| # taz.de -- Verkehrswende-Aktivist vor Gericht: Amsel schießt zurück | |
| > VW klagt gegen eine satirische Website, die ihnen den Umstieg auf | |
| > Straßenbahnbau unterstellt. Der beklagte Aktivist von Amsel44 sieht das | |
| > als Erfolg. | |
| Bild: Für eine Neuausrichtung von VW: Protest von Amsel44 vor dem Hauptliefere… | |
| Bremen taz | Eine VW-Bahn. Ein VW-Bus. Ein VW-Lastenrad. „Unsere drei | |
| Prototypen aus dem neuen Stammwerk“ steht unter den Piktogrammen auf der | |
| Webseite „Volkswagen umbauen“. Darunter ein paar Zitate aus dem Jahr 2025, | |
| von VW-Mitarbeitenden und -bossen, die das neue VW-Portfolio, ganz ohne | |
| Autoproduktion, lobend hervorheben. Die Homepage verantwortet Tobias | |
| Rosswog – als [1][Aktivist des losen Bündnisses Amsel44] kämpft er von | |
| Wolfsburg aus mit satirischen Mitteln für eine Verkehrswende bei VW. | |
| Rufschädigend sei das, findet der VW-Vorstand – und will den Aktivisten | |
| zivilrechtlich belangen. Nur gut fünf Stunden bekam Rosswog vom Unternehmen | |
| Anfang Juni Zeit, um eine Unterlassungserklärung für zukünftige | |
| Anti-VW-Aktionen mit VW-Logo zu unterzeichnen – obwohl die Homepage zu | |
| diesem Zeitpunkt schon offline war. Rosswog unterschrieb nicht – am | |
| Dienstag fand nun die mündliche Verhandlung im Eilfahren statt. | |
| „Das war der schönste Tag meiner Karriere“, sagt Rosswogs Anwältin Nina | |
| Onèr. Die Rechtsanwältin hat sich erst vor kurzer Zeit selbstständig | |
| gemacht. VW, also die Gegenseite, wird dagegen durch den bekannten Star- | |
| und Medienanwalt Matthias Prinz vertreten, mit mehr als vierzig Jahren | |
| Berufserfahrung. | |
| Doch Anwältin Onèr konnte, so ihr Eindruck, das Gericht in weiten Teilen | |
| von ihrer Argumentation überzeugen. Die geht so: Die Satireabsicht lasse | |
| sich aus der beanstandeten Webseite leicht erkennen – nicht nur aufgrund | |
| der Zitate aus der Zukunft, sondern auch, weil die Seite mit einer | |
| Einladung zu Protestaktionen gegen VW aufmacht. „Auch ein Laie sieht auf | |
| den ersten Blick, dass hier nicht VW selbst spricht“, sagt Onèr. | |
| ## Einschüchterung von Aktivist*innen | |
| Dass der Aktivist Rosswog auf der Homepage das VW-Logo verwendet, hält sie | |
| ebenfalls nicht für angreifbar. „Marken sind nur vor markenmäßigem Gebrauch | |
| geschützt, aber hier sollte ja nichts verkauft werden.“ Insgesamt, | |
| berichtet Onèr, habe das Gericht bereits in der Verhandlung durchblicken | |
| lassen, dass die Website wohl durch die Meinungs- oder Kunstfreiheit | |
| gedeckt sei – genau festlegen wollte sich der Vorsitzende Richter noch | |
| nicht. Eine Entscheidung wird Ende Juli erwartet. | |
| Und die Gegenseite? „Die wühlten nur noch wie wild in ihren Akten und | |
| wussten nichts mehr zu entgegnen“, schildert der Beklagte Rosswog seine | |
| Eindrücke aus dem Gerichtssaal. „Man konnte Mitleid bekommen.“ Ob das so | |
| war? Die Pressestelle des Landgerichts will sich zu möglichen Tendenzen im | |
| laufenden Verfahren nicht öffentlich äußern; Rechtsanwalt Prinz selbst | |
| verweist auf taz-Anfrage auf VW – und die bleiben in ihrer Antwort knapp. | |
| Nicht immer geht es Klägern um Sieg oder Niederlage. „Schon der Streitwert | |
| der Unterlassungsklage von 350.000 Euro dient vor allem der | |
| Einschüchterung“, sagt Anwältin Onèr. Dass die Summe in dieser Höhe nicht | |
| durchgehen werde, habe der Richter sehr deutlich gemacht – und eher einen | |
| Streitwert von 25.000 Euro in Aussicht gestellt. „VW wollte einfach mit | |
| Kanonen auf Spatzen schießen“, vermutet Onèr. | |
| Das Vorgehen ist nicht unüblich. [2][Manche Prozesse sind Selbstzweck:] | |
| Indem Privatpersonen von übermächtigen Gegnern mit Gerichtsverfahren | |
| überzogen werden, sollen sie eingeschüchtert werden und sich nicht weiter | |
| engagieren. Slapp heißt diese Strategie. Die Abkürzung steht für Strategic | |
| Lawsuit against Public Participation, strategische Prozesse gegen | |
| öffentliche Beteiligung also. | |
| ## Bühne für Aktivismus | |
| Doch die Strategie der Einschüchterung muss nicht aufgehen: Nicht nur | |
| Anwältin Onèr hat die Verhandlung genossen, auch der Beklagte Rosswog | |
| wertet das Gerichtsverfahren schon vor Abschluss als Erfolg: „Jede Klage | |
| zeigt uns, dass unsere Aktionen nicht einfach ignoriert werden können.“ | |
| Jeder Prozess sei die Einladung auf eine Art Theaterbühne – eine | |
| Möglichkeit, die nötige Verkehrswende als Thema zu platzieren und Resonanz | |
| in den Medien hervorzurufen. „Wir spielen da gerne mit.“ | |
| Das Gericht hat mittlerweile beiden Streitparteien einen Vergleich | |
| vorgeschlagen. VW schreibt dazu: „Das einstweilige Verfügungsverfahren | |
| wurde durch einen Vergleich beendet, in dem Volkswagen alle geltend | |
| gemachten Ansprüche zugesprochen bekommen hat.“ | |
| Doch das ist falsch: Tobias Rosswog hat den Vergleich noch gar nicht | |
| angenommen. Dafür müsste das Angebot schon sehr gut aussehen, sagt er. | |
| Ansonsten warte er die Entscheidungsverkündung des einstweiligen | |
| Rechtsschutzverfahrens Ende Juli gelassen ab – und freue sich auf eine | |
| mögliche Hauptverhandlung. „Wenn du David gegen Goliath spielst, dann musst | |
| du es konsequent zu Ende spielen und nicht als Bittsteller enden“, sagt er. | |
| In einer Hauptverhandlung könnten auch Zeugen geladen werden – die sich | |
| dann, so seine Hoffnung, öffentlich zu den ihnen in den Mund gelegten | |
| Zitaten äußern müssten. Unter anderem übernimmt in den fiktiven Zitaten der | |
| Webseite Wolfgang Porsche Verantwortung für die Zwangsarbeit in der | |
| NS-Zeit, und die aktuelle Zwangsarbeit für VW durch Uiguren. „Ich würde | |
| gerne sehen, wie er sich da rauswindet.“ | |
| 6 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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