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# taz.de -- Syrische Geflüchtete: Richter rütteln am Schutz
> Ein Gericht in Münster sieht keinen Grund mehr, Syrer*innen
> subsidiären Schutz zu gewähren. Eine Studie zeigt indes, wie gut sie sich
> integrieren.
Bild: Als Geflüchtete aus Syrien 2015 noch willkommen waren im Münsterland
Berlin taz | Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster stellt den
subsidiären Schutz für Geflüchtete aus Syrien infrage. Die Lage dort sei
nicht mehr so gefährlich, dass sie diesen Schutzstatus rechtfertige, so das
Gericht in [1][einer Mitteilung von Montag]. Menschenrechtsorganisationen
kritisieren das scharf.
Verhandelt wurde der Fall eines Mannes, der 2014 nach Deutschland gekommen
war und dagegen geklagt hatte, dass er weder als Flüchtling anerkannt wurde
noch subsidiären Schutz bekommen hatte.
Dies wiesen die Richter*innen nun ab, weil der Mann als Schleuser
verurteilt ist. Sie stellten aber auch fest, dass der Mann selbst ohne
Verurteilung keinen Anspruch auf Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz
hätte. Für ersteres muss eine politische Verfolgung vorliegen, was bei
Menschen aus Syrien eher selten festgestellt wird. Subsidiären Schutz, der
oft bei der Bedrohung durch einen Bürgerkrieg ausgesprochen wird, haben
Syrer*innen aber bisher in vielen Fällen erhalten.
Genau daran rüttelt nun das Gerichtsurteil: Zwar stellen die
Richter*innen fest, dass in Syrien und der Herkunftsprovinz des Mannes,
Hasaka, durchaus noch gekämpft werde, dies erreiche „jedoch kein solches
Niveau (mehr), dass Zivilpersonen beachtlich wahrscheinlich damit rechnen
müssen, im Rahmen dieser Auseinandersetzungen und Anschläge getötet oder
verletzt zu werden.“ Es ist das erste Mal, dass ein so wichtiges Gericht
eine derartige Entscheidung zum subsidiären Schutz trifft. Es könnte
passieren, dass sich andere Gerichte daran künftig orientieren.
## „An der Realität vorbei“
Menschenrechtsorganisationen sind entsprechend entsetzt. „Die Situation in
Syrien ist weiterhin katastrophal“, betont Sophie Scheytt von Amnesty
International. „Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist nicht vorbei, sondern
tobt unverändert weiter.“ Wiebke Judith von ProAsyl sagt der taz, es sei
„vermessen“ darüber zu spekulieren, ob Syrien sicher sei. „Wir wissen, d…
die Lage in Syrien extrem prekär ist.“ Das Urteil gehe „an der Realität
vorbei“.
Offen ist, ob das Urteil die Entscheidungspraxis des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) beeinflussen wird. Personen, die bereits
Schutz erhalten haben, wird dieser aber wohl nicht wieder entzogen. Das
BAMF geht diesen Schritt bisher nur selten und viele der Syrer*innen, die
2015 und 2016 nach Deutschland kamen, sind inzwischen ohnehin eingebürgert.
Relevant könnte das Urteil vor allem für Personen werden, über deren
Asylantrag erst noch entschieden wird.
Selbst wenn das BAMF künftig keine Grundlage mehr für subsidiären Schutz
sähe, dürfte Neuankömmlingen aus Syrien aber trotzdem keine Abschiebung
drohen: Zum einen dürfte dann ein Abschiebeverbot greifen, für das die
Anforderungen niedriger sind als für subsidiären Schutz. Zum andern hat
Deutschland derzeit keine diplomatischen Kontakte zu Syrien – genau diese
wären aber nötig, um Abschiebungen in der Praxis umzusetzen.
Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) allerdings angekündigt,
zumindest die Abschiebung von Straftätern, Gefährdern und
Terror-Sympathisanten durch eine Kooperation mit Nachbarländern Syriens
[2][wieder zu ermöglichen].
## Arbeitsmarktintegration gelingt
Eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung zeigt derweil, dass sich syrische und irakische Geflüchtete
gut in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren. Die Coronapandemie hatte
diese positive Entwicklung nur kurzzeitig unterbrochen.
Für die Untersuchung wurden knapp 3.500 syrische und irakische Geflüchtete,
die nach ihrer Ankunft in Deutschland Sozialhilfeleistungen bezogen, über
einen Zeitraum von sechs Jahren ab 2016 beobachtet. 2022 übten knapp 60
Prozent der Geflüchteten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
aus.
Die Quote der Sozialhilfeempfänger*innen sank kontinuierlich: von
gut 70 Prozent im Jahr 2016 auf etwa 30 Prozent im Jahr 2022. Für
Geflüchtete, die zwischen 2014 und 2016 erstmals Grundsicherung erhielten,
galten ähnliche Ergebnisse wie für die Nachfolgegeneration.
Martin Rosemann, SPD-Bundestagsabgeordneter und Sprecher der Arbeitsgruppe
Arbeit und Soziales, sagte der taz: „Die Ergebnisse der Studie sind sehr
erfreulich. Sie zeigen, dass wir bei der Integration von Geflüchteten in
den Arbeitsmarkt sehr gut dastehen und damit auch ein Teil des
Arbeitskräftebedarfs gedeckt werden kann.“ Rosemann appellierte: „Um
Geflüchtete nachhaltig in Arbeit zu vermitteln, sind eine verlässliche
Kinderbetreuung, ausreichend Sprachförderung und gezielte Qualifizierung
entscheidend. Das bedeutet, dass vor allem in diese Bereiche investiert
werden muss“.
23 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/37_240722/index.p…
[2] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!6013110
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Sabrina Osmann
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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