# taz.de -- Petersberger Klimadialog: Gastgeber als Fan von Öl und Gas | |
> Auf dem Petersberger Klimadialog zeigt sich Aserbaidschan als überzeugter | |
> fossiler Staat. Das Problem: Er ist Gastgeber der nächsten | |
> Klimakonferenz. | |
Bild: Ilham Alijew (l-r), Aserbaidschans Präsident, Bundeskanzler Olaf Scholz … | |
BERLIN taz | Es war eine klare Ansage des Präsidenten von | |
[1][Aserbaidschan] an die versammelte Klima-Gemeinde: „Wir werden das Recht | |
von Öl- und Gas-Staaten verteidigen, mit diesen Investitionen | |
weiterzumachen“, sagte Ilham Alijew, Präsident des [2][nächsten | |
COP-Gastgebers], am Freitag auf dem „Petersberger Klimadialog“ in Berlin. | |
Er machte klar, dass die Produzenten von fossilen Brennstoffen zwar „in der | |
ersten Reihe stehen sollten bei der Beschäftigung mit dem Klimawandel“. | |
Aber: „Es ist nicht unser Fehler, dass wir Öl und Gas haben. Das ist ein | |
Geschenk Gottes und wir sollten daran gemessen werden, wie wir es für | |
unsere Entwicklung einsetzen.“ | |
Es war der erste große Auftritt von Aserbaidschan auf der großen | |
Klimabühne. Im November hatte die COP28 in Dubai überraschend dafür | |
gestimmt, die nächste Konferenz im November in Baku abzuhalten. Und der | |
Gas-Exporteur präsentierte sich mit dem künftigen COP29-Präsidenten, | |
Umweltminister Mukhtar Babajew, und als Mittler zwischen der EU und den | |
Entwicklungsländern. | |
Alijews Argument: Das Land werde bis 2030 insgesamt 5 Gigawatt Solar- und | |
Windenergie zubauen lassen – und das Gas, das es selbst deshalb nicht für | |
Stromerzeugung verbrenne, in die EU verkaufen: „Bis 2027 werden unsere | |
Gasexporte nach Europa auf 20 Milliarden Kubikmeter ansteigen.“ | |
## Natürlich geht’s um Geld | |
Wie erfolgreich Aserbaidschan mit dieser Strategie bei der COP29 als | |
ehrlicher Makler auftreten kann, wird sich zeigen. Dann werden vor allem | |
Finanzfragen im Mittelpunkt stehen: Die UN muss ein neues Finanzziel für | |
[3][Klimahilfen aus dem Norden an den Süden] beschließen, das deutlich über | |
die jetzt versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich hinausgeht. | |
Deutschlands Anteil an den Klimafinanzen – jährlich 6 Milliarden Euro – | |
stellte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem traditionellen Auftritt beim | |
„Petersberg“ trotz der anstehenden Sparrunden in den Ministerien nicht | |
infrage: „Die Industrieländer stehen zu ihrer Verantwortung, Gelder | |
bereitzustellen. Auch auf Deutschland ist dabei Verlass“, sagte der | |
Kanzler. Für die Entwicklungsorganisation Germanwatch eine verpasste | |
Chance: Scholz hätte klar das Geld zusichern können und die Ideen für neue | |
internationale Klima-Abgaben unterstützen sollen, hieß es. | |
Scholz sagte aber auch: „Wir brauchen eine neue Herangehensweise an die | |
Finanzierung des Klimaschutzes weltweit“. Klar ist nämlich: Für | |
CO2-Reduktion, Anpassung und Beseitigung von Klimaschäden ist viel mehr | |
Kapital nötig, als aus den leeren Kassen der Industriestaaten kommen kann. | |
Den Bedarf taxieren Experten für 2025 auf etwa eine Billion Dollar, das | |
Zehnfache des aktuellen Versprechens. Mit dem Geld sollen die Effekte der | |
Klimakrise abgefedert werden – und vor allem der grüne Umbau der | |
Volkswirtschaften über grünere Technik, Industrie und Stromversorgung in | |
den Klimaplänen der UN-Staaten (NDCs) vorankommen. | |
Diese müssen im nächsten Jahr vorliegen und sollen die verschiedenen Pfade | |
der Länder zur Klimaneutralität beschreiben. Dafür braucht es private | |
Investitionen, aber auch neue Geldquellen: Abgaben etwa auf den | |
Flugverkehr, die Schifffahrt, Finanztransaktionen, die Produktion von | |
Kohle, Öl und Gas oder auf extremen Reichtum sind im Gespräch. | |
Entwicklungsministerin Svenja Schulze hatte zum Beginn der Konferenz eine | |
Forderung aus Brasilien und Südafrika nach einer „Milliardärs-Steuer“ | |
unterstützt. | |
## Wer bekommt Hilfe? | |
Bei den offiziellen und inoffiziellen Gesprächen der VertreterInnen von | |
etwa 40 Staaten, die den „Petersberg“ ausmachen, wurde auch deutlich: Es | |
geht nicht nur um die Frage, wo das Geld herkommen soll – sondern auch, wo | |
es hinfließt. Außenministerin Annalena Baerbock schlug deshalb eine | |
„Allianz der Veränderer“ vor. | |
Es solle mehr Geld für die bestehenden „NDC-Partnerschaften“ geben, mit der | |
Deutschland seit Jahren ärmeren Ländern bei der Aufstellung von deren | |
Klimaplänen hilft. Damit sollen die Länder die NDC nicht nur als Klimapläne | |
vorlegen, sondern sie zu umfassenden Investmentplanungen machen: Wo sollen | |
Erneuerbare oder Stromnetze entstehen, welche Industrien umgebaut, wie der | |
Verkehr dekarbonisiert werden? Wie viel Geld wird dafür gebraucht und | |
welche Rahmenbedingungen können die Länder oder die internationalen Geber | |
verbessern? | |
Klimafinanzierung, so hieß es, müsse aus dem Silo der Klimapolitik heraus | |
und bei der Finanzpolitik landen. „Ich bin auf diesem Treffen die einzige | |
Finanzministerin“, sagte die Ministerin Sri Mulyani Indrawati aus | |
Indonesien. Das müsse sich ändern. | |
26 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /COP-29-in-Aserbaidschan/!5993526 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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