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# taz.de -- „Gefährliche Liebschaften“ im Theater: Am schweren Daunenbett …
> Caroline Peters spöttelt, Martin Wuttke wütet: Für das Hamburger
> Theaterfestival überarbeitete John von Düffel die „Gefährlichen
> Liebschaften“.
Bild: Caroline Peters und Martin Wuttke beim Schlussapplaus nach der Aufführun…
176 Briefe vor gut 240 Jahren – darin schließen die Marquise de Merteuil
und der Vicomte de Valmont – zum eigenen Amüsement – eine Wette ab: Sie
planen die Verführung von Cécile de Volanges, eines naiven jungen
Mädchens, und die von Madame de Tourvel, einer tugendhaften und
verheirateten Frau. Der Plan scheint perfekt. Und ist doch für die beiden
gegeneinander Wettenden gefährlich. Zumindest, was ihre eigenen Gefühle
betrifft. „Gefährliche Liebschaften“ heißt der vermutlich bekannteste
Briefroman der Weltliteratur. Geschrieben hat ihn Pierre-Ambroise-François
Choderlos de Laclos, erschienen ist er am 23. März 1782. [1][Vielfach wurde
er für Leinwand] und Bühne adaptiert. Für das Hamburger St. Pauli Theater
hat ihn nun Jan Bosse inszeniert.
Der Abend ist eine Koproduktion mit dem [2][Wiener Burgtheater] und
zugleich die Eröffnung des Hamburger Theaterfestivals. Das wird auch in
seinem 16. Jahr „von privaten Förderern“ finanziert. Deren
„bürgerschaftliches Engagement voller euphorischer Entschiedenheit“ lobt
Nikolaus Besch, der Initiator des Hamburger Theaterfestivals. Dass Besch in
seiner Dankesrede nicht gendert, ist vermutlich Absicht. Schließlich heißt
es ja auch der Pfeffersack. Die Inszenierungen zeigen allesamt großes
Schauspieler*innentheater: Katharina Bach, Franziska Machens, Julia
Windischbauer, Wiebke Puls, Ulrich Matthes oder Lars Eidinger sind in den
kommenden Wochen in Hamburg zu sehen.
In „Gefährliche Liebschaften“ liefern sich Caroline Peters und Martin
Wuttke ein Briefduell. Wenn auch in einer als solches angekündigten
szenischen Lesung. Die beiden spielen also mit einen Stapel Papier in der
Hand und nehmen sich dabei die ein oder andere darstellerische Freiheit. In
ausladenden barocken Kostümen (Tabea Braun) umkreisen sie ein rotes
Barocksofa, knien mal voreinander, raunen ins Mikrofon oder einander ins
Ohr.
Caroline Peters spöttelt, Martin Wuttke wütet, sie umtänzeln einander,
verbergen ihre Gefühle voreinander und versichern sich in regelmäßigen
Abständen: „Spielen ist unsere Bestimmung.“ Natürlich ist es grundsätzli…
ein Vergnügen, diese beiden großen Darsteller*innen auf der Bühne zu
erleben, in ihren Beinahe-Rollen voll perfider Strategie, gekränkter Liebe
und aufjaulender Eifersucht.
## Die „leckere Tochter“
Die Irritation entsteht woanders: Für die Bühnenfassung zeichnet der Autor
John von Düffel verantwortlich, eine Fassung, die nur Spuren von Gegenwart
aufweist. „Oh mein Gott“, lässt von Düffel die Marquise de Merteuil
manchmal ausrufen, während Cécile de Volanges zur „leckeren Tochter“ wird.
Die Form, die Briefe, die Anreden bleiben 18. Jahrhundert. Die Fassung
wirkt so, als wären von Düffel beim zaghaften Versuch, ein altes schweres
Daunenfederbett aufzuschütteln, schnell die Arme schwer geworden.
Und als habe er bald festgestellt, dass der Ikea-Bettbezug nicht wirklich
drüber passt über die Übergröße des Briefromans. Eines Romans, der die
Sittenlosigkeit des französischen Adels am Vorabend der Französischen
Revolution beschreibt, der auch von „Eroberung“ und von „Fesseln, die von
Männer festgezurrt werden“, erzählt und explizit von einer Vergewaltigung.
Schließlich unterdrückt der Vicomte de Valmont, wie er nicht ohne Stolz
berichtet, jede Gegenwehr der 15-jährigen Cécile de Volanges gewaltvoll.
Und freut sich tags drauf beim Frühstück, dass deren „rundes Gesichtchen“
nun „ganz schmal geworden ist“.
Mit seinem Text wollte Choderlos de Laclos warnen: „Mindestens erscheint es
mir als [3][Dienst an der Sittlichkeit], wenn man die Mittel enthüllt,
derer sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben.“ Dass
John von Düffel die Mittel der Gegenwartsdramatik, die der Überschreibung
und Distanznahme, so gar nicht genutzt hat, ist ein Versäumnis.
27 May 2024
## LINKS
[1] /Serie-Gefaehrliche-Liebschaften/!5890343
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[3] /Zum-250-Geburtstag-von-Hegel/!5703321
## AUTOREN
Katrin Ullmann
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