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# taz.de -- Die Wahrheit: Ente gut, Koks gut
> In Berlin mischt ein findiger Unternehmer mit seinem Ententaxi
> gleichzeitig die Tierschutz- und die Drogenbranche auf.
Bild: Diese niedlichen Küken sind in Wahrheit abgefeimte Drogenkuriere
Ententaxis erobern die Hauptstadt. Brachten bisher Naturschützer damit
Wasservögel von unsicheren Brutplätzen auf Berliner Privatbalkons zurück in
die Natur, will Unternehmer Jost Hossmann Tierwohl und Rausch verbinden.
Sein Ententaxi dient gleichzeitig als Kokstaxi.
Als Hossmann den Balkon einer Neuköllner Etagenwohnung betritt, ist noch
nicht klar, wer hier gleich Federn lassen wird. Schließlich kann die
gemeine deutsche Stockente ganz ordentlich zuschnappen, und wegen einer
solchen ist er schließlich hier. Umso glücklicher warten wir drinnen bei
Kaffee, Kuchen und Manuela. Die hat den Entenretter schließlich gerufen.
Während wir Hossmann durch die dreifach verglaste Balkontür beim behutsamen
Einsammeln von Entenmama und Küken zuschauen, berichtet Manuela, wie sie
erst zur Ente und dann auf Hossmann kam. Einerseits habe sie schon etliche
Tiere oder manchmal sogar Menschen auf ihrem Balkon beherbergt und
hochgepäppelt, in Berlin mache man das eben so.
Nach fauchenden Waschbären und diebischen Fuchsfurrys sei eine Entenmama
eine friedliche Abwechslung gewesen. Andererseits habe sich die Ente im
Lauf der Brut zur Lerche entwickelt und schon „um 14 Uhr morgens“
angefangen zu schnattern. Jetzt müsse sie eben doch weg.
## Zwei Gramm Keta, drei Gramm Haze
Wie aufs Stichwort stapft Hossmann mit dem Fangkorb durch die Tür. „Ente
gut, alles gut. Diese Gans haben wir im Sack“, ruft er mit gutgelaunter
ornithologischer Unschärfe zu unserer kleinen Kaffeetafel hinüber und kommt
dann auch gleich zum zweiten Teil seines Jobs: der Drogenlieferung.
„Jetzt zum Vogel, der sich abschießen will“, schnattert er. „Du hattest
zwei Gramm Keta, drei Gramm Haze und eine Ente. Macht 180 Euro – aber heute
zum Glück ohne Zerquetschte.“
Auf dem Weg zur nächsten Kundin klärt er uns in seinem zur Ente umgebauten
VW Käfer aber erst mal darüber auf, wie es zu der Fusion der höchst
unterschiedlichen Dienstleistungen kam. „Wenn Berlin groß genug ist für 200
Smash-Burger-Läden, dann ist ja wohl auch Platz für ein Kokstaxi mit
Tierschutzappeal.“
Man müsse eben seine Nische finden, meint Hossmann, das habe er sich von
den Enten abgeguckt. Außerdem sei die Verbindung auf den zweiten Blick
logisch: „Viele meiner Kunden nutzen ihre Balkone höchstens, wenn sie zur
After Hour nicht ins Berghain gekommen sind. Dann allerdings kommen sie
schon hart auskaternd zu Hause an und sind von den putzigen Mitbewohnern
genervt.“ Zum Runterkommen- und bringen riefen sie dann eben ihn an.
Ursprünglich habe der Job des Tierretters zum Leben gereicht. Irgendwann
haben dann aber ausgerechnet die Berliner Füchse ihre Spenden an ihn
eingestellt, eine alternative Geldquelle fand er im Dealen. „Und das ohne
großes Risiko“, meint er, schließlich würde nie ein Polizist vermuten, dass
sich hinter für ententypischen Begriffen „Quack“, „Kloake“ und „Schn…
die Drogen Crack, Poppers und Kokain verbergen.
## Fette Taube aus Kulanz
Beim nächsten Kundentermin bemerken wir einen weiteren Vorteil des
Geschäftsmodells: Tierliebende Drogenkonsumenten sind leichtgläubig.
Zumindest zeigt sich der bedröhnte junge Mann aus einer Kreuzberger WG nur
allzu begeistert, seiner Ente das „Kuschelpaket Plus“ mit auf den Weg zu
buchen. Das verspricht, dass die Ente in ihrem neuen Zuhause selbst in den
Genuss kommt, auf echten Daunen schlafen zu dürfen.
„Ihren eigenen“, flüstert uns Hossmann beim Hinausgehen grinsend zu. Nicht
nur wegen dieser Aussage zweifeln wir im Laufe des Tages an der
Tierfreundlichkeit des Ententaxlers.
Spätestens, als er bei der Mittagspause im französischen Restaurant auf die
Kellnerfrage „Wie immer?“ Ente à l’Orange serviert bekommt, werden die
Zweifel zur Gewissheit.
Der Rest des Tages verläuft jedoch unspektakulär: Hossmann liefert noch ein
paar Drogen aus und holt im Gegenzug Enten und aus Kulanz sogar eine fette
Taube ab.
## Gute Kontakte zu Pitbulls
Doch als er das letzte Tier für heute einladen will, lässt er den
Transportkorb abrupt fallen und holt einen Baseballschläger aus dem
Kofferraum. „Scheiße, die schon wieder“, presst er wütend zwischen seinen
Zähnen hervor. Auch wir sehen nun die Konkurrenz, das Ententaxi des
Naturschutzbundes Nabu. Langsam fährt es an uns vorbei, während sich die
Insassen bedrohlich aufplustern.
„Die sind kein Scherz“, quakt er. „Die haben gute Kontakte zu extrem
verhaltensauffälligen Pitbulls.“ Und dass die Ente, zu der er sein Auto
umgebaut habe, hier gar nicht heimisch sei, mache die Umweltschützer noch
angriffslustiger.
Als die ersten Straßenlaternen angehen, begleiten wir Hossmann zu seinem
Landhaus nach Brandenburg. Auf die Enten im Kofferraum warten dort schon
unzählige weitere glücklich schnatternd an einem beinahe
seerosenblattgroßen Teich. Ein Herz für Tiere scheint Hossmann also doch zu
haben. Oder kommt uns das nur so vor, weil wir auf der Fahrt ein wenig
„Quack“, „Kloake“, aber auch ein bisschen „Schnabel“ genascht haben?
21 Jun 2024
## AUTOREN
Ernst Jordan
## TAGS
Tierschutz
Drogen
Berlin
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