# taz.de -- Werbung mit „klimaneutral“-Label: Karlsruhe rügt Katjes | |
> Darf der Konzern damit werben, dass seine Produkte „klimaneutral“ | |
> hergestellt werden? Ja, sagt der BGH – aber nur unter einer bestimmten | |
> Bedingung. | |
Bild: „Klimaneutrale“ Ferkel aus Weingummi? Kommt drauf an. Katjes-Produkti… | |
KARLSRUHE taz | Der Fruchtgummi-Hersteller Katjes darf weiter damit werben, | |
dass seine Produkte klimaneutral produziert werden – er muss aber | |
kennzeichnen, dass er selbst nicht CO2-frei produziert, sondern lediglich | |
seine [1][CO2-Ausstöße durch Zahlungen kompensiert]. Das entschied der | |
Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in einem Grundsatzurteil, das für | |
Produzenten in allen Branchen gilt, bis es 2026 eine gesetzliche | |
Neuregelung gibt. | |
Der Süßwarenproduzent aus Emmerich am Rhein bewarb seine Produkte damit, | |
dass sie seit 2021 „klimaneutral“ produziert würden. Damit war gemeint, | |
dass Katjes Klimaschutzprojekte etwa zur Aufforstung oder zum Waldschutz | |
außerhalb des Unternehmens finanziert. Der Konzern arbeitete dabei mit dem | |
Unternehmen ClimatePartner zusammen, das die Klimaprojekte betreute und | |
zertifizieren ließ. Weitere Informationen erhielten die Kunden, wenn sie | |
einen QR-Code scannten oder die angegebene Webseite von ClimatePartner | |
aufriefen. | |
Gegen diese Werbung, die Katjes in einer Fachzeitung der | |
Lebensmittelbranche veröffentlicht hatte, klagte die Zentrale zur | |
Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ein von der Wirtschaft getragener | |
Abmahnverein. Die Verbraucher würden irregeführt, so die Klage, weil sie | |
glauben, Katjes selbst produziere klimaneutral. Dies benachteilige auch | |
Unternehmen, die in die eigene klimafreundliche Produktion investieren, | |
statt nur fremde Projekte zu unterstützen. | |
[2][Das Oberlandesgericht (OLG) Düssseldorf hatte im Juli 2023 die Klage | |
gegen Katjes noch abgelehnt]. Die Verbraucher wüssten, dass es | |
verschiedene Wege gebe, eine ausgeglichene Klimabilanz zu erzielen. Wie | |
Katjes konkret agiert, sei für die Kunden auch nachvollziehbar, weil sie | |
sich über den QR-Code und die angegebene Webseite informieren können. Die | |
Wettbewerbszentrale ging dagegen in Revision zum BGH. | |
## 2026 wird sich die Rechtslage wieder ändern | |
Die Karlsruher Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, denn andere | |
Gerichte hatten deutlich strenger geurteilt als das OLG Düsseldorf. So | |
hatte das Landgericht Karlsruhe ebenfalls im Juli 2023 der Drogeriekette dm | |
die Werbung mit dem Merkmal „klimaneutral“ verboten. Ein Waldprojekt, | |
dessen Existenz nur bis 2040 garantiert ist, könne den Ausstoß von CO2 | |
nicht verlässlich und dauerhaft kompensieren, weil das CO2 in der | |
Atmosphäre jahrhundertelang wirken wird, so das Gericht. | |
So streng war der BGH nun nicht, auch wenn er der Klage der | |
Wettbewerbszentrale stattgab. Der BGH bezeichnete die frühere | |
Katjes-Werbung zwar als „irreführend“, weil sie zu wenig Informationen | |
enthielt. Die Werbung mit dem mehrdeutigen Begriff „klimaneutral“ bleibt | |
künftig jedoch auch dann erlaubt, wenn die Neutralität nur durch | |
Kompensationszahlungen an Klimaschutzprojekte hergestellt wird. In diesem | |
Fall verlangt der BGH aber immerhin, dass dies in der Werbung selbst | |
erläutert wird. Die Nutzung von QR-Codes und der Verweis auf Webseiten | |
reicht offensichtlich nicht mehr aus. | |
Doch schon in zwei Jahren wird sich die Rechtslage wieder ändern. Dann ist | |
es ausdrücklich verboten, mit Klimaneutralität zu werben, wenn dies ganz | |
oder vor allem auf Kompensationen beruht. Dies ergibt sich aus der | |
EmpCo-Richtlinie der EU, die vor einigen Monaten beschlossen wurde. EmpCo | |
steht für „Empowering Consumers for the green transition“ (Befähigung der | |
Verbraucher für den grünen Wandel). Der Bundestag muss die Richtlinie bis | |
März 2026 in deutsches Recht umsetzen. Ab September 2026 muss das Verbot | |
dann gelten. Dann darf zwar immer noch mit Kompensationszahlungen | |
geworben werden, die Produkte dürfen aber nicht mehr als „klimaneutral“ | |
bezeichnet werden. | |
Für solche Werbung wird jedoch eine geplante weitere EU-Richtlinie über | |
Umweltaussagen zusätzliche Vorgaben bringen. Der Vorschlag der | |
EU-Kommission sieht vor, dass jede Umweltaussage in der Produktwerbung vor | |
der Veröffentlichung von externen Sachverständigen überprüft und | |
zertifiziert werden muss. Auch damit soll verhindert werden, dass | |
Unternehmen sogenanntes Greenwashing betreiben, sich also umwelt- und | |
klimafreundlicher darstellen, als sie sind. | |
27 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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