# taz.de -- Friedensdebatte in der EU: Der Ukraine-Krieg als Existenzfrage | |
> Verteidigungspolitik dominiert den EU-Wahlkampf. Frankreichs Präsident | |
> Macron sieht sich als Friedensbringer, Zögern à la Scholz ist unter | |
> Druck. | |
Bild: Daumen hoch: Der französische Präsident, Emmanuel Macron, bei seinem St… | |
BERLIN taz | Es ist ein beispielloser Moment in der Geschichte Europas. So | |
formuliert es jeden Falls Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der zum | |
ersten französischen Staatsbesuch seit über 20 Jahren nach Deutschland | |
reiste. Das Projekt Europa steht also am berühmten Scheideweg? Es herrscht | |
Krieg mitten in Europa, mit Häuserkampf, Drohnenbeschuss und Tausenden | |
Toten in der Ukraine. | |
Der Krieg dominiert die Debatte – und der Begriff eines Friedens, der sich | |
neu erfinden muss. Und so wählt auch Macron markige Sätze: Europa wird | |
sterben, [1][sagte er am Montag in Dresden]. Ein Satz, den er bereits in | |
einer flammenden Rede an der Universität Sorbonne vor wenigen Wochen | |
aussprach. Und Europa wird leben, wenn es sich mit einer Stimme und klarer | |
Haltung für die Ukraine einsetzt. | |
[2][Konkret heißt das für Macron]: Waffenlieferungen, eine eindeutige | |
Abgrenzung vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, ein Bekenntnis zur | |
Ukraine als Teil Europas. Sogar einen Einsatz von Bodentruppen schließt | |
Macron nicht aus. Auch wenn seine Aussagen dazu recht wolkig ausfielen. Der | |
Aufschrei in anderen EU-Staaten, auch Deutschland, zu einem möglichen | |
Einsatz heimischer Soldat:innen, war ihm sicher bewusst – und damit gut | |
orchestriert. | |
Macrons Vision vom Weg zum Frieden ist mit Bomben und Artillerie | |
gepflastert. Auch die SPD, allen voran die EU-Kandidatin Katarina Barley | |
und Kanzler Olaf Scholz, setzt auf Frieden. Aber auf welchen genau? | |
„Frieden sichern. SPD wählen“, lautet der Slogan, mit dem die | |
Sozialdemokraten in den Wahlkampf ziehen. Nur wenige Tage nach Beginn der | |
russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 rief Scholz die | |
Zeitenwende aus. Nach einem holprigen Start ist Deutschland nach den USA | |
derzeit der zweitgrößte Waffenlieferant an das kriegsgeplagte Land. Für | |
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie | |
Verteidigungsexpert:innen von FDP und CDU sind die Lieferungen | |
jedoch nicht genug. | |
## Kanzler Scholz steht zu seinen „Neins“ | |
Derzeit ist es ruhig geworden [3][um den Marschflugkörper Taurus], der die | |
russischen Truppen abschrecken könnte, dem Kanzler aber genau das Quäntchen | |
zu viel an Schlagkraft hat. Scholz befürchtet, dass Deutschland dann als | |
Kriegspa[4][[Link auf | |
https://taz.de/Saechsischer-BSW-Chef-ueber-seine-Partei/!6011252&s=BSW/]] | |
rtei betrachtet wird. Auch beim Einsatz westlicher Waffen an der Grenze | |
zwischen Russland und der [5][Ukraine oder gar auf russischem Territorium] | |
hält der SPD-Mann an seinem Nein fest. Innerhalb der EU-Staaten gehen die | |
Meinungen auseinander. Die baltischen Länder, die Nordstaaten, aber auch | |
Frankreich, würden der Aufforderung von Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg folgen. Scholz nicht. | |
Mit der Friedenskampagne der SPD zur Europawahl bedienen Scholz und Co. die | |
Sorgen in der deutschen Bevölkerung. Umfragen zufolge haben bis zu 60 | |
Prozent Angst davor, dass Russland auch andere Staaten in Europa angreifen | |
könnte, dass Deutschland als Kriegspartei betrachtet wird, dass russischer | |
Einfluss zunehmen könnte. Kriege enden in der Regel durch Verhandlungen. | |
Die Frage ist nur, in welcher Position die Kriegsparteien am | |
Verhandlungstisch sitzen. | |
Auf Augenhöhe? Als Bittsteller? Kriegsmüde oder vor Waffenkraft strotzend? | |
Das Narrativ des Kriegstreibers Deutschland befeuern auch extreme Kräfte an | |
den Rändern. Die AfD und das BSW an vorderster Front. Das Bündnis Sahra | |
Wagenknecht bezieht sich gar auf die Entspannungspolitik Willy Brandts. | |
Die Scholz’sche Zögerlichkeit wird derweil von bilateralen Vereinbarungen | |
mit der Ukraine und Vorstößen auf EU-Ebene mächtig unter Druck gesetzt. | |
Belgien hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugesagt, bis | |
Jahresende die ersten von 30 F-16-Kampfjets zu schicken. Auch die | |
Niederlande und Dänemark sind bei der Kampfjet-Koalition dabei. Der | |
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drängte bei einem Treffen der | |
EU-Verteidigungsminister darauf, dass die Ukraine westliche Waffen auch | |
gegen Ziele in Russland einsetzen darf und hält so die politische Debatte | |
am Laufen. Der russische Präsident Putin drohte nach diesem Appell am | |
Dienstag mit „ernsthaften Konsequenzen“. | |
Während der Kanzler noch mit dem Friedensnarrativ spielt, agiert der | |
französische Freund Macron als Feldherr der EU. Und er bekommt für seine | |
Bemühungen den Westfälischen Friedenspreis überreicht – als Dank für eine | |
gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Bundespräsident Frank-Walter | |
Steinmeier pries in seiner Laudation auf Macron dessen Weitsicht und Verve | |
sowie die Gabe, auf Deutschland zuzugehen und „uns aus der Reserve zu | |
locken“. Gemeint ist wohl auch in Sachen Friedenspolitik. | |
28 May 2024 | |
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[1] /Reaktion-auf-Macron-Auftritt-in-Dresden/!6012907 | |
[2] /Macron-in-Deutschland/!6012891 | |
[3] /Waffenlieferungen-an-die-Ukraine/!6003488 | |
[4] /Saechsischer-BSW-Chef-ueber-seine-Partei/!6011252 | |
[5] /Russlands-Bomben-auf-die-Ukraine/!6010073 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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