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# taz.de -- Putin und Xi: Nur noch ziemlich beste Freunde
> Die chinesisch-russischen Beziehungen zeigen erste Schönheitsfehler.
> Moskaus Flirt mit Indien, Vietnam und den Philippinen kommt nicht überall
> gut an.
Bild: Wladimir Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping bei der Feier der chinesi…
Wie selten zuvor breitet sich in Chinas sozialen Netzwerken eine Welle
nervösen Interesses an Ereignissen und Entwicklungen aus, die sich jenseits
der Landesgrenzen zutragen. Nicht länger die eigenen Pläne, im Leben
voranzukommen, nicht mehr die bedrückende Situation an den Börsen im Lande,
die so viele Millionäre über Nacht in „blanke Stöcke“ (Bettelarme)
verwandelt – was zählt, ist der [1][Wahlsieg von Labour in Großbritannien].
Der neue Premierminister Keir Starmer berief gleich eine Sitzung ein, auf
der auch die antichinesische Außenpolitik unterstrichen wurde. In
Frankreich blieb [2][Marine Le Pen nun doch weit hinter dem erhofften
Wahlergebnis] zurück. Wie schade! Hätte sie doch sonst den lästigen
Europäern gerne weiter in die Suppe spucken können, wie es unser Freund
Viktor Orbán – diese Woche zu Besuch auch in China – regelmäßig tut. Und
[3][in den USA strauchelt Präsident Joe Biden] zusehends.
Wobei hier gar nicht sicher ist, ob er oder sein Gegenkandidat von uns
Chinesen zu bevorzugen wäre. Unter all den Ungewissheiten zeigt sich die
Ungewissheit über Chinas Freund Russland als umso vielsagender. So kam
Ende April die Meldung, dass die Philippinen – die mit China um etliche
Inseln im Südchinesischen Meer streiten, wobei es praktisch jeden Tag zu
einem bewaffneten Konflikt kommen könnte – Hypersonic-Raketen vom Typ
BrahMos aus russisch-indischer Produktion erhalten.
Ein Handel, der irritiert. Warum sollte unser Feind von unserem Freund in
Moskau mit Marschflugkörpern versorgt werden? Und dann ist da noch dieser
Inder namens Narendra Modi. Dem jüngsten Gipfeltreffen der [4][Shanghai
Cooperation Organisation (SCO) in Kasachstan], da, wo Chinas Präsident Xi
Jinping wie ein Kaiser allen zentralasiatischen Staaten Audienz gewährte,
blieb er fern. Dafür besuchte Modi Russland, das im Gegensatz zu Indien bei
dem Gipfel in Astana sehr wohl vertreten war.
## Wer gegen wen?
Was haben [5][Modi und Wladimir Putin] hinter verschlossener Tür zu
beraten? Geht es möglicherweise um und gegen China? Der Verdacht könnte
nicht zuletzt mit Blick auf die russisch-indische Raketenlieferung an
Manila aufkommen. Und es bleibt gar nicht bei den Philippinen oder Indien.
Putin hatte zuvor auch Vietnam einen Staatsbesuch abgestattet. Wie es
hieß, konnte Hanoi sich Russlands Unterstützung für Vietnams Ansprüche im
Südchinesischen Meer gegen China sichern, speziell auf die
[6][Spratly-Inseln].
Spuckt Putin uns Chinesen also auch hier in die Suppe, allen heiligen
Versicherungen zum Trotz, dass Moskau China ein verlässlicher strategischer
Partner sei? Der Verdacht verdichtete sich weiter, als diese Nachricht wie
ein Lauffeuer durch Chinas soziale Netzwerke ging: Nordkorea, das Mitte
Juni für Putin den roten Teppich ausgerollt hatte und ihn als den dicksten
Freund Pjöngjangs (aufgepasst: nicht Chinas!) feierte, schaltet seine
satellitengestützte Kommunikation vom chinesischen System auf ein
russisches System um.
Die Nutzung des Satellitensystems ist ein deutlicher Vertrauensbeweis. Bei
den Russen, so das Signal, ist die Kommunikation in besseren Händen. Und
damit fühlte sich bestätigt, wer schon vorher argwöhnte: Putin spannt uns
Chinesen unseren letzten Partner aus, und zwar genau da, wo wir ihn am
dringendsten brauchen – als Beißhund gegen Südkorea und Japan.
Überraschend bleibt Zensur aus, selbst wenn manche Mutmaßungen in puncto
Russland klar gegen die offiziöse Politik stehen. Grund dafür könnte sein,
dass jetzt wenigstens keiner mehr die Arbeitslosigkeit thematisiert, die
unter jungen und gebildeten Menschen wieder die Marke von 20 Prozent
erreicht hat.
13 Jul 2024
## LINKS
[1] /Wahl-in-Grossbritannien/!6021721
[2] /Wahlniederlage-fuer-Le-Pen-in-Frankreich/!6021937
[3] /US-Praesidentschaftswahlen-2024/!6021441
[4] /Gipfel-mit-Putin-Xi-und-Erdoan/!6018279
[5] /Modis-Besuch-in-Moskau/!6019456
[6] /Konflikt-im-Suedchinesischen-Meer/!5979069
## AUTOREN
Shi Ming
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Xi Jinping
Südchinesisches Meer
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