| # taz.de -- Verteidigung der Kunstfreiheit: Haben wir nicht schon alles versuch… | |
| > Der Fonds Darstellende Künste geht mit einem Programm aus Kultur, Aktion | |
| > und Debatte auf Tour. In Leipzig übte man sich in der Kunst des | |
| > Streitens. | |
| Bild: Vielleicht trägt auch das zur polarisierten Lage bei: der moralische Zei… | |
| Die Liste der Einschüchterungen, Bedrohungen und Angriffe auf | |
| Kunstschaffende ist lang: ob Anfragen zur Herkunft von Mitarbeitern am | |
| Theater Ulm, Morddrohungen gegen einzelne Künstler wie Igor Levit oder die | |
| körperlichen Angriffe auf die Künstler eines Queer-Festivals vergangene | |
| Woche im Performance Theater Heidelberg. | |
| Was ist zu tun? Wie kann eine Gesellschaft gestärkt werden, in der | |
| vielfältige Perspektiven und Identitäten wahrgenommen und geschützt werden? | |
| Um diese aktuellen Herausforderungen auszuloten, tourt der Fonds | |
| Darstellende Künste unter dem Titel [1][„Die Kunst, viele zu bleiben“] | |
| durch Deutschland. Nach dem Auftakt in Berlin fand am Wochenende im LOFFT | |
| Leipzig und in der Residenz vom Schauspiel Leipzig das zweite von neun | |
| „Foren für Kunst, Freiheit und Demokratie“ statt. | |
| Allzu viele strömen an diesem Wochenende allerdings nicht in das Haus am | |
| Rande der Stadt – trotz des umfangreichen Programms von Impulsen über | |
| Workshops bis zu Performances. Einige bekannte Akteure der Leipziger | |
| Theaterszene sind da, aber längst nicht alle, die es interessieren dürfte. | |
| Gut ein Drittel der Ränge bleibt leer. Dabei dreht sich das Forum um ein | |
| Thema, das angesichts verhärteter gesellschaftlicher Positionen so wichtig | |
| ist: Die Kunst des Streitens, der Resilienz und der Verteidigung der | |
| Kunstfreiheit. | |
| Theaterkritiker Peter Laudenbach | |
| Wie wichtig es ist, sich zu wehren, betonte der Journalist und | |
| Theaterkritiker Peter Laudenbach in der Diskussion über [2][sein neues Buch | |
| „Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“]. Insgesamt 100 | |
| Fälle hat er in den vergangenen fünf Jahren dokumentiert, in denen die | |
| Freiheit der Kunst bedroht oder angegriffen wurde. | |
| Sein Fazit: Die AfD bildet häufig eine Legitimationsbrücke zu rechten | |
| Akteuren. Durch Hetzreden und die Überflutung mit parlamentarischen | |
| Anfragen verschiebt sie den Diskurs und schafft den Nährboden für die | |
| gefühlte Legitimation von Angriffen auf Kunstinstitutionen. Was also tun, | |
| ist die Frage in das resignierte Schweigen im Saal hinein. Vielleicht ist | |
| sie ein allgemeiner Ausdruck der Szene: Haben wir nicht schon alles | |
| versucht? | |
| Gegenrede halten, sich in den örtlichen Vereinen organisieren, die kleinen | |
| Theater unterstützten, das vielleicht. Laudenbach hat allerdings noch eine | |
| andere Botschaft: Theater müssen sich stärker als Teil der | |
| Stadtgesellschaft verstehen. Damit einher geht, die Menschen nicht zu | |
| belehren, sondern sie zu beteiligen. „Wenn wir verlangen, Diversität | |
| auszuhalten, müssen wir selbst auch Diversität aushalten.“ | |
| Vielleicht, so könnte man an diesem Wochenende denken, trägt auch das zur | |
| polarisierten Lage bei: der moralische Zeigefinger und die unsichtbaren | |
| Mauern zwischen dem Selbst und dem generalisierten Anderen. | |
| Jüdische Form der Streitbarkeit | |
| Für [3][die jüdische Autorin und Kolumnistin Mirna Funk] führen | |
| manichäische Weltbilder, die unsere Welt in rein Gutes und rein Böses | |
| einteilen, geradewegs in die Katastrophe. Sie stellt der vorherrschenden | |
| Vorstellung das Prinzip der Machloket, der jüdischen Form der | |
| Streitbarkeit, gegenüber. | |
| Diese sei entgegen der landläufigen Interpretationen des deutschen Wortes | |
| Streit aber nicht als Kampf zu verstehen, aus dem man als Gewinner und | |
| Verlierer hervorgeht. Vielmehr gehe es gerade darum, zwei gegensätzliche | |
| Meinungen auszuhalten, sie stehen und bestehen zu lassen. Dabei ist wichtig | |
| zu betonen, dass Machloket nicht nur für den äußeren Streit zwischen | |
| Personen steht, sondern auch für den inneren Streit, den Dialog mit sich | |
| selbst. | |
| Auf dem Podium kommt es zwischen Mirna Funk und der Künstlerin Tanja Krone | |
| dann auch fast zu einem richtigen Streit. Wenn Krone ihren Sitznachbarn | |
| bittet, die Kopfhörer leiser zu stellen, ist das dann wirklich der Beginn | |
| eines Streits oder nicht doch eher eine typisch deutsche Maßregelung? | |
| Streit mit Humor begegnen | |
| Bitte nicht, schreit die Zuschauerin innerlich. Kaum auszuhalten so ein | |
| Streit. Dabei geht es doch nur darum, andere Meinungen zu hören und zu | |
| akzeptieren, oder? Leichter gesagt als getan. Funks Rat: Wir müssten | |
| lernen, den Streit weniger persönlich zu nehmen und uns mehr mit Humor zu | |
| begegnen. | |
| Der Streit um Freiheit und Demokratie in der Kunstszene, „Die Kunst, viele | |
| zu bleiben“, geht jedenfalls weiter. Mit Ausnahme von Düsseldorf allerdings | |
| nur im Osten Deutschlands. Denn auch wenn die Angriffe auf die Freiheit der | |
| Kunst bundesweit stattfinden, scheint die Auseinandersetzung vor den | |
| Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen hier dringlicher. | |
| 3 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Hoffmeister; | |
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