# taz.de -- Rechtsextremer Verlag „Der Schelm“: Die Wegbereiter des Hasses | |
> Der „Schelm“-Versand verbreitet rechtsextreme Bücher. Nun wurden drei | |
> Angeklagte dafür verurteilt. Der Hauptbetreiber aber macht weiter. | |
Bild: Früher für die NPD im Leipziger Stadtrat, nun wegen des rechtsextremen … | |
DRESDEN taz | Richter Hans Schlüter-Staats zitiert direkt aus dem Buch | |
„Hart wie Kruppstahl“, ein rechtsextremes Hetzwerk aus den Sechzigern. Vom | |
Ziel einer „restlosen Säuberung der gesamten arischen Menschheit“ sei dort | |
die Rede. Von „unüberbrückbaren“ Differenzen zu Juden, unterzeichnet mit | |
„Heil Hitler“. Es seien solche Sätze, die auch heute Hass anstachelten, | |
warnt Schlüter-Staats. „Diesen Worten folgen leider auch Taten.“ Und das | |
Buch sei nur eines von tausenden, die [1][beim rechtsextremen Versand „Der | |
Schelm]“ verkauft worden seien. | |
Am Montag verurteilte der Strafsenat von Schlüter-Staats am | |
Oberlandesgericht Dresden deshalb drei Angeklagte zu Freiheitsstrafen: | |
Enrico Böhm, Matthias B., Annemarie K. Alle waren einst in der NPD aktiv, | |
Böhm auch als Leipziger Stadtrat. Sie hätten mit dem vor Jahren [2][nach | |
Russland ausgewanderten Hauptverantwortlichen Adrian Preißinger] den | |
„Schelm“-Versand betrieben und damit eine kriminelle Vereinigung gebildet | |
und Volksverhetzungen begangen. | |
Der vielfach vorbestrafte Böhm erhält dafür zwei Jahre und sechs Monate | |
Haft, seine frühere Lebensgefährtin Annemarie K. ein Jahr und sechs Monate | |
auf Bewährung. Ebenfalls eine Bewährungsstrafe bekommt Matthias B.: ein | |
Jahr und zehn Monate. [3][Er hatte im Prozess umfassend ausgepackt] und | |
befindet sich inzwischen in einem Aussteigerprogramm. | |
Die Bücher, um die es geht, [4][verschickt der rechtsextreme | |
„Schelm“-Versand teils bis heute]: Hitlers „Mein Kampf“, antisemitische | |
Schriften wie die „Jüdische Weltpest“, oder „White Power“-Werke mit | |
Hakenkreuz. Versandt werden die Bücher aus dem Ausland, nach eigener | |
Auskunft über eine „umwegige Lieferkette“. Preißinger, ein gebürtiger Ba… | |
und langjähriger Leipziger, 60 Jahre alt, koordiniert dies aus Russland. | |
## „Wie ein kleiner Amazonversand“ | |
Seit Mitte März standen nun Enrico B., Matthias B. und Annemarie K. in | |
Dresden vor Gericht. Die Anklage führte die Bundesanwaltschaft, die bis zu | |
zwei Jahre und acht Monate Haft gefordert hatte. Das Gericht folgt dem nun | |
weitgehend. | |
Richter Schlüter-Staats betont, dass alle Angeklagten eine rechtsextreme | |
Gesinnung geteilt hätten, Preißinger nennt er einen „glühenden | |
Antisemiten“. Allen sei klar gewesen, was für Bücher sie da vertrieben. Und | |
sie hätten das höchst professionell organisiert. Eine Lagerhalle im | |
sächsischen Bad Lausick sei mit Technik wie Etikettendruckern ausgestattet | |
gewesen, „wie ein kleiner Amazonversand“. Es habe ein | |
Warenwirtschaftssystem gegeben und ein Festgehalt für Matthias B. Und das | |
Team habe sich auch durch eine erste Razzia oder journalistischen | |
Recherchen nicht stoppen lassen. | |
Allein seit Frühjahr 2019 soll der „Schelm“-Verlag mehr als 445.000 Euro | |
mit dem Verkauf von rund 46.000 rechtsextremen Büchern eingenommen haben, | |
mehr als 30.000 davon mit volksverhetzenden Inhalten. Die Gewinnmarge war | |
dabei laut Schlüter-Staats groß: Der Nachdruck und Versand von Hitlers | |
„Mein Kampf“ etwa habe 3,77 Euro gekostet – verkauft worden sei das Buch | |
für 30 Euro. | |
„Antisemitische Hass- und Hetzschriften“, nennt Schlüter-Staats die | |
verschickten Bücher. Und er unterstreicht, dass sie „den Nährboden für | |
furchtbare Gewalttaten bereiten, nicht nur in der Zeit des | |
Nationalsozialismus, sondern auch heute“. Der Richter verweist auf den | |
antisemitischen und rassistischen Attentäter von Halle, „eines der | |
schrecklichsten Beispiele in der jüngsten Zeit“. Und die Bücher seien auch | |
keine wissenschaftlichen Quelltexte gewesen, sondern hätten durch ihre | |
Vorworte, oft von Preißinger selbst verfasst, klargemacht, worum es gehe: | |
„Eine nicht mal grob verklausulierte Bewerbung dieser Inhalte“. | |
## Alle Angeklagten hatten gestanden | |
Die Verurteilten verfolgen die Worte regungslos, blicken starr in den Saal | |
– die Strafhöhen kamen erwartet. Im Prozess hatten alle drei Angeklagten | |
die Vorwürfe eingeräumt, die Hauptschuld aber auf Preißinger abgeschoben. | |
Vor allem Matthias B. hatte umfassend gestanden. Er sei damals für das | |
Setzen der Bücher verantwortlich gewesen, habe die IT betreut und mit | |
Preißinger über Skype Kontakt gehalten. Die Bücher seien in Ungarn gedruckt | |
worden, die Bezahlung über spanische Konten gelaufen. Verkaufsschlager sei | |
„Mein Kampf“ gewesen. Ermittlern hatte Matthias B. zudem Daten des Versands | |
übermittelt und auch Namen weiterer Beteiligter. | |
Auch Enrico Böhm und Annemarie K. hatten eingeräumt, dass sie an der | |
Lagerung und dem Versand der Bücher beteiligt waren – dies seien aber nur | |
„Freundschaftsdienste“ für Preißinger gewesen. Mit diesen soll Böhm | |
allerdings 42.561 Euro verdient haben, Annemarie K. mindestens 5.200 Euro | |
und Matthias B. 41.223 Euro – Summen, die sie nun komplett an den Staat | |
zurückzahlen müssen. | |
Bei den verhängten Strafen verweist Richter Schlüter-Staats bei Böhm und | |
Annemarie K. auf deren „erhebliche Vorstrafen“. Gerade der frühere | |
NPD-Stadtrat war immer wieder mit Geld- und Bewährungsstrafen | |
davongekommen, habe sich davon „nicht beeindrucken lassen“, betont | |
Schlüter-Staats. Nun muss Böhm in Haft, wenn das Urteil rechtskräftig ist. | |
Die anderen beiden Verurteilten kommen mit Bewährungsstrafen davon. | |
Schlüter-Staats lobt vor allem die Aufklärungshilfe von Matthias B., auch | |
sein Szeneausstieg sei „glaubhaft“. | |
Der Versand der rechtsextremen Bücher durch den „Schelm“ geht dagegen | |
weiter. Das LKA Sachsen beteuerte zuletzt, dass durchaus [5][weiter wegen | |
des Fortbetriebs des „Schelm“-Versands“ ermittelt werde]. Bisher sei eine | |
Festnahme von Preißinger aber nicht möglich gewesen, so eine Sprecherin. | |
Gleiches gelte für Versuche, die Webseite offline zu nehmen, da die Server | |
im Ausland stünden. | |
Preißinger selbst kommentierte den Prozess zuletzt aus der Ferne, ätzte | |
über die deutsche „Hurenjustiz von Judäas Gnaden“ – und bedrohte Richter | |
Schlüter-Staats. Dessen Namen werde man sich merken, heißt es in einer Mail | |
des „Schelm“-Verlags. In Plötzensee hingen „noch ein paar ungebrauchte | |
Fleischerhaken“. In dem Berliner Gefängnis richtete das NS-Regime hunderte | |
Menschen hin. | |
29 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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