# taz.de -- Craftbeer-Tasting für Frauen: Ohne Männer perlt es besser | |
> Die Craftbeer-Szene ist von Männern dominiert. Ein Laden in Hamburg | |
> bietet Verkostungen exklusiv für Frauen an. | |
Bild: Frei von Männern ein Bier trinken – das kann ein großer Genuss sein | |
Das erste Bier ist ein „geiles Sommerbier“ aus Plankstadt-Schwetzingen. Man | |
könnte sicher Genaueres darüber sagen, keine Frage. Man – besser: Mann – | |
könnte stundenlang darüber abnerden. Aber genau das soll hier nicht | |
passieren, erklärt Nina. Nina ist unsere Somelière und hat das „Womens | |
Only-[1][Craftbeer]-Tasting“ ins Leben gerufen. Weil es sie genervt habe, | |
dass immer irgend ein Frank erkläre, was ein Stout sei, wenn man einfach | |
Bier trinken und eine gute Zeit haben wolle. Ein Stout ist übrigens ein | |
dunkles Bier mit relativ viel Alkohol, um das schon mal geklärt zu haben. | |
„Die ersten gehen immer schnell weg“, sagt Nina, als nach kurzer Zeit schon | |
alle ausgetrunken haben. Gut, es waren nur 0,2 Liter. Man kriegt hier | |
natürlich kein ganzes Bier, sondern ein paar Schluck in einem bauchigen | |
Glas, damit sich die Aromen gut entfalten und man nicht gleich betrunken | |
ist. Wobei die Teilnehmerinnen trinkfest wirken. | |
Fünf Frauen haben sich an diesem warmen Dienstagabend in Hamburg-Eimsbüttel | |
zusammengefunden, um diverse Biere zu probieren. Unter weißen | |
Sonnenschirmen sitzen wir vor dem Craftbeer-Shop „Beyond Beer“. Das | |
restliche Publikum ist penislastig, entspricht aber nicht dem Klischee vom | |
vollbärtigen, karohemdtragenden Craftbeer-Fan. Hier geht der Trend zum | |
hellblauen Hemd und heller Stoffhose, Dresscode: „Smart Casual“. Die | |
Lautstärke ist niedrig, niemand würde hier grölen oder sich das | |
Brauerzeugnis aus einem Trichter reinkippen. | |
Die Craftbeer-Szene ist was für Liebhaber. So auch der Shop: Hier geht man | |
nicht hin, um sich ein Wegbier zu holen. Die Flaschen und Dosen – ja, es | |
gibt viele Dosen – sind kunstvoll designt und kosten gern acht oder neun | |
Euro. Und da kommt auch schon die nächste: ein Pale Ale aus den USA. Die | |
Runde süffelt innerhalb weniger Minuten das Kaltgetränk weg. Schmeckt | |
solide, finde ich, aber nicht speziell. Wie Bier halt. | |
## Im sozialen Bier-Netzwerk | |
An dieser Stelle hören Spezialist*innen wahrscheinlich auf zu lesen. | |
„Schmeckt halt wie Bier“ muss für sie klingen, als würde man Franzbrötch… | |
und Pizza-Cracker gleichsetzen: beides Brot eben. Natürlich sagt so etwas | |
hier niemand. Stattdessen sitzen alle außer mir über ihren Bier-Apps und | |
tippen Bewertungen ein. Bei „Untapped“ kann man bis zu fünf Sterne | |
vergeben, was aber kein Bier jemals schafft. Bierfans sind knauserig. | |
Mittlerweile steht die Snackplatte auf dem Tisch und ist deutlich auf eine | |
weibliche Zielgruppe gemünzt: Weintrauben, Blaubeeren, Kokoschips, Käse und | |
Macarons, stilvoll angerichtet. Weiterer Social-Media-Content wird | |
erstellt, aber immer so, dass keine Gesichter zu sehen sind. „Nicht jeder | |
will mit Alkohol abgebildet werden“, sagt Nina. „Ach wieso“, sagt eine | |
Teilnehmerin. Wir einigen uns, dass Fotos in diesem Fall okay seien, weil | |
wir ja stilvoll tränken. | |
Das nächste Bier ist ein Indian Pale Ale, „Das schmeckt ja geil!“, haue ich | |
raus, während Nina noch über verschiedene Hopfensorten redet. Ups, bin | |
schon etwas angetüdelt. Aber wie lecker ist das denn bitte?!! | |
Danach ist Halbzeit, drei Biere haben wir noch vor uns, wir trinken ein | |
ZwiWa (Zwischenwasser). Der Pro-Kopf-Konsum in der [2][Bierrepublik | |
Deutschland] ist seit einigen Jahren leicht rückläufig, dafür ist die | |
Vielfalt der Sorten explodiert. Auch alkoholfreie Biere konnten ihr Image | |
als Loserplörre ablegen. Hier im Laden gibt es 40 [3][alkoholfreie Sorten]. | |
In der Flinta-Runde bekennt sich allerdings niemand dazu. Eine Teilnehmerin | |
äußert sich angewidert, die anderen desinteressiert. | |
Das vierte Bier ist eine Berliner Weiße, sehr himbeerig, nicht süß, extrem | |
lecker. Beim fünften stößt Nina beim Einschenken gegen den Tisch, „Ups“,… | |
wird gekichert. Es folgt das stärkste Bier des Abends mit sieben Prozent, | |
ein dunkles Trappist. Zum Abschluss gibt es ein Stout aus Norwegen. Eine | |
Teilnehmerin fängt an, Norwegisch zu reden, eine andere antwortet auf | |
Schwedisch. Hier ist gleich Feierabend, ist vielleicht besser so. In der | |
Abschlussrunde stellt sich raus, dass das „geile Sommerbier“ am besten | |
abgeschnitten hat. Vielleicht lag es auch nur daran, dass es das erste Bier | |
an einem warmen Sommerabend war? | |
1 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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