| # taz.de -- Retro am Berliner Molkenmarkt: Klüngel um das Kloster | |
| > Das Netzwerk der Altstadtfans. Oder warum der schwarz-rote Senat | |
| > öffentliches Eigentum einer privaten Stiftung für einen Schulneubau | |
| > überlassen will. | |
| Bild: Klosterkirche und Gymnasium Graues Kloster 1890 | |
| Berlin taz | Von Beginn an standen die Restitutionspraktiken in | |
| Ostdeutschland schwer in der Kritik, weil sie die Ungleichheit von Vermögen | |
| und Besitz zwischen Ost und West verschärften. Doch selten war ein Vorgehen | |
| so dreist wie in einem Fall, der erst jetzt in Berlin zur Entscheidung | |
| ansteht. Die 1954 in Westberlin eingetragene [1][Stiftung Berlinisches | |
| Gymnasium zum Grauen Kloster] fordert die Restitution, also die | |
| Rückerstattung von in Ostberlin gelegenen Grundstücken der [2][ehemaligen | |
| Schule zum Grauen Kloster] und hat dazu Klagen gegen das Land Berlin | |
| erhoben. | |
| Den Antrag der Stiftung auf Restitution hatte das Landesamt zur Regelung | |
| offener Vermögensfragen bereits 1999 abgelehnt. Wie sollte auch eine 1954 | |
| gegründete Institution Anspruch auf eine Besitz aus der Zeit vor 1949 | |
| haben? Und wieso sollte eine private Stiftung Rechtsanspruch auf den | |
| Grundbesitz einer staatlichen Schule haben, der im 16. Jahrhundert von | |
| einem brandenburgischen Kurfürsten der Stadt Berlin geschenkt worden war? | |
| Das Ansinnen ist offenkundig völlig grotesk, aber keineswegs aussichtslos. | |
| Sicherlich nicht abträglich ist, dass die führenden Vertreter der Stiftung | |
| und ihres Fördervereins langjährige Mitglieder und Funktionäre der | |
| aktuellen Berliner Regierungsparteien sind. | |
| Zum einen ist da Georg Dybe, der die Stiftung vertritt und Vorsitzender des | |
| Vereins ehemaliger Klosteraner sowie Mitglied im Vorstand des Fördervereins | |
| Evangelisches Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin-Mitte ist. Dybe ist | |
| zugleich Beisitzer im Vorstand der SPD Wilmersdorf Südost und | |
| Referatsleiter in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg. | |
| Dann ist da Ernst Brenning, CDU-Mitglied, Rechtsanwalt und Notar. Er war | |
| Gründer und langjähriger Vorsitzender des besagten Fördervereins, dazu | |
| stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Evangelischen Schulstiftung | |
| und Elternsprecher des Evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster im | |
| Charlottenburg-Wilmersdorfer Ortsteil Schmargendorf. Zudem war Brenning | |
| früher Justiziar des Berliner CDU-Landesverbands und stellvertretender Chef | |
| in einem Steglitz-Zehlendorfer CDU-Ortsverband. | |
| ## Eliteschule für Mitte | |
| Seit Langem verbindet die Stiftung mit einigen Senatsvertretern das | |
| inhaltliche Ziel einer restaurativen Neugestaltung des östlich des Roten | |
| Rathauses gelegenen Areals des ehemaligen Grauen Klosters in Mitte, wo nur | |
| noch die Ruine der Franziskanerklosterkirche steht. 2002 war unter | |
| Senatsbaudirektor Hans Stimmann die Erstellung eines neuen Bebauungsplans | |
| für das Gebiet beschlossen worden. | |
| Freudig stellte man damals fest, dass ein privater Träger am historischen | |
| Schulstandort einen Schulneubau errichten will, bezog dessen Überlegungen | |
| in die Entwicklung der Planung mit ein und legte die Realisierung der | |
| Schule im Bebauungsplan fest. Dass es sich hierbei um eine private | |
| „Eliteschule“ traditioneller Prägung handeln sollte, war in der SPD | |
| sicherlich nicht unumstritten. Zielführender war es daher, einen Teil der | |
| Handlungsmacht vom Staat auf private Träger zu verlagern, was ohnehin der | |
| Privatisierungsideologie des damaligen Senatsbaudirektors Stimmann wie des | |
| damaligen SPD-Finanzsenators Thilo Sarrazin entsprach. | |
| Auf politischen Wunsch kam Berlin daher der Stiftung bezüglich ihres | |
| Restitutionsanspruchs entgegen. Statt ein Gericht über die wenig | |
| erfolgversprechende Klage der Stiftung entscheiden zu lassen und diese | |
| damit endgültig abzuwehren, vereinbarte die Senatsfinanzverwaltung mit der | |
| Stiftung im Jahr 2002, die Klage ruhen zu lassen – und dies bis heute. | |
| Inzwischen hat die Stiftung unter für sie günstigeren Voraussetzungen eine | |
| zweite, anders gestaltete Klage auf den Weg gebracht. Vor Kurzem wurde | |
| bekannt, dass der schwarz-rote Senat sich mit Blick auf die neue Klage im | |
| Rahmen eines Vergleichs mit der Stiftung außergerichtlich einigen will. Die | |
| Stiftung hat hierzu einen bislang geheim gehaltenen Vorschlag vorgelegt, | |
| der die eigentumsrechtliche Regelung mit Ideen zur Realisierung von Bauten | |
| verbindet. | |
| Das trifft im Senat auf offene Ohren. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) war | |
| vor seinem Amtsantritt im April 2023 viele Jahre | |
| stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus | |
| und hat sich in dieser Funktion für die historische Rekonstruktion der | |
| Berliner Altstadt ausgesprochen. Warum seine Senatsverwaltung ihre | |
| eindeutige Ablehnung der Restitution von 1999 über den Haufen geworfen hat | |
| und nun eine Einigung mit der privaten Stiftung anstrebt, ist auch auf | |
| Nachfrage nicht in Erfahrung zu bringen. Kryptisch heißt es in einer | |
| Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion, dass sich | |
| beide „Parteien aufgrund der Lage und Bedeutung des betroffenen | |
| Grundstücks“ außergerichtlich einvernehmlich einigen wollen. | |
| Was bedeutet das? Ist das eine vage Umschreibung, dass mit willkürlichen | |
| Zugeständnissen an die Stiftung „höhere Ziele“ im öffentlichen Interesse | |
| erreicht werden sollen? Warum spielen die Ablehnungsgründe von 1999 heute | |
| keine Rolle mehr? | |
| In seinem wohlwollenden Umgang mit den Forderungen der Stiftung kann | |
| Finanzsenator Evers auf Unterstützung von Senatsbaudirektorin Petra | |
| Kahlfeldt (parteilos, für SPD) zählen. Kahlfeldt verweist stolz darauf, | |
| dass ihre Kinder die Westberliner Schule zum Grauen Kloster besucht und sie | |
| das dortige Café mitaufgebaut habe. Daher kennt sie auch die ehemalige | |
| Schulleiterin Brigitte Thies-Böttcher gut, die inzwischen Vorsitzende des | |
| Fördervereins ist. Auf verschiedenen Veranstaltung engagieren sich beide | |
| für den historischen Wiederaufbau der Schule, unterstützt von Marie-Luise | |
| Schwarz-Schilling. | |
| Die Gattin des ehemaligen CDU-Bundespostministers Christian | |
| Schwarz-Schilling wiederum wohnt im gleichen Haus wie Kahlfeldt und hat vor | |
| zwei Jahren die [3][Stiftung Berlin-Mitt]e gegründet, die sich für eine | |
| möglichst originalgetreue Rekonstruktion des Quartiers einsetzt. Im Rahmen | |
| ihrer Kampagne, für die sie auch vom Senat finanziell gefördert wurde, hat | |
| sie bereits Renderings für den originalgetreuen Wiederaufbau der Schule zum | |
| Grauen Kloster produziert. Auf Facebook unterstützt ihr Stiftungsvorstand | |
| Benedikt Goebel die Restitutionsforderungen der Stiftung Graues Kloster. | |
| Goebel wünscht sich, dass die Berliner Altstadt um das ehemalige Graue | |
| Kloster nach dem Vorbild der Frankfurter Neuen Altstadt für die „Reichen | |
| und Schönen“ rekonstruiert wird. Der angestrebte Vergleich zwischen Senat | |
| und Stiftung Graues Kloster könnte Senatsbaudirektorin Kahlfeldt, die | |
| Goebel aus der gemeinsamen Arbeit im Architekten- und Ingenieurverein | |
| Berlin (AIV) gut kennt, dem Ziel ein gutes Stück voranbringen. | |
| 15 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.graues-kloster.de/ | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelisches_Gymnasium_zum_Grauen_Kloster | |
| [3] https://stiftung-mitte-berlin.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Philipp Oswalt | |
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