# taz.de -- Polizeieinsatz in Hamburg: Schüsse werfen Fragen auf | |
> Ein Mann bedroht auf der Reeperbahn mit einem Schieferhammer und | |
> Molotowcocktail Umstehende. Die Polizei schießt. Musste das sein? | |
Bild: Tatort gesichert: Polizisten auf der Reeperbahn in Hamburg-St. Pauli am 1… | |
HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei hat nach ihren Schüssen auf der | |
Reeperbahn darauf hingewiesen, dass ihre Beamten darauf achten müssten, | |
sich selbst zu schützen. Allgemein gelte: „Auch wenn ein Angreifer sich | |
einer Waffe entledigt hat, bedeutet das nicht, dass er nicht trotzdem noch | |
über weitere Waffen wie Messer verfügen könnte.“ Ein solches Risiko sei | |
immer mitzudenken. | |
Im konkreten Fall überprüfe die Dienststelle für interne Ermittlungen, ob | |
die Polizisten am Sonntag zu Recht schossen. Der angeschossene Mann sei in | |
den frühen Morgenstunden aus dem Krankenhaus entlassen und in die | |
Untersuchungshaft überführt worden. Ein Haftrichter entschied am | |
Montagnachmittag, den Mann in der [1][Psychiatrie unterzubringen]. Die | |
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts des versuchten | |
Totschlags und wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. | |
Der 39-Jährige aus Buchholz in der Nordheide war am Sonntagmittag in St. | |
Pauli vor Passanten und Polizisten mit einem Schieferhammer und einem | |
Molotowcocktail herumgelaufen. [2][Auf einem Video ist zu sehen], wie er | |
versucht, ein Absperrgitter zur Reeperbahn hin zu überklettern, jedoch | |
abgedrängt wird. Ein Polizist besprüht ihn mit Pfefferspray. Andere | |
Polizisten halten ihre Pistolen im Anschlag. | |
[3][Der Mann läuft weg, die Silbersackstraße hinauf, Polizisten in Uniform | |
hinterher]. In der rechten Hand hält er den spitzen Hammer, in der linken | |
eine Flasche, in deren Hals so etwas wie ein Fetzen Stoff steckt. Einige | |
Passanten wirken unbeteiligt, andere laufen weg. Ein Polizist in Zivil | |
stellt sich dem Mann mit erhobenen Armen gegenüber, offenbar mit der | |
Pistole im Anschlag, ein anderer schießt in die Luft. | |
## Fünf Schüsse fallen | |
Kurz darauf fallen mindestens fünf Schüsse. Der schwarz gekleidete Mann | |
liegt bäuchlings auf dem Boden. Polizisten kümmern sich um ihn. | |
Ihre Einsatzkräfte hätten „unmittelbar die erforderliche Erste Hilfe | |
geleistet“, teilte die Polizei mit. Nach Angaben des Krankenpflegers Ronald | |
Kelm haben die Polizisten jedoch eine zufällig anwesende | |
Intensivmedizinerin daran gehindert zu helfen, obwohl diese sich als solche | |
zu erkennen gegeben habe. Stattdessen warteten die Beamten, bis „wenige | |
Minuten später“ herbeigerufene Rettungskräfte zur Stelle waren. | |
Kelm koordiniert das Gesundheitsmobil, das Menschen ohne Obdach und | |
Krankenversicherung kostenfrei medizinisch versorgt. „Dass man die Ärztin | |
da nicht hingelassen hat, ist für uns sehr merkwürdig“, sagt er. Dabei | |
hätte die sogar einen Notfallrucksack im Gesundheitsmobil gehabt. Sie wisse | |
nichts von einer solchen Ablehnung, teilte die Polizeipressestelle mit. | |
## Polizei in Mannschaftsstärke vor Ort | |
Kelms subjektivem Eindruck nach hat die Polizei ziemlich konfus agiert. | |
Diese war uniformiert in Mannschaftsstärke vor Ort, weil kurz zuvor rund | |
13.000 niederländische Fußballfans auf der Reeperbahn vorbeidefiliert | |
waren. Es gebe aber „keinen Zusammenhang zur organisierten Fußballgewalt“, | |
sagte Liddy Oechtering von der Hamburger Staatsanwaltschaft. Der | |
Beschuldigte habe sich zu seinen Motiven nicht geäußert. | |
Die Polizei verweist darauf, dass es sich um eine „sehr dynamische | |
Einsatzlage“ gehandelt habe, die [4][glücklicherweise nicht zum Alltag | |
gehöre]. „Der Einsatz der Schusswaffe ist dabei die Ultima Ratio“, teilte | |
die Polizei mit. | |
## 15 Sekunden dauert der Vorgang | |
Im Video dauert der Vorgang vom Herumlaufen vor der Absperrung bis zu den | |
Schüssen nur 15 Sekunden. Gegen Ende der Sequenz soll der Mann versucht | |
haben, den Molotowcocktail anzuzünden. Das [5][Hamburger Gesetz zum Schutz | |
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG)] erlaubt den | |
Schusswaffeneinsatz, um Vergehen zu verhindern, die „unter Anwendung oder | |
Mitführung“ von Sprengstoffen begangen werden sollen, worunter auch ein | |
Molotowcocktail fallen kann. | |
Dass die Polizei nicht versuchte, mit Schlagstöcken gegen den Mann | |
vorzugehen, erklärte sie, wieder aufs Grundsätzliche verweisend, mit dessen | |
„sehr kurzer Distanz“ beim Einsatz. [6][Um sich selbst zu schützen gilt f�… | |
Polizisten die Regel, sieben Meter Abstand zu halten, sobald ein Messer im | |
Spiel is]t, was in dem konkreten Fall jedoch nicht der Fall war. | |
17 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Polizeiexperte-ueber-Umgang-mit-psychisch-Kranken/!5880681 | |
[2] https://www.ardmediathek.de/video/hamburg-journal/polizei-schiesst-bewaffne… | |
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburger-Reeperbahn-Polizei-schiess… | |
[4] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138 | |
[5] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-SOGHAV1P25 | |
[6] /Kriminologe-ueber-Polizeischuesse/!6000538 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
GNS | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Polizeigewalt | |
Polizei | |
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