# taz.de -- Programm der Starmer-Regierung: Securonomics statt Kindergeld | |
> Nach 16 Jahren Tories könnte die Starmer-Regierung ein Befreiungsschlag | |
> sein. Bei der Kinderarmut setzt sie aber schon jetzt die falschen | |
> Prioritäten. | |
Bild: London, 5. Juli: der frisch gewählte Premierminister Keir Starmer | |
Eigentlich sollte im Königreich mit der Keir-Starmer-Regierung eine Partei | |
an der Macht sein, die sich für soziale Anliegen, Gerechtigkeit und die | |
Rechte von Arbeiter:innen einsetzt. Doch die neuen Slogans aus der | |
Partei lauten „Securonomics“ und Wachstum. Unter Jeremy Corbyn vor fünf | |
Jahren klang das noch anders: „For the many, not the few.“ | |
Immerhin will sich die Partei des Menschenrechtsanwalts Starmer nicht nur | |
hinter das europäische Menschenrecht stellen, sondern ist auch an der | |
Aufarbeitung von Unrecht und an entsprechender Entschädigung interessiert: | |
etwa der Opfer des [1][„Blutskandals“], der Angestellten im | |
[2][„Post-Office-Skandal“], der Geschädigten des „Windrush-Skandals“, … | |
Überlebende der britischen Kolonialherrschaft aus der Karibik [3][in | |
Großbritannien kriminalisiert wurden], sowie der Opfer und Überlebenden des | |
[4][Infernos vom Grenfell Tower]. | |
Auch sind viele von Gewerkschaften geforderte Schutzmaßnahmen für | |
Arbeitnehmer:innen groß im Programm: das Ende der Nullstundenverträge | |
und der Hire-and-Fire-Praxis sowie ein Verbot von Lohnunterschieden | |
zwischen Menschen mit unterschiedlichen Identitätsmerkmalen. Das | |
Pflegepersonal soll künftig „[5][faire Gehälter]“ erhalten. | |
Im Sinne progressiver Politik ist auch das Vorhaben, häusliche Gewalt bis | |
Regierungsende zu halbieren, Änderungen im Baurecht, die 1,5 Millionen | |
Wohnungen liefern sollen, sowie ein verstärkter Mieterschutz für Millionen | |
von Menschen, die auch auf eine bessere, bald verstaatlichte Bahn hoffen | |
können. Die mentale Gesundheitsversorgung soll aufgewertet werden und | |
Frühstücksprogramme in allen Schulen sollen weitere Barrieren abbauen und | |
gegen Kinderarmut helfen. | |
## Austerität statt Armutsbekämpfung | |
Doch gerade die Politik zur Kinderarmut ist es, die der neuen | |
Labour-Regierung schon jetzt zum Verhängnis geworden ist. Viele | |
Hilfsorganisationen und Vertreter:innen nahezu aller Parteien fordern | |
die Abschaffung der von den Tories eingeführten [6][Begrenzung des | |
Kindergelds auf nur zwei Kinder]. Würde diese abgeschafft werden, könnten | |
Expert:innen zufolge fast eine halbe Million Kinder aus der Armut gehoben | |
werden. | |
Doch die Labour-Führung Starmers glaubt, sie könne die Kosten dafür, | |
umgerechnet drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr, derzeit aufgrund der | |
Staatsverschuldung nicht verantworten. | |
Bei der Wahl zwischen sich selbst aufgezwungenen Wirtschaftsregeln und | |
eindeutigen Maßnahmen gegen Kinderarmut hätte gewissenhafte Politik keine | |
Probleme, die richtige Entscheidung zu treffen, glaubt der renommierte | |
britische Journalist Andrew Marr [7][im New Statesman] und stellt deshalb | |
die berechtigte Frage: Woran glaubt Labour überhaupt noch? | |
20 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gov.uk/government/publications/infected-blood-compensation-sche… | |
[2] /Groesster-Justizirrtum-Grossbritanniens/!5985219 | |
[3] /Windrush-Skandal-in-Grossbritannien/!5813937 | |
[4] /Brand-im-Grenfell-Tower/!5637560 | |
[5] https://www.theguardian.com/society/article/2024/jul/18/health-social-care-… | |
[6] https://www.resolutionfoundation.org/press-releases/almost-two-in-five-larg… | |
[7] https://www.newstatesman.com/politics/uk-politics/2024/07/does-the-labour-g… | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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