# taz.de -- Ökonom über Wahlen in Frankreich: „Profit fließt auch in Autok… | |
> Frankreichs Rechte will die Finanzmärkte nicht verunsichern, sagt Ökonom | |
> Sebastian Dullien. Trotzdem wird es für die EU schwierig, wenn sie | |
> regieren. | |
Bild: Supermarkt in La Verrie: Im französischen Wahlkampf spielen Wirtschaftst… | |
taz: Herr Dullien, was bedeutet es wirtschaftlich für die EU, dass die | |
[1][harte Rechte in Frankreich] die meisten Stimmen in der ersten Runde der | |
Parlamentswahlen gewonnen hat? | |
Sebastian Dullien: Insgesamt wird damit klarer, dass man nicht einfach | |
immer mehr europäische Integration durchsetzen kann. Viele Wählerinnen und | |
Wähler lehnen es offenbar ab, wenn die EU mehr Einfluss auf Kosten der | |
Nationalstaaten erhält. Künftige Regierungen und auch die EU-Kommission | |
könnten deshalb mit großen Programmen wie dem Green Deal für | |
Klimaneutralität vorsichtiger werden. Nach der Wahl des Europäischen | |
Parlaments wurde die EU-Kommission in dieser Hinsicht schon gestutzt. Nun | |
könnte es eher darum gehen, die Energiepreise zu verringern – was in | |
Frankreich ein großes Thema ist. | |
Wie die zweite Wahlrunde in Frankreich am kommenden Sonntag ausgeht, weiß | |
man nicht. Angenommen, der hartrechte Rassemblement National (RN) von | |
Marine Le Pen würde die Regierung bilden – was hieße das? | |
In den vergangenen Wochen wurde oft befürchtet, die Politik des RN gefährde | |
die finanzielle Stabilität Europas und könne zu einer neuen Eurokrise | |
führen. Ich halte das aber nicht für realistisch. So hat Jean-Philippe | |
Tanguy, der Schattenfinanzminister des RN, betont, Frankreich habe keinen | |
großen Spielraum für zusätzliche Verschuldung, und man wolle die | |
europäischen Fiskalregeln einhalten. Um die internationalen Finanzmärkte | |
nicht zu verunsichern, ist die Partei Le Pens bei einigen teuren | |
Versprechen zurückgerudert. | |
Frankreich hat schon jetzt deutlich [2][mehr Staatsschulden als jährliche | |
Wirtschaftsleistung]. Zusätzliche Kredite könnten den Schuldendienst | |
hochtreiben, in der Folge auch für weitere Länder wie Italien. Da klingt es | |
problematisch, wenn die Rechten beispielsweise die Mehrwertsteuer auf | |
Energie senken wollen. | |
Dabei geht es vielleicht um 10 Milliarden Euro, etwa 0,3 Prozent der | |
französischen Wirtschaftsleistung. Das ist keine Größenordnung, die eine | |
Gefahr bedeutet. Auch die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron will | |
der RN nicht mehr komplett zurückdrehen. Die Rechtspopulisten verstehen, | |
dass sie am Anfang nicht unverantwortlich handeln dürfen. Trotzdem könnte | |
es für die EU unangenehm werden: Die Partei Le Pens denkt darüber nach, | |
französische Beiträge an die EU zu reduzieren, um Geld für ihre eigenen | |
Versprechungen zu haben. Das wäre eine vergiftete Politik. | |
Ist zu befürchten, dass eine rechtspopulistische Regierung die | |
Unterstützung der Ukraine einstellt? | |
In der Außenpolitik gäbe es vermutlich wenig Änderung, denn die liegt nicht | |
in der Verantwortung der Regierung, sondern Präsident Macrons, der im Amt | |
bleiben will. | |
Andere Variante: Wenn das Linksbündnis Front Populair und die Parteien | |
kooperieren, die Emmanuel Macron unterstützen, könnten diese beiden Blöcke | |
die Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen. Wäre das eine | |
komplizierte Zusammenarbeit zwischen der Mitte und der Linken? | |
Beide wollen zwar eine RN-Regierung unter allen Umständen verhindern. So | |
deutet sich ihre Kooperation für die Stichwahl am Sonntag an. Wie jedoch | |
ein gemeinsames Regierungsprogramm aussehen soll, steht in den Sternen. Die | |
Linkspopulisten, aber auch die Sozialisten sind ja teilweise sehr | |
unzufrieden mit der Politik Macrons. | |
Die Linkspopulisten wollen Geld ausgeben, das im Staatshaushalt nicht | |
vorhanden ist. | |
Die Kosten der linken Forderungen könnten sich auf 200 Milliarden Euro | |
jährlich summieren. Dass sich ein solches Programm in der augenblicklichen | |
Lage durchsetzt, halte ich jedoch für unwahrscheinlich. | |
Am Montag nach der ersten Wahlrunde gingen die Aktienkurse im französischen | |
Leitindex hoch. Eine Erklärung: Die Linke ist nicht so stark geworden, wie | |
manche Investoren befürchteten. Hat das Kapital mehr Angst vor der Linken | |
als vor der Rechten? | |
Das [3][Programm der Rechten] bedeutet eher eine Gefahr für die Demokratie. | |
Das Programm der Linken könnte dagegen zu größeren makroökonomischen und | |
finanzpolitischen Problemen führen. Über Letzteres machen sich Investoren | |
mehr Sorgen. Denn die Gewinne fließen auch in autoritären Staaten, in denen | |
Rechte regieren. | |
3 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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