# taz.de -- Loophole geschlossen: Eines der letzten Schlupflöcher | |
> Der alternative Kulturraum Loophole in Neukölln ist geschlossen, | |
> zumindest vorerst. Vorausgegangen waren wiederholte Beschwerden von | |
> Anwohner*innen. | |
Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten: das Team des Loophole | |
Berlin taz | Noch sieht es in der Boddinstraße 60 aus wie immer. Die mit | |
Graffiti bemalten Rollläden des kleinen Ladens hängen schief in den | |
Schienen. Auf den bunten Wänden kleben mehrere Schichten politischer | |
Plakate und Infos zu Kulturveranstaltungen. Im Eingang liegt etwas | |
Papiermüll. In einer Ecke steht, fast unscheinbar, in schwarzer | |
Heavy-Metal-Schrift das Wort „Loophole“ geschrieben. | |
Das Loophole schließt, zumindest vorerst. Am vergangenen Donnerstag hatte | |
das Team des alternativen Neuköllner Kreativraums auf seiner Instagram-Page | |
verkündet, dass es nun vorbei sei – nach über 15 Jahren mit Konzerten, | |
Performances und Partys. Das Loophole gehörte zu der Sorte von Orten, wie | |
man sie in Berlin nur noch selten findet. | |
In drei staubigen Räumen bekam alles eine Bühne geboten, was nicht in den | |
Mainstream passte – [1][von Punk-Konzerten] über Free-Jazz, Veranstaltungen | |
des Berlin Stripper Collectives bis hin zum [2][Filmfestival Boddinale], | |
dem Kontrastprogramm zur Berlinale. Besonders neue Besucher*innen | |
staunten über die übergroße Pantomimen-Maske an der Tür zur Tanzfläche, die | |
kunstvoll gestalteten Wände oder das glitzernde Relief aus Spielzeug über | |
der Bar. | |
Das Ende kam nun abrupt. [3][Mitbegründer Jan Gryczan] ist Teil des | |
Kollektivs, welches das Loophole betreibt. Er schildert, wie bei einem | |
Konzert am Mittwoch unerwartet Polizei und Ordnungsamt erschienen seien und | |
die Veranstaltung abbrachen. „Das Team hat das als sehr einschüchternd | |
empfunden, wir wollen ja eigentlich ein Safespace sein“, sagt er. | |
Alle kommenden Veranstaltungen abgesagt | |
Die Beamten hätten Team- und Bandmitglieder festgesetzt, Personalien | |
aufgenommen und schließlich die Räume versiegelt. Sie dürften erst wieder | |
betreten werden, wenn alle kommenden Veranstaltungen abgesagt seien. Auf | |
eine Anfrage der taz reagierte das Ordnungsamt Neukölln bisher nicht. | |
Grund für die Probleme seien laut Gryczan vor allem immer wieder | |
Lärmbeschwerden von Nachbar*innen. Wer regelmäßig im Loophole war, weiß, | |
dass man gerne mal vom Balkon aus einen Eimer Wasser über den Kopf | |
geschüttet bekam, wenn man rauchend auf dem Gehsteig stand. Auch | |
Beleidigungen und Vandalismus habe es laut den Betreibenden gegeben. Das | |
Kollektiv habe sich zwar immer um Dialog bemüht, doch der sei mit der Zeit | |
unmöglich geworden. | |
Gryzan weiß, wovon er spricht, wenn es um den Verlust von Kulturorten in | |
Berlin geht – mit dem [4][LA54] in Berlin-Friedrichshain und dem Eigenreich | |
in Prenzlauer Berg war er bereits an mehreren beteiligt. „Im Loophole haben | |
wir die Probleme bisher immer überwunden und konnten weiterkämpfen, aber | |
dieses Mal sieht es wirklich arg aus.“ | |
Mit dem Loophole würde Neukölln nicht nur einen seiner beliebtesten | |
Underground-Veranstaltungsorte verlieren, sondern gleichzeitig einen seiner | |
solidarischsten. An den manchmal bis zum Bersten vollen Abenden kamen | |
Menschen verschiedenster Couleur miteinander ins Gespräch, auch die queere | |
Community fühlte sich hier zu Hause. Das ehrenamtliche Team legt großen | |
Wert auf Inklusion, Entscheidungen werden hierarchiefrei getroffen, | |
Eintritts- und Getränkepreise waren moderat. | |
Erhebliche Kosten für die Betreibenden | |
Gerade daher führt das Nutzungsverbot nun zu erheblichen Herausforderungen | |
für die Betreibenden. Die mehr als 3.000 Euro Miete plus laufende Kosten | |
fallen weiterhin an, der Mietvertrag ist auf fünf Jahre vereinbart, rund 75 | |
Veranstaltungen bis zum Jahresende müssen abgesagt werden. | |
Doch etwas Hoffnung gibt es noch. Das Loophole versucht einen Weg zu | |
finden, die Räume an der Boddinstraße wieder öffnen zu können, diesmal dann | |
ohne Konzerte. [5][Auf seiner Website] hat das Kollektiv [6][eine | |
Crowdfunding-Kampagne] eingerichtet, um die entstehenden Kosten zu decken, | |
und eine Petition gestartet, um Verantwortliche bei Stadt und Behörden | |
aufmerksam zu machen. Langfristig wird ein neuer Ort gesucht, an dem es | |
weniger Probleme gibt. Dafür hofft das Kollektiv auf Hinweise und vor allem | |
auf öffentliche Unterstützung. | |
8 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Konzert-in-Berlin/!5812185 | |
[2] /Boddinale-statt-Berlinale/!5378179 | |
[3] /Clubs-in-der-Coronapause/!5673185 | |
[4] /Brauereigelaende-vergammelt-seit-Jahren/!5739288 | |
[5] https://loophole.berlin/ | |
[6] https://www.gofundme.com/f/new-loophole | |
## AUTOREN | |
Fabian Schroer | |
## TAGS | |
Neukölln | |
Subkultur | |
Kultur in Berlin | |
Berlin Kultur | |
Kultur in Berlin | |
Ausgehen und Rumstehen | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Film | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Poetry Slammer über seine Branche: „Literatur auf die Straße bringen“ | |
Wolf Hogekamp hat Poetry Slams in den 90ern nach Deutschland geholt. Unser | |
Autor ist Slam Poet und mit ihm befreundet. Ein Generationengespräch. | |
Konzert in Berlin: Wir irren des Nachts im Kreis umher | |
Die Band Fotokiller spielt wie eine Maschine. Afrosound lässt Getränke | |
überschwappen. Bericht vom womöglich letzten Tanzwochenende für eine Weile. | |
Clubs in der Coronapause: Nachtleben im Ausnahmezustand | |
Der Berliner Senat hat das Nachtleben gestoppt, um eine schnelle | |
Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Wie gehen Clubs mit der | |
Zwangspause um? | |
Boddinale statt Berlinale: No- und Low-Budget in Neukölln | |
Die „Boddinale“ – die kleine, dreckige Schwester der Berlinale – starte… | |
ebenfalls am Donnerstag. Neben Filmen gibt es dort auch Workshops. |