# taz.de -- LSVD-Sprecher*in zu Queerfeindlichkeit: „Unser Appell ist, wähle… | |
> Am Freitag ist der Internationale Tag gegen Queerfeindlichkeit. Kerstin | |
> Thost erklärt sich die Zunahme von Angriffen durch das politische Klima. | |
Bild: Abstimmen mit den Füßen und dem Wahlzettel | |
taz: Kerstin Thost, eine kürzlich veröffentlichte [1][Umfrage der | |
EU-Agentur für Grundrechte] zeigt, dass Gewalt, Diskriminierung und Mobbing | |
von queeren Menschen innerhalb der EU angestiegen sind. Was sind die | |
Hauptursachen dafür? | |
Kerstin Thost: Queerfeindliche Narrative sind in der Gesellschaft immer | |
noch so stark vorhanden, dass sie von rechten Politiker:innen leicht | |
aufgegriffen werden können. Das führt zu einer massiven Zunahme an Hass im | |
Netz, aber auch im Alltag queerer Menschen. Wir stellen da einen | |
Zusammenhang zu einem anti-queeren Klima fest. Aus Worten werden Taten und | |
deshalb sehen wir die Zunahme von queerfeindlichen Narrativen, aber auch | |
den derzeitigen EU-Wahlkampf – der vor allem in unseren Nachbarländern auf | |
den Rücken queerer Menschen ausgetragen wird – als direkte Ursache für die | |
gestiegenen Diskriminierungsraten. | |
Deutschland schneidet in dieser Umfrage schlechter ab als viele andere | |
EU-Staaten. Woran liegt das? | |
Die genaue Ursache ist nicht eindeutig festzustellen. Einerseits konnten | |
wir in den letzten Jahren sehr gute queerpolitische Fortschritte erzielen. | |
Andererseits fehlen andere Schritte wie die Reform des Abstammungsrechts | |
zur rechtlichen Gleichstellung immer noch. Die Akzeptanz für | |
LSBTIQ-Menschen ist nach der Verabschiedung der Ehe für Alle deutlich | |
gestiegen. Immer mehr Leute in Deutschland, das zeigen auch Zahlen aus dem | |
letzten Jahr, sehen queere Lebensrealitäten als selbstverständlichen Teil | |
unserer Gesellschaft an. Gleichzeitig gibt es aber auch eine massive | |
Gegenreaktion, die sich vor allem am Beispiel von trans-, | |
intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen medial und | |
gesellschaftlich hochschaukelt. Politiker:innen müssen eine starke | |
Brandmauer bilden – die Grenze des Sagbaren darf sich nicht weiter | |
verschieben. | |
Kann der Anstieg zum Teil auch durch eine erhöhte Sensibilität in der | |
Bevölkerung erklärt werden? | |
Wir gehen davon aus, dass die Umfragewerte und die jährlich steigenden | |
Zahlen zu politisch motivierter Hasskriminalität zum Teil von einem | |
gestiegenen Bewusstsein für Queerfeindlichkeit kommen. Wir sehen aber auch, | |
dass das gesellschaftliche Klima sich gegen queere Menschen verhärtet und | |
diese zwei Dinge sich nicht wirklich voneinander trennen lassen. Es gibt | |
queerfeindliche Diskriminierung und dagegen muss vorgegangen werden, | |
besonders, wenn sie steigt. | |
Was sind Versäumnisse der Politik? | |
In Deutschland gab es in den letzten Jahren zum Glück einige rechtliche | |
Fortschritte, wie zum Beispiel das [2][Selbstbestimmungsgesetz]. Die | |
Bundesregierung muss aber noch mehr Geld in die Hand nehmen, um für die | |
Aufklärung über gelebte Vielfalt zu sorgen. Wir fordern auch, dass im | |
Grundgesetz queere Menschen explizit von Diskriminierung ausgeschlossen | |
werden. Sodass, für den Fall einer rechteren, queerfeindlicheren Regierung, | |
unsere bestehenden und bis dahin erkämpften Rechte geschützt sind. | |
Wo finden queere Menschen, die Opfer von Hasskriminalität und Gewalt | |
geworden sind, Hilfe und Beratung? | |
Bundesweit gibt es dafür unterschiedliche Angebote. Beispielsweise gibt es | |
in Bayern die Fachstelle „Strong!“, bei der man unter anderem | |
Queerfeindlichkeit melden oder Beratung finden kann. In Berlin gibt es das | |
Anti-Queere-Gewaltprojekt [3][„Maneo“]. Hier kann man sich beispielsweise | |
auch bei der Anzeige eines Übergriffs beraten lassen. Leider kommt es bei | |
Hilfsangeboten aktuell sehr darauf an, wo man sich befindet, da die | |
Finanzierung fehlt. | |
Am Freitag ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und | |
Transphobie. Was können andere Menschen tun, um queere Menschen zu | |
unterstützen? | |
Sich mit queeren Lebensrealitäten auseinandersetzen, queere Filme anschauen | |
und Bücher lesen und im persönlichen Umfeld aufklären. Aber unser | |
wichtigster Appell ist, am 9. Juni bei der Europawahl wählen zu gehen. | |
Zusätzlich stehen auch einige Kommunal- und Landtagswahlen an und wir | |
hoffen, dass sich möglichst viele Menschen dafür entscheiden, nur solche | |
Parteien zu wählen, die unsere Demokratie und explizit queere Menschen | |
schützen wollen. | |
17 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://fra.europa.eu/en/news/2024/harassment-and-violence-against-lgbtiq-p… | |
[2] /Bundestag-beschliesst-Gesetz/!6004179 | |
[3] /Homo--und-Transphobie-in-Berlin/!5952833 | |
## AUTOREN | |
Emma Tries | |
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Kai Wegner | |
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