# taz.de -- Polizei in Schleswig-Holstein: Im Schießen ungeübt | |
> Polizist:innen im Norden bekommen zu wenige Schießtrainings. Damit | |
> sie trotzdem eingesetzt werden können, wurden die Anforderungen | |
> herabgesetzt. | |
Bild: In Schleswig-Holstein nicht für alle Polizist:innen möglich: Einsatztra… | |
Hamburg taz | In Schleswig-Holstein fallen die obligatorischen | |
Schießübungen für Polizist:innen häufig aus. Die Schießstände sind | |
marode und für Einsatztrainings fehlt es an Personal. Das kam durch eine | |
SPD-Anfrage heraus. | |
Laut dem Berliner Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit sind | |
allein in diesem Jahr bundesweit sieben Menschen durch Polizeischüsse | |
[1][gestorben]. Oft sind die Opfer psychisch krank. Regelmäßig gibt es | |
[2][Kritik sowohl am Schusswaffengebrauch] als solchem als auch daran, wie | |
häufig er [3][tödlich ausgeht]. | |
Die Situation ist in Schleswig-Holstein besonders alarmierend. Von den | |
sogenannten Raumschießanlagen, die für Schießtrainings nötig sind, befinden | |
sich viele in einem derart schlechten Zustand, dass keine Schießtrainings | |
durchgeführt werden können. In Kiel beispielsweise ist die Raumschießanlage | |
seit mittlerweile zweieinhalb Jahren geschlossen, acht weitere Anlagen sind | |
nur eingeschränkt nutzbar. Dies geht aus der [4][Antwort der | |
Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des SPD Abgeordneten Niclas | |
Dürbrook] hervor. | |
Polizist:innen hätten ihn auf die Probleme hingewiesen, so Dürbrook. | |
Seither verfolge er das Thema aufmerksam. Seiner Ansicht nach ist die Lage | |
in Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich einmalig: „Probleme gibt es | |
in anderen Bundesländern auch, aber laut unserer Kenntnis ist die Situation | |
nirgendwo auch nur ansatzweise vergleichbar“, so Dürbrook. | |
## In Lübeck bekam jede:r Dritte gar kein Training | |
Denn zusätzlich zu den nicht nutzbaren Trainingsanlagen geht es auch um die | |
Einsatztrainings, die Polizist:innen zweimal jährlich absolvieren | |
müssen. Keine einzige Polizeidienstelle in Schleswig-Holstein konnte im | |
letzten Jahr ausreichend viele Trainings für alle Polizeibeamt:innen | |
anbieten. In Lübeck zum Beispiel nahmen nur 797 von 1.179 | |
Polizist:innen teil. Das heißt rund 400 Beamte haben in dieser | |
Polizeidirektion 2023 an gar keinem Training teilgenommen, obwohl sie sogar | |
zwei mal jährlich vorgesehen sind. | |
Damit die Polizist:innen trotzdem eingesetzt werden können und nicht | |
komplett ausfallen, wurde „Ende 2022 eigens der Schießerlass angepasst“, so | |
Dürbrook, „damit Beamte ihre Dienstwaffe auch dann weiterführen dürfen, | |
wenn sie das Schießtraining nicht wie vorgeschrieben absolvieren konnten“. | |
Das bedeutet, dass diese Polizist:innen im Zweifel in Extremlagen | |
geschickt werden, die sie teilweise über ein Jahr nicht trainiert haben. | |
Das kritisiert auch die Gewerkschaft der Polizei. Sie fordert, viel Geld in | |
die Hand zu nehmen, um die Anlagen zu modernisieren und Personal für | |
Einsatztrainings zu organisieren, das entsprechende Training durchführen | |
kann. Ihr Vorsitzender in Schleswig-Holstein, Torsten Jäger, macht klar: | |
„Unsere Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht ohne Trainings in Einsätze | |
gehen.“ | |
Die Probleme in Kiel, Lübeck, Heide, Itzehoe und Co. bestehen nicht erst | |
seit kurzem. Niclas Dürbrook hat im Frühjahr 2023 aufgrund der von | |
Polizist:innen an ihn herangetragenen Berichte die erste Kleine Anfrage | |
gestellt. Das Problem müsste aber schon länger bekannt sein, die | |
Schießanlage in Heide etwa ist seit fünfeinhalb Jahren nur eingeschränkt | |
nutzbar. | |
## Das Innenministerium vertröstet aufs nächste Jahr | |
Auf taz-Nachfrage verweist das Innenministerium auf vorgesehene Sanierungen | |
und laufende Planungen zu längerfristigen Bedarfen. Ergebnisse sollen im | |
dritten Quartal 2025 vorliegen. Die Schießausbildungen würden bis zur | |
vollendeten Sanierung auf Schießanlagen anderer Polizeidirektionen oder auf | |
externen Plätzen, beispielsweise von der Bundeswehr, durchgeführt. | |
Auch mit Blick auf die Einsatztrainings sieht das Innenministerium keine | |
Gefahr für die Sicherheit im Land, da schon in der ursprünglichen | |
Ausbildung der Beamt:innen „ein wesentlicher Schwerpunkt auf das | |
Einsatztraining gelegt“ werde. „Sobald die Polizistinnen und Polizisten | |
ihren Dienst auf den Dienststellen verrichten, gelten sie als fertig | |
ausgebildet und sind folglich auch handlungsfähig in den Einsatzlagen“, so | |
das Ministerium. Außerdem würden „Präsenzdienststellen“ bei den Trainings | |
priorisiert. Trotzdem könne es aufgrund von Einsatzlagen und Krankheit der | |
Beamt:innen dazu kommen, dass Polizist:innen an einem Training nicht | |
teilnehmen könnten. In Lübeck betraf das immerhin jede:n Dritte:n. | |
3 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138 | |
[2] /Polizeieinsatz-in-Hamburg/!6017523 | |
[3] /Kriminologe-ueber-Polizeischuesse/!6000538 | |
[4] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/02200/drucksache-20-0221… | |
## AUTOREN | |
Mika Backhaus | |
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