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# taz.de -- Die Wahrheit: Erlebe, was dahintersteckt!
> Werden Jochen-Schweizer-Gutscheine eigentlich jemals eingelöst? Die neuen
> Fähigkeiten könnten in der Zombieapokalypse nützlich sein.
Bild: Mit dem Himmel im Bunde: Jochen Schweizer, das Original
Dass der ehemalige Extremsportler Jochen Schweizer sein Geld vornehmlich
mit dem Verkauf von Erlebnisgutscheinen macht, ist bekannt. Ebenso bekannt
ist, dass das System Jochen Schweizer zusammenbrechen würde, wenn die
Kunden ihre Gutscheine wirklich einlösen würden.
Würfe man dagegen alle in Geschenkschubladen brachliegenden Gutscheine auf
einen Schlag in die Tonne, würden Berge von recyclebarem Altpapier
entstehen, sodass in Folge die Holzpreise einbrächen. Bauen, letztlich das
ganze Leben, würde billiger. In Deutschland könnten wieder Milch und Honig
fließen. Dies wäre ideal für Rafting Touren – die natürlich von Jochen
Schweizer organisiert werden.
Weniger bekannt hingegen ist, dass die gebuchten Erlebnisse vom Unternehmen
alle bereitgehalten werden müssen. Ein Run aller Kunden auf sämtliche
bereits gekauften Jochen-Schweizer-Eventgutscheine würde nicht nur das
Unternehmen, sondern auch unser Wirtschaftssystem ruinieren.
Doch zu diesem Erlebniscrash wird es nicht kommen. Höflichkeit und ein
letzter Funken Anstand gebieten es, erst einen neuen Gutschein zu schenken,
nachdem der alte eingelöst wurde. Bis sich der Kunde dazu durchringen kann,
bekommt er leider oft noch viel schlimmere Geschenkgutscheine geschenkt.
Das hat dramatische Folgen für Mensch, Tier und Umwelt.
## Mondpreise in Schottland
So kann in Schottland kaum noch Landwirtschaft betrieben werden, weil das
Land zum größten Teil in winzige Parzellen unterteilt wurde, um den
Nachschub an Fantasie-Adelstiteln zu sichern. Und Grundstücke auf unserem
Erdtrabanten sind auch nur noch zu Mondpreisen erhältlich.
Wird keine Urkunde über ein paar Gramm Mond oder Schottland verschenkt,
sondern ein actiongeladener Event von Jochen Schweizer, ist dies meist mit
tiefer Trauer verbunden. Schließlich muss der Beschenkte jetzt mit der
Gewissheit leben, dass ihn die eigenen Freunde für jemanden halten, der an
Ziplines interessiert ist. Oft bleibt der einzig tröstende Gedanke:
Vielleicht erwischt es mich ja – nur bitte nicht beim Ziplinen.
Löst der Beschenkte die Gutscheine nicht ein, ist schnell das eigene oder
gar das Überleben der ganzen Menschheit gefährdet. Soll er das
Survivaltraining sausen lassen? Wer bringt den Menschen dann das Kacken
ohne Klopapier bei?
## Hinab mit Tieren
Wird der Houserunning-Gutschein – dabei läuft man mit einem Seil gesichert
eine Fassade herab – nicht eingelöst? Viel Spaß bei der Flucht vom
Hochhausdach in der Zombieapokalypse. Und wer es bis zur einsamen
Postapokalypse schaffen sollte, hätte sich dann sicher gerne doch schon mal
an das gewöhnt, was auf der Website unschuldig unter „Erlebnissen mit
Tieren“ aufgeführt ist.
Überhaupt leiden die Tiere am meisten unter nicht eingelösten
Jochen-Schweizer-Gutscheinen. Für uns Menschen mag eine nie unternommene
Alpaka-Wanderung vielleicht nur einen entspannten Sonntag bedeuten. Für
Alpakas bedeutet sie schnell Tod und Verderben. Schließlich brauchen die
Tiere trotzdem Auslauf. Ohne die straffe Führung von Topmanagern auf
Team-Building-Trip kommen sie jedoch oft vom Weg ab und landen
versehentlich in Innenstädten, wo sie von mundtrockenen
Großstadtjugendlichen für ihre Spucke gejagt werden.
Auch europäische Alpakas, sogenannte Pferde, werden traumatisiert. Bei
einem unausgelasteten Kurs „Pferdeherzen gewinnen“ sind die Folgen
dramatisch: Die Pferde trauern, weil zu wenig Herzen gewonnen werden und
aufgrund geringer Transplantationszahlen die Todesfälle in ihren Reihen
zunehmen.
## Millionen Igel
Nicht besser ergeht es Wildtieren. So finden Millionen Igel kaum noch
Unterschlüpfe. Ohne die in Tausenden Survivaltrainings von
Möchtegern-Preppern gebauten Laubhütten können die Stacheltiere nicht
überleben. Zum Selberbauen sind Igel bekanntlich zu faul.
Bei den geknechteten Subunternehmern von Jochen Schweizer geht es zwar
nicht ums physische, aber ums wirtschaftliche Überleben. Ihre Rennwagen
müssen bewegt werden. Aber ohne Gäste sind die Wagen verdammt, nur sinnlos
im Kreis zu fahren. Fallschirmspringer müssen spätestens nach Ablauf des
Gutscheins die Leistung erbringen. Deshalb springen sie immer wieder und
wieder allein über denselben langweiligen deutschen Mittelstädten ab.
Tatsächlich konnten bei ihnen die ersten Fälle von Boreout unter
Extremsportlern nachgewiesen werden. Lediglich Anbieter von „Dinner in the
Dark“-Veranstaltungen scheinen die Abwesenheit der Gäste gut zu verkraften.
Aber Jochen Schweizer wäre nicht der Extrem-Entrepreneur Jochen Schweizer,
wenn er nicht auch aus dieser existenziellen Langeweile Kapital schlagen
könnte. Deshalb plant der Eventspezialist bereits, in Zukunft Gutscheine
für „Extrem-Gutscheineinlösen“ anzubieten. Diesen ultimativen Kick gibt es
für nur 299,99 Euro.
3 Apr 2024
## AUTOREN
Ernst Jordan
## TAGS
Die Wahrheit
Extremsport
Kita-Gutschein
Satire
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Pandemie
Tierschutz
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