourismus, für den Venedig
neuerdings Tagesgebühren verlangt.
Ich vermute, dass die Situation in hundert Jahren noch viel drastischer ist
und mein zeitreisender Freund Felix mich deshalb so häufig aus dem Jahr
2124 besuchen kommt.
„Habt ihr eigentlich den Massentourismus in den Griff bekommen?“, frage
ich, als wir es uns mit Bier und Butterbreze auf meiner schattigen Terrasse
gemütlich gemacht haben. „Du meinst, dass immer ausgerechnet da zu viele
Touris sind, wo du gerade in Ruhe Urlaub machen willst?“, fragt er und
grinst maliziös. „Ja, und dass der Tourismus genau die Naturschätze und
kulturellen Stätten zerstört, die ihn eigentlich erst ausgelöst haben.“
„Stimmt. Ich für meinen Teil war seit Jahren nicht im Urlaub! Aber generell
ist die Zahl der Urlauber in den letzten hundert Jahren immer weiter
gestiegen, weshalb auch immer mehr Orte touristisch erschlossen werden. Das
entlastet die Hotspots aber kaum. Für [1][Weltkulturerbestätten] wie das
Tadsch Mahal oder das Schweriner Schloss gibt es mittlerweile Losverfahren
von der Unesco, damit die Besucherquoten eingehalten werden und nicht nur
die Superreichen sich einen Besuch leisten können. Und es hat sich eine
andere Methode etabliert, um dem Massentourismus Einhalt zu gebieten und
gleichzeitig eine Menge Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder Touristenort, der
etwas auf sich hält, beschäftigt Urlaubsverderber.“
## Je berühmter ein Urlaubsort, desto mehr Urlaubsverderber
„Die muss man doch nicht anstellen. Die kommen von allein. Erst letzte
Woche im ICE saß neben mir so ein furchtbarer Typ …“„Und jetzt stell dir
vor, solche Leute: misanthropische Sturköpfe, Exzentriker, [2][Narzissten]
und Besserwisser treffen im Urlaub nicht mehr zufällig auf unbescholtene
Familien, sondern sie werden gezielt in Regionen geschickt, die wegen des
Übertourismus kurz vor dem Kollaps stehen. Dort können sie ihre Fähigkeiten
voll entfalten: Frühmorgens mit Handtüchern die besten Poolliegen
reservieren, beim Salatbuffet alle Fleischbällchen einzeln herauspicken, am
Strand über Sangriaeimer stolpern und im überfüllten Bus hartgekochte Eier
essen.
Sie parken ihre dicken Autos an der Strandpromenade und tragen beim
Theaterbesuch Hüte mit breiter Krempe. An jedem Restauranttisch muss ein
Stuhl freigehalten werden, falls sich ein lizenzierter Urlaubsverderber
dazusetzen will, um seine Lebensgeschichte zu erzählen, und in jedem Club
gibt es mindestens einen, der mit seinen Tanzschritten die Besucher
brüskiert und nachts in die Blumenkübel uriniert.
Je berühmter ein Urlaubsort, desto mehr Urlaubsverderber müssen laut Unesco
beschäftigt werden und desto größer das Risiko für Touristen, ihnen zu
begegnen. Wem die Reise durch einen Urlaubsverderber einmal so richtig
verhagelt wurde, der kommt so schnell nicht wieder und sucht sich nächstes
Mal ein Reiseziel aus, das noch nicht so stark frequentiert ist. Ist
mittlerweile erwiesen.“
„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du diesen Job ziemlich gut kennst.“
„Ja, was glaubst du, warum ich seit Jahren nicht im Urlaub war? Als
Urlaubsverderber werde ich fürs Reisen bezahlt, und Kost und Logis sind
frei!“
11 Aug 2024
## LINKS
[1] /Tourismus-und-Staedtetod/!5608104
[2] /Philosophin-Isolde-Charim-ueber-Narzissmus/!vn5904379/
## AUTOREN
Theresa Hannig
## TAGS
Kolumne Zukunft
wochentaz
Urlaub
Massentourismus
Weltkulturerbe
Tourismus
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Klimawandel
Museumsinsel
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