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# taz.de -- Kandidatin für Tory-Spitze: Streitbar und zielstrebig
> Kemi Badenoch will die britischen Konservativen führen. Manche
> vergleichen die Tochter eines nigerianischen Arztes schon mit Margaret
> Thatcher.
Bild: Wird sie die neue Tory-Chefin: Kemi Badenoch
Berlin taz | Als sie mit 16 Jahren aus Lagos nach London kam, hatte Olukemi
Olufunto Adegoke gerade mal 100 Pfund (damals rund 250 Mark) in der Tasche.
Die Tochter eines nigerianischen Arztes und Enkelin eines methodistischen
Pfarrers sollte im Mutterland des Empires ein besseres Leben haben; Nigeria
steckte damals im Jahr 1996 in der finstersten Phase einer brutalen
Militärherrschaft. Keine drei Jahrzehnte später ist Kemi Badenoch, wie sie
inzwischen heißt, Favoritin im Rennen um die neue Führung der britischen
Konservativen.
Olukemi kam 1980 in London zur Welt, weil ihre Mutter wegen befürchteter
Komplikationen bei der Geburt in Nigeria dorthin zu einem Spezialisten
geschickt wurde. Erst 1996 wanderte sie eigenständig nach Großbritannien
ein – aufgrund ihres Geburtsortes mit einem britischen Pass.
Eigentlich hatte die begabte nigerianische Oberschülerin ein Stipendium für
die USA in Aussicht, aber das konnte die Familie sich nicht leisten. Also
London: „Papa gab mehrere Monatsgehälter für mein Flugticket aus“,
erinnerte sie sich später. „Wir gingen zum Reisebüro mit seinen
Ersparnissen in einer Plastiktüte. Als er bezahlt hatte, waren 100 Pfund
übrig, und er gab es mir, um es nach England mitzunehmen.“
Solche Erfahrungen prägen fürs Leben. Im Ingenieursstudium an der
Universität Sussex ärgerte sie sich über linke weiße Aktivisten, die Afrika
besser zu kennen meinten. Später, als Computerfachfrau im Bankwesen,
ärgerte sie sich über weiße Promis im Umfeld von Tony Blair wie [1][Bob
Geldof], die lautstark Hilfe für Afrika forderten, aber vor allem sich
selbst in Szene setzten. Unmittelbar nach Geldofs Live8-Konzerten 2005 trat
sie den Konservativen bei und wurde vom jungen neuen Parteichef David
Cameron gefördert. Dann heiratete sie den konservativen Stadtrat Hamish
Badenoch.
Seit 2017 sitzt nun also Kemi Badenoch [2][im britischen Unterhaus], für
einen Wahlkreis in Essex. Regierungsmitglied war sie ab 2019, zuletzt
parallel als Handelsministerin und Staatsministerin für Gleichberechtigung.
## Wortführerin des rechten Flügels
Die Schwarze mit Dreadlocks ist eine Wortführerin des rechten Tory-Flügels,
so wie viele Konservative mit Migrationshintergrund, die nicht auf den
Staat setzen, sondern auf die Eigeninitiative von Familien. Politisch
positioniert sich Badenoch eloquent gegen „woke“ Identitätspolitik und
gegen jedes Ansinnen, Menschen korrektes Denken vorzuschreiben. Sie auf
eigene Inhalte festzunageln ist hingegen schwierig.
Die Tories hätten ihre Wahlniederlage verdient, schreibt sie in ihrem
Antrittstext zur Kandidatur um die Parteiführung: „Das Land wird uns nicht
wählen, wenn wir nicht wissen, wer wir sind und was wir wollen“. Aber was
sie will, sagt sie nicht: „Ich werde nicht mit Versprechen beginnen,
sondern mit Zuhören.“ Wichtig sei aber eine Abkehr vom vorherrschenden
Liberalismus, der zu „freudloser Dekadenz“ mutiert sei.
Wichtiger als inhaltliche Aussagen ist für Badenochs Fans ihr Auftreten.
Sie eckt an und macht das geradezu zu ihrem Markenzeichen. Sie musste sich
immer durchboxen. Manche trauen ihr wenig zu und halten sie für eine
Marionette weißer Männer hinter den Tory-Kulissen. Aber sie ist seit
Monaten die Nummer eins bei den Beliebtheitsumfragen unter
Parteimitgliedern. Manche Beobachter vergleichen ihren Stil mit Margaret
Thatcher – bei britischen Rechten das höchste denkbare Kompliment.
Jetzt beginnt das [3][parteiinterne Gerangel], samt Schaulaufen auf dem
Tory-Parteitag im Oktober. Am 2. November wird bekannt, ob Kemi Badenochs
Karriere beendet ist – oder erst richtig beginnt.
29 Jul 2024
## LINKS
[1] /Bob-Geldof/!t5026223
[2] /Unterhaus/!t5009881
[3] /Niedergang-der-Tories/!6018203
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Tories
Großbritannien
Margaret Thatcher
Tories
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Austerität
Wahlen in Großbritannien
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