# taz.de -- Linksbündnis in Frankreich: Die Überraschungskandidatin | |
> Die linke „Volksfront“ hat sich auf die Ökonomin Lucie Castets für das | |
> Amt des Premierministers geeinigt. Doch Macron will erst mal abwarten. | |
Bild: Macron bei einem Interview im TV-Studio: Lucie Castets schaut vom Bildsch… | |
Paris taz | Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) hat sich auf | |
einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt: Die einem breiteren Publikum | |
weitgehend unbekannte und offiziell parteilose Ökonomin Lucie Castets soll | |
für die linke „Volksfront“ von Sozialisten, Grünen, Kommunisten und La | |
France insoumise Premierministerin werden. Macron müsste sie dafür mit der | |
Regierungsbildung beauftragen. | |
Die Tradition der Fünften Republik will es, dass nach Parlamentswahlen die | |
stärkste Fraktion oder Allianz vom Staatspräsidenten den Auftrag dazu | |
erhält, nach dem die amtierende Regierung ihren Rücktritt eingereicht hat. | |
Auf diesen republikanischen Brauch gestützt fordert die Linke nun den | |
Posten des Premierministers. | |
Tagelang verhandelte das Linksbündnis fruchtlos über diese Personalie und | |
stand deshalb schon [1][am Rande der Spaltung]. Diverse, durchaus | |
glaubwürdige Vorschläge waren von den einen oder anderen Seite kategorisch | |
abgelehnt worden. Der Name von Lucie Castets ist eine Überraschung. Die | |
37-Jährige ist gegenwärtig Finanzdirektorin der Stadt Paris und | |
repräsentiert mehr die Linke der NGOs. | |
Die hohe Beamtin habe sich im Kampf gegen Steuerbetrug einen Namen gemacht | |
sowie im Einsatz für den öffentlichen Dienst profiliert, außerdem sei sie | |
gegen die Rente mit 64, heißt es in einer Erklärung der Linkskoalition. | |
Dass sie selbst offiziell keiner der Parteien der NFP angehört, ermöglichte | |
es ihnen, sich auf Castets als Kompromisskandidatin zu einigen. Ihr | |
Nachteil könnte es aber sein, dass sie nie Abgeordnete war und keinerlei | |
Regierungserfahrung hat. | |
Castets erklärte, sie nehme die Nominierung „mit großer Demut, aber auch | |
mit großer Überzeugung“ an. Sie halte sich für eine „ernsthafte und | |
glaubwürdige Kandidatin“ für das Amt des Premierministers. Castets fügte | |
hinzu, dass eine ihrer obersten Prioritäten die „Aufhebung der | |
Rentenreform“ sei, die Macron im vergangenen Jahr durchsetzte und die | |
breite Proteste auslöste, sowie eine „große Steuerreform, damit jeder | |
seinen gerechten Anteil zahlt“. | |
## Macron will „politischen Waffenstillstand“ | |
Für Präsident Macron, der sich am Dienstagabend erstmals seit den Wahlen | |
öffentlich geäußert hat, kommt das überhaupt nicht infrage. Denn erstens | |
habe diese Linke „keinerlei Mehrheit“ und zweitens wolle er vorerst gar | |
nicht über die Frage diskutieren, denn er wünsche für die Dauer der | |
Olympischen Spiele in Paris einen „politischen Waffenstillstand“. | |
Explizit möchte Macron erst Mitte August das Thema Regierungsbildung auf | |
seine Agenda setzen. Der von der NFP genannte Name einer eventuellen | |
Premierministerin interessiert ihn darum ebenso wenig wie Vorschläge | |
anderer Parteien oder Allianzen. Er hat selber keine andere Strategie als | |
abwarten und Zeit gewinnen. Macron sagte am Fernsehen nochmals deutlich, | |
dass er keineswegs die Absicht habe, selber zurückzutreten. ER habe sein | |
Mandat vom Volk erhalten und werde dieses zu Ende führen. | |
## Attal hat Rücktritt eingereicht | |
[2][Ex-Premierminister Gabriel Attal hat seinen Rücktritt eingereicht], was | |
Macron schließlich akzeptieren musste. Er hat aber Attal und seine Minister | |
aufgefordert, bis auf Weiteres die laufenden Regierungsgeschäfte | |
weiterzuführen. Das ist als Interimslösung laut der Verfassung möglich, nur | |
soll das jetzt offenbar längere Zeit andauern. | |
Macrons Absicht ist es, dass sich unter dem Druck einer anhaltenden | |
Krisensituation eine Koalition rund um die Macronisten mit Unterstützung | |
von links und rechts bildet. Die Macronisten haben jedoch die vorzeitige | |
Wahl verloren und stehen mit rund 100 Sitzen weniger als zuvor geschwächt | |
da. Und die NFP hat keinerlei Anlass, das von den Wähler*innen | |
desavouierte Ex-Regierungslager über die Runden zu retten, statt selber die | |
Regierungsverantwortung zu übernehmen. | |
24 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Frankreich-nach-der-Wahl/!6020983 | |
[2] /Frankreichs-Premier-Attal-bliebt-im-Amt/!6019424 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Emmanuel Macron | |
Parlamentswahlen Frankreich | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Parlamentswahlen Frankreich | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Regierung in Frankreich: Eine Koalition von Verlierern | |
Macron gibt die Macht an eine Minderheit. Wenn sich Linke und | |
Rechtsnationale in der Opposition zusammentun, hat Barniers Koalition keine | |
Chance. | |
Regierungsbildung in Frankreich: Macrons Allmacht ist vorbei | |
Olympia ist zu Ende, in Frankreich geht es jetzt wieder um die zähe | |
Regierungsbildung. Macron sollte endlich die Kandidatin der Linken | |
akzeptieren. | |
Frankreich nach der Wahl: Linkes Bündnis droht zu zerbrechen | |
In Frankreich können die linken Wahlsieger sich nicht auf einen | |
Personalvorschlag einigen. Präsident Macron will vorerst eh keinen neuen | |
Premier. | |
Frankreich nach der Wahl: Ringen um Regierungsbildung | |
Staatspräsident Emmanuel Macron wendet sich in einem offenen Brief an die | |
Französ*innen. Er wünscht sich eine breite, gemäßigte Koalition. | |
Frankreich nach der Wahl: Kein Geld für teure Experimente | |
Ob links, Mitte oder rechts: Die künftige französische Regierung hat nur | |
wenig Spielraum für Reformen. Frankreich ist hochverschuldet. |