# taz.de -- Fred Frith im Konzert: Gut gebürstete Gitarrensaiten | |
> Er kennt die Freuden der Geräuschmusik, mit einem Hang zur verschmitzten | |
> Melodie. Fred Frith präsentierte sich gewohnt spieltriebig in Berlin. | |
Bild: Macht Geräusche, macht Musik: Fred Frith beim experimentellen Spiel | |
Wie es war? Natürlich ausverkauft. Vor dem Eingang bildete sich ein lange | |
Schlange mit Wartenden, manche hofften, trotzdem noch eine Karte für das | |
Konzert zu bekommen, schließlich war hier der Auftritt eines echten Stars | |
angekündigt … | |
Ja, genau so war das am Donnerstag im Berliner Exploratorium, dessen Saal | |
nun aber zugegebenermaßen eher bescheiden klein ist. Mit 150 Leuten ist die | |
Hütte voll. Und das mit dem Star ist halt auch relativ. Fred Frith? Kennt | |
man, wenn man sich ein wenig für Avantgarderock, für frei improvisierte | |
Musik und überhaupt alle Seltsamkeiten zwischen Metapunk und Kunstmusik | |
interessiert. Seit den 70er Jahren ist Fred Frith in diesen Welten | |
unterwegs, er war an den Aufnahmen von mehreren Hundert Alben beteiligt. | |
Und er war noch nie in irgendeiner Hitparade vertreten. [1][Taylor Swift] | |
verkauft wahrscheinlich an einem Nachmittag mehr Platten als Fred Frith in | |
Jahren. | |
In einer besseren, musikalisch gerechteren Welt, sagen Fans, müsste der | |
britische Musiker aber statt in so kleinen Sälen in den größten Hallen | |
spielen. Und eigentlich macht es der Mann einem auch gar nicht schwer, Fan | |
zu werden, weil er, egal, was er gerade für eine Musik macht, immer für | |
eine verschmitzte Melodie gut ist. Ich jedenfalls habe mich noch nie | |
während eines Fred-Frith-Konzerts gelangweilt. | |
Bei einem Konzert in einer wirklich großen Halle aber wären die Menschen | |
wohl doch etwas überrascht, wenn der Mann plötzlich mit einer Kleiderbürste | |
über die Saiten seiner elektrischen Gitarre knispelt. Das Publikum im | |
Exploratorium war das nicht. Weil, deswegen ist es ja in diesen „[2][Raum | |
für Improvisation]“, der sich das Gastspiel zu seinem 20-jährigen Bestehen | |
schenkte, gekommen. Um zu hören, dass man Gitarre auch mit Blechdosen, | |
Pinseln und sonstigem Gerät bespielen kann. | |
## Die Generationen im Gespräch | |
Hier saß also der frei improvisierende Musiker Fred Frith bei der Arbeit, | |
und bei der Improvisationsmusik klappt das mit der steten Runderneuerung | |
schon deswegen ziemlich gut, weil a) der improvisatorische Ansatz nicht | |
altert und b) ein Krkboing halt immer ein Krkboing bleibt, abseits von | |
Moden stehend, dass darüber auch gut die Generationen miteinander ins | |
Gespräch kommen können. | |
Bei seinem Berliner Konzert saßen dem mittlerweile 75-jährigen Fred Frith | |
so die aus New York kommende Violonistin Gabby Fluke-Mogul (Jahrgang 1999) | |
und die brasilianische, in Berlin lebende Schlagzeugerin Mariá Portugal | |
(Jahrgang 1984) zur Seite. | |
Behutsam kullerten sich die drei die Töne zu, die Geige quietschte, die | |
Gitarre jaulte, luftig federnd brachte Mariá Portugal mit knappen Schlägen | |
das in einen Groove, alles fand sich zusammen, Intensität, Tempo, die Musik | |
rockte. Eine Zeit lang gönnten sich die drei ihren gerade gefundenen Spaß, | |
um ihn doch wieder versacken zu lassen. Zurück in den Suchmodus. Neuanfang. | |
Einzelne Töne tupften in die Stille, wieder hieß es Verabredungen treffen. | |
Zartes Rascheln, Knarzen, Klopfen. Plötzlich leuchtete zwischen den | |
Geräuschen eine Schönheit auf mit sehnsuchtsvollen Klängen. Momente, aus | |
denen man melodisch jubilierende, beschwingte Lieder hätte schnitzen | |
können. | |
Doch erneut. Abbruch. Die Momente versackten. Und das ist natürlich die | |
Logik des Kinderzimmers, wo man ja weiß, dass das einfach dazugehört, dass | |
man das, was man gerade so schön gebaut hat, zum Einstürzen bringt. Dass | |
sich nichts verfestigt. Dass immer neu der Augenblick gesucht wird. | |
Das Spieltriebige, die Freude am Geräusch, die stete Suche nach den | |
Momenten. Wobei so ein gewiefter Musiker wie Fred Frith das jetzt auch | |
schon einige Jahrzehnte macht und dabei ein Repertoire an Möglichkeiten | |
erarbeitet hat. Langweilig ist ihm dabei augenscheinlich nicht geworden. Er | |
wirkte, den Kopf teddybärenhaft zwischen die Schultern gezogen, sehr | |
zufrieden in seiner Musik. | |
Am Schluss rundum jubelnde Begeisterung im Exploratorium. So war das. | |
Der Sound, wenn dann die Bürste über die Saiten knispelt: Das ist echt ein | |
Ereignis. | |
24 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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