Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Urteil gegen Donald Trump: Der Schuldige
> Zum ersten Mal wurde ein Ex-Präsident der USA als Straftäter verurteilt.
> Trumps Anhänger und seine Partei attackieren die Säulen des Rechtsstaats.
Bild: Ex-Präsident Donald Trump vor dem New Yorker Gericht
Berlin taz | Auch wenn auf den Straßen von New York linksliberale
US-Amerikaner*innen lautstark feierten: Der Tag, an dem Donald Trump von
einer Geschworenen-Jury wegen Dokumentenfälschung im Zusammenhang mit der
Schweigegeldzahlung an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels in 34
Fällen schuldig gesprochen wurde, ist kein guter Tag für die USA.
Zum ersten Mal ist ein ehemaliger US-Präsident in einem Strafverfahren
schuldig gesprochen worden. Zum ersten Mal wird im Juli ein verurteilter
Straftäter von einer der zwei großen US-amerikanischen Parteien zum
Präsidentschaftskandidaten gekürt. Zum ersten Mal wird im November ein
verurteilter Straftäter aussichtsreich auf den Wahlzetteln stehen, der zu
dem Zeitpunkt womöglich nur deshalb nicht im Gefängnis sitzt, weil er gegen
das Urteil in Berufung gegangen ist.
Zum ersten Mal könnte also am 20. Januar 2025 ein verurteilter Straftäter
als neuer Präsident der USA vereidigt werden. Und zum ersten Mal könnte
noch am selben Tag ein verurteilter Straftäter als Präsident das
Justizministerium anweisen, weitere Verfahren gegen sich selbst
einzustellen.
Nun ist es durchaus im Sinne des Resozialisierungsgedankens, auch
verurteilten Straftätern die Möglichkeit zu geben, ins normale Leben
zurückzufinden. Voraussetzungen sind Einsicht, Reue und die größtmögliche
Wahrscheinlichkeit, dass die Person keine weiteren Straftaten begehen wird.
Auch eine Partei könnte jemandem ein früheres Fehlverhalten samt Vorstrafe
durchaus nachsehen.
## Keine Spur von Resozialisierungsgedanken
Aber mit all diesen Gedanken haben Donald Trump und die US-Republikaner
überhaupt nichts zu tun. Dass Trump in Berufung geht, sobald am 11. Juli
ein Strafmaß verkündet worden sein wird, ist sein gutes Recht. Es gehört zu
Strafprozessen dazu, die Beweiswürdigung der einen Instanz durch die
nächste überprüfen zu lassen.
Aber Trump selbst, ein Großteil des republikanischen Führungspersonals und
die mit ihnen alliierten Rechtsaußenmedien machen ja etwas ganz Anderes:
„POLITISCHER GEFANGENER“, schrieb Trump nach dem Urteil auf seiner eigenen
Medienplattform Truth Social. Rechtsaußen-Moderator Tucker Carlson schrieb,
wer dieses Urteil verteidige, bringe US-Amerikaner und ihre Familien in
Gefahr. Und Laura Ingraham, Star-Kommentatorin beim rechten Sender Fox
News, meinte nach der Urteilsverkündung: „Werden wir also einen
Präzedenzfall etablieren, in dem ein Präsident seinen politischen Gegner
ins Gefängnis werfen kann? Wenn sie das jetzt tun können, dann wird das,
das verspreche ich Ihnen, das neue Normal werden. Die Demokraten zeigen
Ihnen, was wirkliche Macht bedeutet. Es ist die Art von Macht, die wir
normalerweise von Diktatoren in China und Kuba und Nordkorea erleben.“
19 Zeugen, viele Prozesstage, tausende Akten, eine für die Geschworenen
offenbar eindeutige Beweislage, ein New Yorker Bezirksgericht ohne jede
Involvierung der Biden-Regierung oder des Justizministeriums und ein
Urteil, das Trump noch nicht einmal dann von der Kandidatur ausschließen
würde, wenn er tatsächlich im November im Gefängnis säße – und trotzdem
führen die Republikaner einen Diskurs, als gelte es, die Demokratie gegen
eine politische Justiz zu verteidigen.
## „Historische“ Urteilsverkündung
Es ist wohl genau das, was die Urteilsverkündung tatsächlich „historisch“
macht: Eine der zwei staatstragenden Parteien greift auch die letzte Säule
der demokratischen Institutionalität an. [1][Medien]: fake. [2][Wahlen]:
gefälscht. Und jetzt Gerichte: korrupt. Da bleibt von einem demokratischen
Gemeinwesen nicht mehr viel übrig.
[3][Die US-Republikaner*innen und die mit ihnen alliierten
Propagandamedien], aber auch ihre Pendants in europäischen
Rechtsaußen-Parteien zeigen eine beängstigend erfolgreiche Fähigkeit,
Realität rhetorisch in ihr Gegenteil zu verkehren. Was von außen vollkommen
irrsinnig erscheint, ergibt innerhalb eines geschlossenen Weltbilds
allerdings ausgesprochen viel Sinn.
Nur hat dieses Weltbild mit den Grundfesten dessen, was Demokratie
ausmacht, nichts mehr zu tun. Meinungskonkurrenz und Ringen ums bessere
Argument und um Mehrheiten in den Parlamenten, Verständnis von Fakten,
Anerkennen von Rechtsstaatlichkeit für alle, Akzeptieren von
Wahlergebnissen – von all dem haben sich die Trump-Republikaner und
ihresgleichen verabschiedet. Anlässlich der Verurteilung Donald Trumps
schalten sie endgültig auf Frontalangriff.
## Öffentlichkeit vor allem an Wahlauswirkungen interessiert
An all das aber scheint sich die US-amerikanische Öffentlichkeit schon
vollkommen gewöhnt zu haben. So fragen die meisten Kommentare und Analysen
vor allem danach, wie sich das Urteil auf Donald Trumps Wahlchancen
auswirken könnte – und kommen dabei noch nicht einmal zu klaren Analysen.
Werden die wenigen Prozente der republikanischen Wähler*innen, die sich
womöglich aufgrund der Verurteilung doch von Trump abwenden, ausreichen, um
Joe Biden eine Wiederwahl zu ermöglichen? Mal sehen.
Aber ist das wirklich die wichtigste Frage? Denn entgegen dem, was Rechte
wie Laura Ingraham erzählen: Angesichts der Beweislast war es nicht
politische Justiz, dieses Verfahren zu führen, sondern es wäre politisch
motiviert gewesen, es nicht zu führen.
31 May 2024
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-den-USA/!5880420
[2] /Politologe-ueber-US-Demokratie/!6008687
[3] /Musk-und-Trump-auf-Twitter/!5850254
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Stormy Daniels
US-Wahl 2024
USA
New York
Donald Trump
Social-Auswahl
US-Justiz
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
US-Wahl 2024
US-Wahl 2024
US-Wahl 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Trumps Dokumentenaffäre: Verfahren gegen Trump eingestellt
Eine Bezirksrichterin beendet das Verfahren gegen Trump, bei dem sein
Umgang mit geheimen Dokumenten beleuchtet werden sollte.
Urteil gegen Donald Trump: Sie stehen hinter ihm
Als erster früherer US-Präsident wird Donald Trump in einem Strafverfahren
schuldig gesprochen. Die Parteispitze unterstützt ihn dennoch geschlossen.
Donald Trump verurteilt: Lauter Jubel in New York
Nach dem Urteil sind in New York Jubelschreie zu hören. Doch die zweite
Reaktion ist Ernüchterung. Ändern werde sich wenig, meinen viele.
Schlussplädoyers im Trump-Prozess: Trump – schuldig oder verleumdet?
Im Schweigegeldprozess gegen den Ex-Präsidenten beraten jetzt die
Geschworenen. Anklage und Verteidigung entwerfen grundverschiedene
Versionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.