| # taz.de -- Spannungen im Nahen Osten: Chancen für Krisendiplomatie | |
| > Eine Eskalation im Nahen Osten steht im Raum. Doch nüchtern betrachtet | |
| > käme ein Flächenbrand beiden Seiten nicht gelegen – das gibt Hoffnung. | |
| Die Islamische Republik Iran muss nur drohen – und schon steht die Region | |
| still. Seit [1][der Tötung von Hamas-Politbürochef Ismael Hanijeh] in einem | |
| Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran wartet die Welt auf die | |
| angekündigte Rache des Iran. „Eine neue Phase des Kriegs“ kündigte Hassan | |
| Nasrallah an, Chef der vom Iran unterstützen Miliz Hisbollah im Libanon. | |
| Wann, wo und wie genau bleibt seit Tagen offen. Der Iran ist mit seiner | |
| Eskalationsrhetorik so vorangeprescht, dass er wohl irgendetwas wird tun | |
| müssen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Wer mit der Vernichtung Israels | |
| gedroht hat, kann sich danach kaum mit fragiler Ruhe begnügen. | |
| Die USA fahren nun die vollen diplomatischen Geschütze auf, mit Bitten und | |
| mit Drohungen. „Es ist dringlich, dass alle in der Region die Situation | |
| genau betrachten, das Risiko der Fehlkalkulation verstehen und | |
| Entscheidungen treffen, die die Wogen glätten und nicht verschärfen“, | |
| erklärte US-Außenminister Anthony Blinken einerseits – auch an Israel | |
| gerichtet. Und das US-Militär verlegte andererseits Kriegsschiffe ins | |
| Mittelmeer und an den Persischen Golf sowie Kampfflugzeuge in die Region. | |
| Während die Krisendiplomatie sich im Vordergrund abmüht, bereiten sich im | |
| Hintergrund beide Seiten vor. | |
| Eine Eskalation könnte so aussehen: In Anlehnung an den direkten Angriff | |
| seitens des Iran auf Israel im April könnte die Islamische Republik | |
| versuchen, die Luftabwehr Israels zu überwinden. Das ist ihr beim letzten | |
| Versuch nicht geglückt. Das Arrow-System hielt stand, und Verbündete halfen | |
| beim Abschuss der nach Israel zielenden Raketen. | |
| ## Die Schwachstellen der israelischen Luftverteidigung | |
| Die Luftverteidigung Israels hat drei größere Schwachstellen: Die schiere | |
| Masse könnte die Systeme – die Raketen auf anfliegende Geschosse feuern und | |
| diese in der Luft explodieren lassen – verwirren, es würden dann nicht mehr | |
| alle Raketen abgefangen; Städte sowie Militärinfrastruktur könnten | |
| getroffen werden. Doch wie auch der Iran hatte Israel nun Zeit, sich | |
| vorzubereiten. Und es ist zu erwarten, dass zumindest die USA wieder an der | |
| Seite ihres Verbündeten stehen werden. | |
| Die zweite Schwachstelle sind Antipanzerraketen, die [2][aus dem Südlibanon | |
| auf Nordisrael abgefeuert] werden. Gegen die Antipanzerraketen gibt es kein | |
| Schutzsystem – aufgrund ihrer geringen Reichweite sind sie aber nur nah der | |
| Grenze relevant. | |
| Auch die Hisbollah im Libanon – ebenso [3][die Huthis im Jemen], die Hamas | |
| in Gaza und weitere Milizen in Syrien und dem Irak – könnte in einen | |
| koordinierten Angriff einsteigen. Die Hisbollah könnte ihren anhaltenden | |
| Beschuss massiv ausweiten – auf ganz Israel. Die dritte Schwachstelle ist | |
| die Abwehr von Drohnen. | |
| Laut Militäranalysten könnten sie dem Luftüberwachungssystemen Israels | |
| leichter durchrutschen. Und dass Iran und seine Milizen lernen, Drohnen | |
| besser einzusetzen, zeigten die vergangenen Wochen: Im Juli explodierte im | |
| Herzen von Tel Aviv eine Drohne, die wohl von den Huthis im Jemen | |
| abgefeuert wurde. | |
| Auch aus dem Norden schaffte es jüngst eine Drohne unentdeckt auf | |
| israelisches Gebiet und verletzte nahe der Stadt Naharija in Nordisrael | |
| fast 20 Menschen teils schwer. Und eine Überwachungsdrohne der Hisbollah, | |
| die im Juni Videos von sensibler Infrastruktur machte, bewegte sich ebenso | |
| unentdeckt durch den Luftraum. | |
| Doch auch der Iran hat massive Schwachstellen – vor allem in seiner | |
| Verteidigung. Raketen und Drohnen abzufeuern ist verhältnismäßig billig und | |
| einfach. Sich zu verteidigen, Geschosse zu orten, abzufangen und sie | |
| kontrolliert zu zerstören ist indes komplizierter. | |
| ## Iran agiert taktisch | |
| Der strauchelnden Wirtschaft des Iran ist gerade die Ölproduktion wichtig – | |
| und Israel sind deren neuralgische Punkte sicher bekannt. Auch die für das | |
| iranische Atomprogramm genutzte Infrastruktur ist relativ schutzlos. Dass | |
| dem Iran das bewusst ist, zeigt wohl auch der berichtete jüngste Kauf von | |
| Luftabwehranlagen aus Russland. | |
| Die Islamische Republik agiert taktisch. Nun steht wohl eine neue Runde | |
| [4][der Geiselverhandlungen] an. Wenn dieses Mal eine Lösung gelingt, | |
| werden sie und die Hisbollah den Erfolg wohl für sich reklamieren. Außerdem | |
| arbeitet der Iran weiter an der nuklearen Aufrüstung und könnte nur noch | |
| Wochen von der Atombombe entfernt sein. Und auch Israel hat wohl momentan | |
| kaum Interesse daran, den Krieg mit dem Iran auszuweiten: Zu viele | |
| militärische Ressourcen sind noch in Gaza eingebunden. | |
| Auch ein gemäßigter Vergeltungsschlag des Iran könnte Leben kosten. Doch | |
| eine massive Eskalation käme gerade beiden Parteien weniger gelegen – und | |
| die Chancen auf zumindest einen Teilerfolg der Krisendiplomatie stehen | |
| verhältnismäßig gar nicht so schlecht. | |
| 9 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
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| [2] /Angst-vor-israelisch-libanesischem-Krieg/!6025511 | |
| [3] /Wer-sind-die-Huthis-im-Jemen/!5984961 | |
| [4] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6025639 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Schneider | |
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