# taz.de -- Ältere Mütter, schlauere Kinder: Gute Mathenoten für alle! | |
> Ältere Mütter haben Kinder mit besseren kognitiven Fähigkeiten, so eine | |
> neue Studie. Das Problem: Frauen können sich Kinder oft erst später | |
> leisten. | |
Bild: Bei Studien sollte man immer genauer hingucken | |
Es gibt Studien, die machen gute Laune. Nicht selten werden sie einem in | |
Form von Posts in den Social-Media-Feed gespült und geben einem ein | |
sicheres Gefühl bezüglich der eigenen bedenklichen Lebensentscheidungen: | |
„Wer spät ins Bett geht, ist intelligenter“ oder „Rotwein ist gut fürs | |
Herz“. Das funktioniert besonders dann, wenn man sich die Studie hinterm | |
Post nicht genauer durchliest. | |
Eine weitere Lebensentscheidung, die gesellschaftlich immer noch als | |
bedenklich eingestuft wird, ist es, spät Kinder zu bekommen: Folgen seien | |
oft gesundheitliche Risiken und Ursache Egoismus der Mutter. | |
Auch hierzu gibt es jetzt [1][die passende Studie]: Das Bundesinstitut für | |
Bevölkerungsforschung (BIB) hat herausgefunden, dass Kinder älterer Mütter | |
besser in Mathematik abschneiden und eine höhere Sozialkompetenz aufweisen. | |
Doch beim genaueren Hingucken zeigt sich, dass mehr dahintersteckt als eine | |
Feel-Good-Studie. Sie zeigt nämlich, wie sozioökonomische Faktoren die | |
Chancengleichheit beeinträchtigen und Frauen in ihrer Entscheidungsfreiheit | |
einschränken. | |
Es sind natürlich keine biologischen Faktoren, die die Kinder älterer | |
Mütter intelligenter machen. Ein höheres Alter der Mutter gehe oft mit | |
einem höheren Abschluss und mehr Berufserfahrung und somit auch einem | |
höheren Einkommen einher, heißt es in der Studie. So können | |
Akademikerkinder meist von klein auf stärker gefördert werden. Das | |
Ergebnis, dass Kinder älterer Mütter kognitiv besser abschneiden, ist dabei | |
nur ein Symptom eines komplexeren Problems. | |
## Bedürfnisse der Mutter beachten | |
Anstatt also den Teppich von hinten aufzurollen und sich auf die | |
Unterschiede zwischen Kindern zu konzentrieren, ist es jetzt wichtig, die | |
Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Mütter zu lenken. Die Frage, ob sie | |
Kinder will, stellt sich fast jede Frau spätestens, wenn Freund:innen und | |
Verwandte Kinder kriegen. Die Entscheidung ist dabei für potenzielle Mütter | |
sehr viel komplexer als für potenzielle Väter. Es ist eine Entscheidung | |
über Körper, Karriere, Finanzen und (Un-)Abhängigkeit. | |
Seit 1990 ist das [2][durchschnittliche Alter von Müttern] bei der Geburt | |
ihres ersten Kindes laut Statistischem Bundesamt von 24,5 Jahren auf 30,8 | |
Jahren gestiegen. Bei Müttern mit einem universitären Abschluss liegt der | |
Durchschnitt sogar bei 32,5. Laut BIB seien durch einen „Wertewandel“ die | |
persönlichen Freiheiten der Mütter relevanter und Kinderlosigkeit | |
akzeptierter geworden. Das erleichtere das Aufschieben der | |
Familiengründung. | |
Doch hier wird ein entscheidender Faktor ausgelassen: [3][Kinder sind | |
teuer]. So teuer wie noch nie. 2018 gaben Eltern laut Statistischem | |
Bundesamt im Schnitt 763 Euro im Monat für ein Kind aus, mittlerweile | |
dürften die Zahlen aufgrund der Inflation deutlich gestiegen sein. Im Jahr | |
2013, waren es noch 660 Euro. Zwischen steigender Lebenshaltungskosten und | |
nicht mitziehender Löhne können es sich Frauen häufig schlichtweg nicht | |
mehr leisten, früher Kinder zu bekommen, auch wenn sie es gerne wollen. | |
## Es muss eine individuelle Entscheidung bleiben | |
Hinzu kommt die immer noch schwerwiegende Unvereinbarkeit von Kind und | |
Karriere, die Mütter häufig abhängig von ihren Partner:innen macht. Es | |
ist also nicht verwunderlich, dass viele Frauen sich dafür entscheiden, | |
Kinder erst zu bekommen, wenn sie sich finanziell abgesichert fühlen. | |
Das Problem daran ist nicht, dass Frauen sich dazu entscheiden, später | |
Kinder zu kriegen. Es muss aber eben das bleiben – eine individuelle | |
Entscheidung. Die derzeitige wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage | |
nimmt ihnen diese de facto ab. | |
Die Studie des BIB kommt zu dem Schluss, dass eine Empfehlung, Kinder | |
später zu bekommen, nicht zielführend sei. Stattdessen sei es wichtig, | |
junge Mütter finanziell und gesellschaftlich besser zu unterstützen. Das | |
hat die Politik in den letzten Jahren massiv versäumt. Statt flexibleren | |
Arbeitszeiten, umfassenden Betreuungsmöglichkeiten und einer gerechten | |
Verteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern, [4][fehlt die | |
Familienstartzeit] und die [5][Kindergrundsicherung hängt in der Schwebe]. | |
Die Stärkung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe von | |
Frauen ist nicht nur für die Chancengleichheit von Kindern dringend | |
notwendig. Nur so können Rahmenbedingungen geschaffen werden, durch die | |
Frauen ihre Familienplanung selbstbestimmt und ohne wirtschaftlichen Druck | |
gestalten können. Und wer Frauen stärkt, stärkt auch ihre Kinder – und gibt | |
allen die Chance auf bessere Mathenoten. | |
11 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2024/2024-06-06-Kinder-von-a… | |
[2] /Erstgebaerende-in-Deutschland/!5852716 | |
[3] /Kinder-sind-teuer-und-machen-abhaengig/!5952774 | |
[4] /Freistellung-fuer-Partnerin-nach-Geburt/!6010704 | |
[5] /Kindergrundsicherung-droht-Aus/!6000112 | |
## AUTOREN | |
Emma Tries | |
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