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# taz.de -- HDJ-Führungskader für die AfD gewählt: Deutschland. Aber tiefbra…
> In Roßlau, Sachsen-Anhalt, wurde der AfD-Politiker Laurens Nothdurft zum
> Ortsbürgermeister gewählt. Er war Mitglied eines verbotenen
> Neonazi-Vereins.
Bild: Dessau-Roßlau hat einen neuen Orstbürgermeister gewählt, den AfD Polit…
Berlin taz | Im Jahr 2020 ist der [1][Rechtsextremist Andreas Kalbitz wegen
seiner Mitgliedschaft in der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)], einer
von der Hitlerjugend inspirierten Jugendorganisation, noch aus der AfD
geflogen. Im Jahr 2024 werden ehemalige HDJ'ler in der AfD dagegen zu
Ortsbürgermeistern gewählt – obwohl die [2][2009 verbotene
Neonazi-Organisation] weiter auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei
steht. Der Fall zeigt einmal mehr, wie wenig Wert diese Liste ist und wie
offen rechtsextrem die Partei auch auf den unteren Ebenen ist.
Gewählt wurde der tiefbraune AfD-Politiker mit dem Namen Laurens Nothdurft
in Roßlau, einem Stadtteil von Dessau-Roßlau. Am Dienstagabend wählte ihn
der [3][Ortschaftsrat Roßlau mit sechs zu drei Stimmen], zwei Stimmen waren
ungültig. Nothdurft sitzt in dem Ortschaftsrat für die Bürgerliste Roßlau.
In einer geheimen Abstimmung zog der ehemalige Oberbürgermeister der
kreisfreien Stadt, Klemens Koschig (Neues Forum) den Kürzeren, obwohl
dieser bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen bekommen hatte. Die
bisherige Ortsbürgermeisterin Christa Müller von der CDU stand nicht mehr
zur Verfügung, wollte Nothdurft aber zur Seite stehen. „Ich möchte noch
gerne begleiten, was vor uns liegt und was angeschoben worden ist“, sagte
Müller der Mitteldeutschen Zeitung.
Was in Roßlau wie eine normale Amtsübergabe klingt, ist es in Wirklichkeit
nicht: Nothdurft ist fest im Neonazi-Milieu verankert. Das
[4][Antifa-Magazin Der Rechte Rand berichtete bereits 1999] von seinen
Aktivitäten im Zusammenhang mit der HDJ. 2002 war Nothdurft Bundesführer
bei der neofaschistischen Organisation, die Zeltlager für Jugendliche
abhielt, die dort nach nationalsozialistischen Idealen gedrillt und
geschult werden sollten. Seine Partnerin Hildegard Nothdurft war dort
„Bundesmädelführerin“. Die beiden haben heute zusammen sieben Kinder.
Überhaupt sind die Nothdurfts eine [5][schrecklich braune Familie]: Sein
Vater Joachim Nothdurft tauchte im NPD-Umfeld auf, war auch
Bundesschriftführer der rechten Kleinpartei DSU. Auch dessen zweiter Sohn
war dort im Vorstand aktiv. Gemeinsam mit seinem Vater sitzt Laurens
Nothdurft ebenfalls in der AfD-Fraktion des Stadtrats von Dessau-Roßlau.
Gemeinsam besuchten sie auch schon 2002 eine Demonstration der NPD. Laut
der Mitteldeutschen Zeitung [6][arbeitet Laurens Nothdurft auch für die
AfD-Fraktion im sachsen-anhaltinischen Landtag und vertrat sie gerichtlich
als Rechtsanwalt].
## Dogwhistle an Neonazis
Ein Text, den Laurens Nothdurft anlässlich seiner Kandidatur für Facebook
über die Bürgerliste Roßlau verbreiten ließ, lässt sich auch als Dogwhistle
an Rechtsextreme lesen. Er beschreibt sich als bürgerlich-biederen
Rechtsanwalt mit geregeltem Lebenslauf und Vereinsleben, er sei
herumgekommen und habe einiges erlebt – unter anderem bei der
„Jugendarbeit“, womit eigentlich nur die HDJ gemeint sein kann.
Nothdurft schließt seine Bewerbungsschrift mit „Deutschland braucht endlich
eine Alternative und hier vor Ort brauchen wir die Bürgerliste für Roßlau.
Alles für unsere Heimat!“ Das Schreiben wurde wohlgemerkt veröffentlicht
zwischen zwei Prozessen, in denen der [7][Thüringer AfD-Chef Björn Höcke
wegen der nun bundesweit bekannten SA-Parole „Alles für Deutschland!“
jeweils verurteilt wurde]. Interessant ist auch, dass Nothdurft angibt, als
Referendar im Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalts tätig gewesen zu sein.
Auf taz-Anfrage heißt es dazu aus dem Ministerium, dass Nothdurft dort
tatsächlich drei Monate vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2007 im Rahmen
des juristischen Vorbereitungsdienstes tätig war. Er habe Einblicke in
Organisation, Aufgaben und Arbeitsweise des Ministeriums erhalten und habe
Arbeitsaufträge aus dem Bereichen Handwerks-, Beamten- und EU-Rechts
erhalten. Es sei aus den noch vorhandenen Unterlagen nicht mehr erkennbar,
ob seine Neonazi-Bezüge damals bekannt gewesen seien. Eine
Sicherheitsüberprüfung habe es nicht gegeben.
„Gegenpart“, das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt,
schlussfolgerte nach der Wahl: [8][„Die Normalisierung der extremen Rechten
in Dessau-Roßlau ist abgeschlossen.“] Zwar wirke Nothdurft „mit seiner
biederen Art nicht, wie viele sich einen Neonazi vorstellen“. Doch seine
langjährige Vergangenheit in der extremen Rechten sei hinlänglich bekannt
gewesen. Noch 2019 sei Nothdurft wegen seines rechtsextremen Hintergrunds
[9][aus der bayerischen Landtagsfraktion der AfD herausgeflogen]. „Heute
scheint dies nicht einmal mehr zu verhindern, das ein Kandidat mit einer
solchen Vergangenheit in eine herausragende Position gewählt wird.“
Dies zeige deutlich, wie weit die Normalisierung der extremen Rechten
fortgeschritten sei, kritisierte „Gegenpart“. Und Nothdurft sei nicht der
einzige Fall: Im Zuständigkeitsbereich der Mobilen Beratung in Anhalt habe
auch ein anderer Ortsbürgermeister Verbindungen ins neonazistische Milieu.
So sei auch im Ortsteil Gohrau der Stadt Oranienbaum-Wörlitz Benjamin Focke
zum Ortsvorsteher gewählt worden – ein Kandidat der „Heimat“-Partei, der
umbenannten NPD. Dort gab es offenbar [10][keinen Gegenkandidaten].
## AfD Dessau-Roßlau ist neonazistisch
In der AfD Sachsen-Anhalt ist eine Neonazi-Vergangenheit oder Gegenwart
offenbar kein Problem mehr: Gegenpart verwies auch auf den
AfD-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat von Dessau-Roßlau, René Diedering,
der 2019 auf Neonazi-Demos geredet habe, 2017 Reichsfahnen hochhielt und
sogar die Freiheit [11][für den verurteilten Holocaustleugner Host Mahler]
gefordert hatte. Die Mobile Beratung schlussfolgert daraus: „Der
Ortsverband der AfD in Dessau-Roßlau muss deshalb als neonazistisch
infiltriert bezeichnet werden.“
Auch die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt ist alarmiert über die
[12][Normalisierung der AfD über kommunale Ämter]. In etlichen Kommunen
würden Kandidierende der AfD nach den jüngsten Kommunalwahlen auch in
oberste Ämter gehoben, kritisierte die Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von
Angern. Die Fraktionen in den Gemeinden verhälfen den Rechtsextremisten so
zu mehr Macht – trotz aller Warnungen von Rechtsextremismusexperten.
[Anm. d. Red.: Der Text wurde am 12.7. ergänzt.]
11 Jul 2024
## LINKS
[1] /Ehemaliger-Brandenburger-AfD-Chef/!6020102
[2] /!686814/
[3] https://www.mz.de/wahl/kommunalwahl-dessau-rosslau/afd-mann-laurens-nothdur…
[4] https://x.com/derrechterand/status/1810984135319572806
[5] https://lsa-rechtsaussen.net/voelkische-szene-germanische-glaeubige-und-cor…
[6] https://www.mz.de/mitteldeutschland/sachsen-anhalt/politik-afd-hdj-partei-s…
[7] /Zweites-Urteil-gegen-AfD-Politiker/!6017922
[8] https://projektgegenpart.de/ehemaliger-hdj-fuehrungskader-zum-ortsbuergerme…
[9] https://www.sueddeutsche.de/bayern/afd-fraktion-npd-aktivist-1.4394976
[10] https://www.sueddeutsche.de/panorama/kommunalpolitik-rechtsextreme-ortsvor…
[11] /Holocaustleugner-im-Gefaengnis/!5456713
[12] https://www.sueddeutsche.de/panorama/kommunalpolitik-rechtsextreme-ortsvor…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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