# taz.de -- Finanzwende-Chefin Anne Brorhilker: Der Staat verzichtet auf Millia… | |
> Finanzbehörden sollen das Geld aus Steuerbetrug zurückholen, fordert die | |
> Organisation Finanzwende. Lobbyisten hätten zu viel Macht. | |
Bild: Anne Brorhilker hat bis vor kurzem als Kölner Oberstaatsanwältin gegen … | |
Berlin taz | Die Ampel-Parteien streiten erbittert über Geld für wichtige | |
Projekte im Bundeshaushalt – und gleichzeitig holt sich der Staat durch | |
Steuerbetrug verlorene Milliarden nicht zurück. Allein durch sogenannten | |
CumCum-Betrug im Zuge von Aktiengeschäften ist bis 2021 ein Schaden von | |
schätzungsweise 28,5 Milliarden Euro entstanden, kritisiert die | |
Organisation Finanzwende. | |
Der Staat müsse dafür sorgen, dass das Geld zurückkommt, sagte die neue | |
Finanzwende-Geschäftsführerin und frühere Oberstaatsanwältin Anne | |
Brorhilker am Dienstag vor Journalist:innen. Die von FDP-Minister Christian | |
Lindner geplante neue Behörde gegen Finanzkriminalität tauge dazu nicht, | |
weil sie nur für Geldwäsche zuständig sei – aber nicht für Steuerbetrug. | |
CumCum-Betrug bedeutet, dass Aktienbesitzer:innen Steuerzahlungen | |
geltend machen, die sie nicht geleistet haben. Bei diesem Geschäftsmodell | |
werden Aktien rund um den Dividendenstichtag zwischen Händlern und Banken | |
hin- und hergeschoben. Auf diese Weise können auch Besitzer:innen | |
Steuererstattungen geltend machen, die gar keine Abgaben geleistet haben. | |
Bekannt und teilweise juristisch verfolgt wurde diese Praxis bei den | |
sogenannten [1][Cum-Ex-Geschäften.] Dabei wurde ein Teil des Geschäfts vor | |
dem Dividendenstichtag abgewickelt, ein anderer danach. Das Wort Cum steht | |
für „mit Dividendenanspruch“, das Wort Ex für danach. Bei CumCum-Geschäf… | |
wurde der gesamte Deal vor dem Stichtag abgewickelt. | |
„Seit 2015 ist unzweifelhaft klar, dass die Geschäfte steuerrechtlich nicht | |
in Ordnung sind“, sagte Brorhilker. Trotzdem hätten die Finanzbehörden | |
bislang kaum etwas getan, um sich das Geld aus dem CumCum-Betrug | |
zurückzuholen. Denn obwohl in einem Urteil des obersten Finanzgerichts | |
klare Kriterien für das illegale Treiben benannt wurden, seien diese durch | |
Schreiben des Bundesfinanzministeriums in den Jahren 2016 und 2017 | |
verwässert worden. | |
So konnten die Geschäfte fortgeführt werden. Damals wurde das | |
Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) geführt. Erst 2021, | |
unter dem damaligen Minister Olaf Scholz (SPD), korrigierte das | |
Finanzministerium seine Auffassung. | |
Finanzwende möchte herausfinden, wie die Einschätzung im | |
Bundesfinanzministerium 2016 zustande kam. „Wir glauben nicht, dass sich | |
das ein Ministeriumsbeamter ausgedacht hat“, sagte [2][Vorstand Gerhard | |
Schick,] der früher für die Grünen im Bundestag saß. Finanzwende geht | |
davon aus, dass die Einschätzung auf den Einfluss der Finanzlobby | |
zurückgeht. | |
## Klagen gegen Ministerien | |
Um das zu belegen, hat die Organisation mehrere Anfragen nach dem | |
Informationsfreiheitsgesetz an das Bundesfinanzministerium sowie drei | |
Landesfinanzministerien gestellt. Die mauern aber unter anderem mit Hinweis | |
auf mögliche Reputationsrisiken der Banken. Deshalb hat die Organisation | |
Auskunftsklage gegen die Ministerien eingereicht. „Der Schutz der Banken | |
wiegt für die Finanzbehörden offenbar schwerer als der Schutz von | |
Steuergeldern der Allgemeinheit“, sagte Brorhilker. | |
Sie hat bis vor kurzem gegen Finanzkriminelle ermittelt und ist als Kölner | |
Oberstaatsanwältin im Zuge ihrer Ermittlungen zu Cum-Ex bekannt geworden. | |
[3][Im April wechselte sie zu Finanzwende.] Brorhilker fordert, | |
Ermittlungen zu Finanzkriminaltät zu zentralisieren, „damit wir die Chance | |
haben, dass sich Fachexpertise bildet“. | |
17 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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