| # taz.de -- Frankreich nach der Wahl: Kein Geld für teure Experimente | |
| > Ob links, Mitte oder rechts: Die künftige französische Regierung hat nur | |
| > wenig Spielraum für Reformen. Frankreich ist hochverschuldet. | |
| Bild: Ex-EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hält die Wahlprogramme der NFP und… | |
| Paris taz | Frankreich ist das Sorgenkind der Euro-Buchhaltungsprüfer. | |
| Gegen das Land läuft ein Verfahren wegen seines exzessiven | |
| Haushaltsdefizits. Bis zum 20. September muss die Regierung einen | |
| glaubwürdigen Plan mit Einsparungen vorlegen – ansonsten drohen Sanktionen. | |
| Die wiederum könnten die finanzielle Misere weiter verschärfen. | |
| Ein paar Zahlen verdeutlichen, wie sehr sich die Lage nach der | |
| Covid-Epidemie verschlimmert hat: Die öffentliche Verschuldung betrug am | |
| Ende des ersten Quartals 2024 3,1 Billionen Euro, das entspricht 111 | |
| Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Haushaltsdefizit sollte gemäß | |
| Budgetentwurf von 5,5 bis Ende des Jahres auf 5,1 Prozent des BIP gesenkt | |
| werden. Doch davon ist Frankreich weit entfernt. | |
| Emmanuel Macrons Regierung mit Premierminister Gabriel Attal von der Partei | |
| Ensemble hatte für die kommenden Jahre Einsparungen der öffentlichen | |
| Ausgaben um 30 Milliarden Euro versprochen, um bis 2027 das | |
| Haushaltsdefizit auf die von der EU geforderte Grenzmarke von 3 Prozent zu | |
| senken. | |
| Dieser Plan ist mit [1][Ausrufung der Neuwahlen] bereits Makulatur: | |
| Ensemble versprach im Wahlkampf, auf eine Reform des Arbeitslosengeldes zu | |
| verzichten. Diese hatte schärfere Bedingungen für den Anspruch auf | |
| Leistungen bedeutet und – freilich zu Lasten der Arbeitslosen – schon in | |
| diesem Jahr zu den Kostensenkungen beigetragen. Die Reform hätte in diesem | |
| Monat in Kraft treten sollen. Doch das ist nun passé. | |
| ## Politische Instabilität verunsichert die Finanzmärkte | |
| Auch links und rechts von Ensemble waren die Wahlversprechen üppiger als | |
| die Staatskasse. Der frühere EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sagte dazu: | |
| „Die Programme der [2][Neuen Volksfront (NFP)] und des [3][Rassemblement | |
| National] (RN) sind für mich beide aus wirtschaftlicher und finanzieller | |
| Sicht sehr gefährlich.“ Die Ausgangslage sei keineswegs vergleichbar mit | |
| 1981, als der neugewählte sozialistische Präsident François Mitterrand eine | |
| Reihe von Sozialreformen (Pensionsalter 60, fünf Wochen Urlaub) beschloss. | |
| Damals betrug der BIP-Anteil der Staatsschuld bloß 21 Prozent, nicht 111 | |
| Prozent wie heute. | |
| Mit den sozialpolitischen Vorschlägen des NFP würde laut Trichet das | |
| französische Defizit in drei Jahren um 100 Milliarden zunehmen. Allein die | |
| vom RN angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer für Energie und | |
| Nahrungsmittel würde die Staatskasse 20 Milliarden Euro kosten. „Weder der | |
| NFP noch das RN scheinen den Ernst der aktuellen Situation zu verstehen“, | |
| meint Ex-EZB und Nationalbankchef im Magazin Le Point. | |
| Die Aussicht auf eine politische Instabilität verunsichert bereits die | |
| Finanzmärkte. Ohne die Perspektiven allzu schwarz malen zu wollen, könnte | |
| Frankreich bei den Investoren und Geldgebern weniger attraktiv werden, in | |
| der Folge würden die Zinssätze steigen und damit die Verschuldung teurer | |
| werden, was die Einhaltung der Maastricht-Kriterien weiter erschwert. | |
| Für die heutige EZB-Vorsitzende Christine Lagarde könnte sich daher ein | |
| Dilemma ergeben, weil Sanktionen die finanzielle Gesundung Frankreichs | |
| hinauszögern könnten. Wie sie reagieren würde, falls mit einer neuen | |
| Regierung in Paris die Haushaltsdisziplin in Vergessenheit geraten sollte, | |
| lässt sie offen: „Die EZB wird tun, was sie tun muss. Unsere Aufgabe ist | |
| es, für die Preisstabilität zu sorgen, und diese hängt wiederum von der | |
| Stabilität der Finanzen ab.“ | |
| Falls indes eine politische Krise in Frankreich die Finanzmärkte in Panik | |
| versetzt, wäre rasch die ganze Eurozone betroffen und die EZB zum | |
| Eingreifen gezwungen. Diese unerfreuliche Ausgangslage könnte die | |
| Wahlsieger dazu veranlassen, allzu kostspielige Versprechen auf später zu | |
| verschieben oder aber das Angebot, die Regierungsverantwortung zu | |
| übernehmen, dann doch lieber gleich abzulehnen. | |
| 9 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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