| # taz.de -- Frankreich nach der Wahl: Ringen um Regierungsbildung | |
| > Staatspräsident Emmanuel Macron wendet sich in einem offenen Brief an die | |
| > Französ*innen. Er wünscht sich eine breite, gemäßigte Koalition. | |
| Bild: Abgeordnete der „Nouveau Front Populaire“ und von „La France Insoum… | |
| Sieben von zehn Französinnen und Franzosen sind mit dem Ergebnis der | |
| vorzeitigen Parlamentswahlen unzufrieden. Sie waren freilich vorher mit der | |
| bisherigen Staatsführung und Volksvertretung auch nicht glücklicher. Die | |
| [1][von Präsident Emmanuel Macron herbeigeführten Neuwahlen] haben also | |
| diesbezüglich nichts geändert. | |
| Nur ist heute die Lage mit der neuen Sitzverteilung in der | |
| Nationalversammlung komplizierter. „Niemand hat gewonnen“, schrieb Macron, | |
| der derzeit in Washington am [2][Nato-Gipfel] teilnimmt, sich aber dennoch | |
| in einem offenen Brief an seine Landsleute wandte, um ihnen zu sagen, was | |
| er vom Wahlergebnis hält. | |
| In seinem Schreiben konstatiert er, dass „keine politische Kraft alleine | |
| eine Mehrheit“ erhalten habe. Auch die Blöcke oder Koalitionen, die aus den | |
| Wahlen hervorgegangen seien, „sind alle minoritär“. Macron will offenbar | |
| sagen, dass eigentlich alle Parteien samt und sonders verloren haben, nur | |
| er selbst nicht. Von seiner eigenen Verantwortung für das Ergebnis der Wahl | |
| ist in seinem Brief nirgends die Rede. Die Zeitung Libération bezeichnete | |
| den Präsidenten deshalb als „schlechten Verlierer“. | |
| Eine Lösung benennt er dennoch: Diejenigen politischen Kräfte, die nach | |
| seiner Definition „die Institutionen der Republik, den Rechtsstaat, das | |
| Parlamentssystem, die Europapolitik und die Verteidigung der französischen | |
| Unabhängigkeit“ anerkennen, sollten sich über die früheren Trennlinien | |
| hinweg zusammenschließen. Zusammen hätten diese Fraktionen eine absolute | |
| Mehrheit. Arithmetisch mag das sogar stimmen. | |
| Ausschließen will Macron sowohl [3][die Rechtsextremisten des Rassemblement | |
| National] von Marine Le Pen als auch die linke Partei La France Insoumise | |
| (LFI) unter Jean-Luc Mélenchon. | |
| Mit der großen Koalition will Macron [4][die sogenannte Cohabition] | |
| verhindern. Das bedeutet, dass er als Staatspräsident sich einer | |
| gegnerischen Regierung gegenüber sähe, mit der er koexistieren müsste. Das | |
| würde sowohl das Regierungshandeln erschweren als auch das des | |
| Staatspräsidenten Macron. Logisch, dass ihm eine breite Koalition aus | |
| gemäßigten Kräften attraktiver erscheint. Nur gibt es in Frankreich kaum | |
| Beispiele dafür. | |
| Und vor allem scheinen [5][die Parteien der linken Volksfront (Nouveau | |
| Front Populaire)] eher gewillt zu sein, es zunächst auch ohne | |
| parlamentarische Mehrheit zu versuchen. Sie fordern vom Präsidenten, | |
| unverzüglich eine*n Premierminister*in aus ihren Reihen mit der | |
| Regierungsbildung zu beauftragen. Einen oder mehrere Namen will die linke | |
| Wahlunion ihm noch in dieser Woche vorlegen. Seit Montag läuft die interne | |
| „Kür“, die Medien nennen angebliche Favoriten. Macron möchte dagegen Zeit | |
| gewinnen und womöglich seinen Premier Gabriel Attal bis nach den | |
| Olympischen Spielen beibehalten. Oder wenn schon eine Minderheitsregierung, | |
| dann vielleicht sogar eher mit einem Konservativen an der Spitze? | |
| Die linke Volksfront, die bei den Parlamentswahlen die Mehrheit der Stimmen | |
| auf sich vereint hat – aber keine absolute Mehrheit erreicht hat – ist über | |
| Macrons Vorschläge empört. Zur Volksfront hatten sich neben La France | |
| Insoumise die Sozialisten, Grünen und Kommunisten zusammengeschlossen. Sie | |
| kamen auf 183 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung. | |
| Doch nicht alle finden die Idee Macrons absurd, eine Koalition zwischen | |
| einem Teil der Linken – unter Ausschluss von LFI – und den Macronisten zu | |
| bilden, eventuell zudem mit den Konservativen von Les Républicains. In | |
| sozialen Netzwerken kursiert ein heimlich aufgezeichnetes Gespräch, in dem | |
| der Chef der Kommunisten, Fabien Roussel, am Telefon während einer | |
| Bahnfahrt mit Unbekannten verschiedene Koalitions-Szenarien erörtert. Das | |
| stellt die Einheit der Volksfrontparteien, die ohnehin schon Spannungen | |
| ausgesetzt war, auf eine harte Probe. | |
| 11 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neuwahlen-in-Frankreich/!6013323 | |
| [2] /Sicherheitsexpertin-ueber-75-Jahre-Nato/!6021953 | |
| [3] /Parteitag-des-Rassemblement-national/!5893006 | |
| [4] /Frankreich-nach-der-Wahl/!6019575 | |
| [5] /Parlamentswahlen-in-Frankreich/!6019416 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
| Parlamentswahlen Frankreich | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Demokratie | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
| Schwerpunkt Europawahl | |
| Schwerpunkt Rassemblement National | |
| Schlagloch | |
| Parlamentswahlen Frankreich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Linksbündnis in Frankreich: Die Überraschungskandidatin | |
| Die linke „Volksfront“ hat sich auf die Ökonomin Lucie Castets für das Amt | |
| des Premierministers geeinigt. Doch Macron will erst mal abwarten. | |
| Frankreich nach der Wahl: Linkes Bündnis droht zu zerbrechen | |
| In Frankreich können die linken Wahlsieger sich nicht auf einen | |
| Personalvorschlag einigen. Präsident Macron will vorerst eh keinen neuen | |
| Premier. | |
| Frankreich nach der Wahl: Chance auf Modernisierung | |
| Vorwärts in die Sechste Republik? Noch ist Frankreich nicht verloren. Ein | |
| Übergang in gutes Koalitionsregieren wäre ein gutes Zeichen. | |
| Wahlen in GB und Frankreich: Auch die Linke kann siegen | |
| Erst London, dann Paris: Was für eine Woche! Wenn die Linke Botschaften von | |
| „Hoffnung“ und „Wandel“ hat, dann werden die Rechten nicht durchkommen. | |
| Parlamentswahlen in Frankreich: Demokratischer Endspurt | |
| Vor der Stichwahl in Frankreich am Sonntag kämpft das Linksbündnis NFP in | |
| Lille noch um letzte Stimmen. Unterwegs in einem gespaltenen Land. |