# taz.de -- Pläne für den Molkenmarkt: Molkenmarkt alias Gezi-Park | |
> Aktivist*innen befürchten fehlende soziale Gerechtigkeit bei der | |
> Neugestaltung des Molkenmarkts in Berlin-Mitte und diskutieren | |
> alternative Ansätze. | |
Bild: Der Molkenmarkt soll umgestaltet werden. Über die Neugestaltung wird dis… | |
Berlin taz | Noch tobt sich die Archäologie am [1][Molkenmarkt in Mitte] | |
aus. Der Platz ist der älteste in Berlin, bei den weiterhin andauernden | |
Ausgrabungen ist man bereits auf allerlei historische Artefakte gestoßen. | |
Die Ausgrabungen sind aber freilich nur die Vorstufe zu dem, was seit einer | |
ganzen Weile als Projekt Wiederbelebung Molkenmarkt vorangetrieben wird. | |
Das Quartier zwischen dem Nikolaiviertel und der Shopping-Mall Alexa soll | |
bald völlig neu gestaltet werden. Zumindest anteilig sollen bezahlbare | |
Wohnungen entstehen, außerdem Raum für Kultur. Angestrebt wird ein | |
Baubeginn im Jahr 2026. | |
Nachdem Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt vor zwei Jahren ein | |
Bürgerbeteiligungsverfahren zur Neugestaltung [2][des Molkenmarkts | |
erfolglos abgebrochen hatte], sind viele, die sich für den Platz | |
interessieren, besorgt. Befürchtet wird, so formuliert es Ole Kloss von | |
„Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“, auf einer von der Gruppierung | |
organisierten Veranstaltung zum Molkenmarkt am Samstag, eine „autoritäre | |
Stadtplanung von oben“ und das Ende des Traums eines „sozialen, | |
bezahlbaren, ökologischen Wohnquartiers“. | |
Deutsche Wohnen & Co. Enteignen hat gemeinsam mit dem Kiosk of Solidarity | |
und verschiedenen Initiativen kritischer Architekt*innen neben die | |
Klosterruine in Mitte geladen, um zu erörtern, was sich aktivistisch gegen | |
dieses befürchtete Szenario unternehmen lässt. Wie lässt sich eine | |
sichtbare Bewegung organisieren, die sich für die Entstehung eines sozial | |
durchmischten Viertels stark macht? Und wie schafft man es, die breite | |
Öffentlichkeit dazu zu bewegen, sich mit den undurchsichtigen Plänen von | |
Petra Kahlfeldt auseinanderzusetzen? | |
## Man könne von den Gezi-Protesten lernen | |
Denn lässt man die Senatsbaudirektorin einfach machen, da sind sich alle | |
Podiumsvertreter*innen einig, bekommt man eine Architektur im Sinne der | |
konservativen Rekonstruktion vorgesetzt und Wohnungen, die sich doch nur | |
Besserbetuchte leisten können. Bislang könne man bedauerlicherweise kaum | |
von einer echten Proteststimmung gegen den als intransparent angesehenen | |
Gestaltungswillen Kahlfeldts reden. | |
Um das zu ändern, könne man vielleicht von den Gezi-Protesten 2013 in | |
Istanbul lernen, so der originelle und etwas überraschende Ansatz der | |
Veranstaltung. Damals lösten die Pläne des türkischen Staatschefs Erdoğan, | |
den beliebten Gezi-Park in Istanbuls Stadtzentrum mit einer „Residenz für | |
den Präsidenten für seine Balkonreden“ zu bebauen, wie das der Urbanist | |
Orhan Esen auf dem Panel formuliert, Massenproteste aus. Am Ende musste | |
Erdoğan seine Pläne begraben. Hat man es am Molkenmarkt wirklich mit einer | |
vergleichbaren Situation, wie in Istanbul vor elf Jahren zu tun oder ließe | |
sich diese zumindest herbeiführen? | |
Darüber gehen die Meinungen auf dem Podium auseinander. Allen ist klar, | |
dass es natürlich grundsätzliche Unterschiede gibt. Würde Bundeskanzler | |
Olaf Scholz (SPD) vorhaben, mitten im Görlitzer Park eine Sommerresidenz zu | |
bauen, würden zumindest in Kreuzberg die Leute ganz sicher schnell auf den | |
Barrikaden sein. Was aber an einem extrem unattraktiven Ort wie dem | |
Molkenmarkt geschieht, löst dagegen bislang kaum Emotionen bei den | |
Berliner*innen aus. | |
Der Architekt und Aktivist Yasser Almaamoun findet, dass man, zumindest was | |
autoritäre Repression angeht, in Berlin schon fast türkische Zustände | |
erreicht habe. Er spricht von Polizeigewalt auf Pro-Palästina-Demos und | |
zunehmender Unterdrückung von Meinungsfreiheit. Eine Analyse, die der | |
Architekturtheoretiker und Vizepräsident der Akademie der Künste, Anh-Linh | |
Ngo, entschieden zurückweist. Ein Vergleich zwischen heutigen | |
Palästinademos und damaligen Protesten im Gezi-Park sei nicht ziehbar. | |
Am Ende bleibt Ratlosigkeit, inwiefern sich wirklich von den Ereignissen im | |
Gezi-Park etwas auf [3][die heutige Situation am Molkenmarkt] übertragen | |
lässt. Eine brauchbare „Formel, warum sich die Menschen hier versammeln | |
sollen“, wie sie sich Anh-Linh Ngo wünscht, wird weiterhin gesucht. | |
25 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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