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# taz.de -- Überarbeitet und unterbezahlt: Pflege bloß nicht ausbrennen lassen
> Zum Tag der Pflege am 12. Mai gibt es einiges zu bemängeln:
> Versicherungen sind faktisch pleite, es gibt Personalmangel und zu
> niedrige Löhne.
Bild: Der 12. Mai ist der internationaler Tag der Pflege
Es ist kaum ein halbes Jahr her, da [1][versprach Gesundheitsminister Karl
Lauterbach einen „Neustart“ in der Pflege]. Im ambulanten Bereich sieht es
gerade so aus, als könnte das regional auch heißen: alles zurück auf Null.
Seit Anfang diesen Jahres, berichtet David Kröll vom BIVA-Pflegeschutzbund
dem epd, beobachte man „ganz massiv, dass ambulante Pflegedienste den
Pflegevertrag kündigen und die Versorgung kurzfristig einstellen.“
Die Gründe dafür sind einerseits der Personalmangel und andererseits die
gestiegenen Personalkosten. Da es keinen gesetzlichen Anspruch gegenüber
Pflegediensten gibt, versorgt zu werden, können sich die Dienste aussuchen,
welche Patient*innen sich lohnen. Die marktradikalen Liberalisierungen
Ende der 90er, die Lauterbach mit zu verantworten hat, kommen jetzt voll
zum Tragen.
Diese vorläufige Krise ist vermutlich nur ein Vorbeben. Der
BKK-Dachverband, ein Zusammenschluss betrieblicher Krankenkassen, hat
[2][in einem Thesenpapier] festgestellt, dass die Soziale
Pflegeversicherung Ende des Jahres faktisch pleite sei – und das obwohl die
Auswirkungen des demografischen Wandels sich erst in den kommenden Jahren
bemerkbar machen werden.
## Ein großes Armutsrisiko
Die BKK sind nicht allein mit ihrer Einschätzung, auch [3][AWO-Präsidentin
Kathrin Sonnenholzner sagte] anlässlich der vorstellungs des
DAK-Pflegereports: „Die Probleme werden kosmetisch und kurzsichtig
angegangen und es wird billigend in Kauf genommen, dass letztlich die
pflegebedürftigen Menschen mit ihrem Hilfebedarf allein gelassen werden.
Pflegebedürftigkeit wird für immer mehr Menschen zum Armutsrisiko.“ Die
Liste der Mahner*innen ließe sich beliebig fortsetzen.
Karl Lauterbach hatte, als er vom Neustart in der Pflege sprach, das Bohren
dicker Bretter versprochen. Vermutlich wird er zum internationalen Tag der
Pflege am 12. Mai auf sein Pflegestärkungsgesetz verweisen, das Fachkräften
mehr Kompetenzen einräumt und insgesamt die Position der Pflege stärkt. Das
Gesetz ist gut, aber es ist zu wenig und kommt auch reichlich spät.
Gleiches gilt für die Ansätze, durch stambulante (also stationär-ambulante)
Mischformen die Versorgung zu stabilisieren. Alles okay, aber wir rennen
der Krise hinterher.
Unfair wäre, sich allein auf Lauterbach einzuschießen: es ist klar, dass er
von seinen Vorgängern wie einem majestätisch auf höhere Aufgaben wartenden
Jens Spahn einen ganzen Berg an Herausforderungen zugeschoben bekommen hat.
## Die FDP blockiert
Es ist ebenso klar, dass insbesondere die FDP in der aktuellen Regierung
jedes ambitionierte Vorhaben weitgehend abwürgt; selbst die steuerliche
Querfinanzierung der Pflegeversicherung, wie sie im Koalitionsvertrag
vereinbart wurde, [4][blockiert]. Das größte Problem für den Sozialstaat
sind sicherlich Christian Lindner und sein Adjutant, Olaf Scholz.
Aber diese Feststellung hilft den Leidtragenden der Versäumnisse akut nicht
weiter. Das sind einerseits jene Gepflegten, die ihrem Schicksal überlassen
werden. Und es sind andererseits pflegende Angehörige, die die
Versorgungslücken auffangen; mit letzter Kraft auffangen. 84 Prozent der
Menschen, die zu Hause gepflegt werden, werden [5][von An- oder Zugehörigen
versorgt], und trotzdem spielen sie in der Debatte kaum eine Rolle.
Zu den lauterbachschen dicken Brettern gehört auch, sie stärker zu
entlasten: durch einen Pflegelohn, durch einen massiven Abbau
bürokratischer Hürden, durch eine solide Pflegeinfrastruktur in den
Kommunen. Denn- um es im Redewendungsdeutsch des Gesundheitsministers zu
sagen – brennen sie aus, brennt das ganze Haus.
12 May 2024
## LINKS
[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/lauterbac…
[2] https://www.bkk-dachverband.de/politikpapiere/positionspapier/thesenpapier-…
[3] https://awo.org/awo-fordert-reform-der-pflegeversicherung-jetzt
[4] /Lindners-Blockade-des-Rentenpakets/!6006989
[5] /Studie-zur-Pflege-von-Angehoerigen/!5884557
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Pflege
Gesundheit
Karl Lauterbach
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Sozialstaat
GNS
Ausbildung
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Senioren
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Pflege
wochentaz
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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