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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Leben und Kämpfen im Shoppingcenter
> Wir befinden uns im Jahr 2024. Die ganze Welt ist durchgentrifiziert. Die
> ganze Welt? Nein! Einige Verrückte hören nicht auf, Widerstand zu
> leisten.
Bild: Flughafen-Dystopie: Überall Shoppingmall und Polizei, nirgendwo Gerechti…
In den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling verfolgt der ewige Widersacher
des kommunistischen Kängurus, der Pinguin, den diabolischen Plan, die ganze
Welt in einen riesigen Flughafen zu verwandeln. Bei Kling mutet dieser
Streit zweier animalisierter Widersacher lustig an. Doch wäre eine solche
Welt wirklich zum Lachen?
Die Welt als Flughafen wäre wohl zunächst einmal eine
durchkommerzialisierte Welt, in der alle Menschen nur noch
Konsument:innen in einem riesigen Shoppingcenter wären. In der Logik
dieser Welt würden die Menschen nur noch darauf warten, endlich irgendwann
einmal die Biege zu machen – und hätten in der Zwischenzeit nichts anderes
zu tun, als Geld auszugeben und zu konsumieren. Dafür würden sie von
wenigen Gigakonzernen umgarnt und manipuliert.
Die Welt als Flughafen wäre aber auch eine polizeilich fast vollständig
überwachte Welt, eine Welt der staatlichen Kontrolle. Die Shoppingfreiheit
der Konsument:innen würde ergänzt durch deren totale Überwachung. Und
zum modernen Flughafen gehört nicht nur die Shoppingmall, sondern auch der
Abschiebeknast. Am Flughafen als Grenzort wird immer auch segregiert
zwischen den Berechtigten, die in der blinkenden Konsumsphäre verbleiben
dürfen, und den Anderen, die abgeführt werden.
Es ist wohl die Sache der Sozialwissenschaftler:innen, genau zu bestimmen,
inwiefern sich unsere Welt schon an Klings Dystopie angenähert hat. Doch
fest steht wohl, dass es die Pinguine wirklich gibt, die die Städte in
riesige Konsumlabyrinthe verwandeln wollen. Die alle sozialen Probleme mit
„mehr Polizei“ zu lösen versuchen und gegen politisch Unliebsame immer
repressiver vorgehen. Und die daran arbeiten, noch die letzten Reste der
Menschenrechte an den Grenzen der blinkenden Konsumfestung Europa
abzuschaffen.
## Freiheit für Mumia – Free them All!
Doch es gibt auch die Widersacher der Pinguine. Das sind die Menschen, die
nicht bereit sind, ihren Drang zur Freiheit aufzugeben. Selbst im
Gefängnis, wo der Staat einfach alles kontrolliert, geben manche Menschen
nicht auf. Ein Beispiel hierfür ist der afroamerikanische Journalist und
ehemalige Blank Panther Aktivist, [1][Mumia Abu-Jamal]. Am 24. April ist
der 70. Geburtstag von Abu-Jamal, der sein Leben – nach einem hoch
umstrittenen Urteil wegen eines angeblichen Polizistenmords – seit über 42
Jahren im Gefängnis verbringen muss.
Weder Hinrichtungsbefehl und Isolationshaft, noch die Verweigerung einer
angemessenen Gesundheitsversorgung konnten Abu-Jamal davon abbringen, seine
Stimme gegen den sozialen Krieg der Reichen gegen die Armen zu erheben. Um
seine Lebensleistung zu würdigen und gegen Rassismus, Ausbeutung und Krieg
aufzustehen, startet um 18 Uhr am Mittwoch (24.04.) [2][eine Fahrraddemo]
von der Kneipe Syndikat (Emser Straße 131), von wo aus es zur Kundgebung um
20 Uhr vor der US-Botschaft am Pariser Platz geht.
Die Konfrontation mit der Staatsmacht ist grundsätzlich gefährlich,
besonders gilt dies aber für Menschen in akuten psychischen Krisen. Die
Polizei, die nur die Logik der Einschüchterung und Kontrolle kennt, prallt
in solchen Situationen auf Menschen, die beruhigt und verstanden werden
müssen. Das endet viel zu oft tödlich – für die Menschen in psychischen
Krisen. Dafür steht [3][der Fall des 46-jährigen Lamin Touray], der an
Ostern in Nienburg durch acht Polizeikugeln getötet wurde. Die
[4][Initative Justice For Lamin Touray] ruft am Donnerstag (25.04.) zu
[5][einer Demonstration] auf, um Aufgeklärung und Gerechtigkeit zu fordern
(Startpunkt Innenministerium, Alt-Moabit 140, 16 Uhr).
## Freiräume gegen Repression
Was die Pinguine dieser Welt gar nicht leiden können, sind vom Staat
unkontrollierte Freiräume. Denn hier können Unterdrückte Unterschlumf
suchen und ihre Stimme finden. Weil hier gemeinsam ein anderes Leben
ausprobiert werden kann, entstehen hier Keime für eine bessere, andere
Welt. In Berlin haben die Pinguine dieser Welt allerdings bereits einige
Fortschritte darin erzielt, diese Orte plattzuwalzen.
Ihre Betonträume enden nicht einmal bei besetzten Häusern. Auch die
Wuhlheide soll dran glauben, wo die vierspurige Betontrasse mit dem
schmissigen Namen Tangentiale Verbindung Ost (TVO) entstehen soll. Am
Mittwoch (24.04.) informiert Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) [6][im
FEZ] über den Stand der Dinge. [7][Die Bürgerinitiative Wuhlheide] plant
eine Demo. Los geht es um 17:15 Uhr vor dem FEZ-Hauptgebäude in der Straße
zum FEZ 2.
Aber warum können noch mehr Straßen und Autos in Zeiten der Klimakrise
keine Lösung sein? Antworten geben Timo Daum und Katja Diehl in der
Wagenburg Lohmühle unter dem Titel [8][„Der Klimakrise kann man nicht davon
fahren“]. In der von der [9][Gruppe TOP B3RLIN] organisierten Veranstaltung
geht es auch um die Absurdität der Tesla-Gigafabrik und wie eine gerechte
Verkehrswende aussehen könnte (Donnerstag, 25.04., Lohmühlenstraße 17,
18:30 Uhr).
Gegen Tesla und dessen Besitzer Elon Musk, dem auch Twitter gehört und der
mit misogyner und faschistischer Hetze um sich wirft, wird es in Berlin
demnächst öfter gehen. Die [10][Disrupt Tesla Wasseraktionstage (8.–12.
5.)] stehen vor der Tür und die Vorbereitungen hierfür laufen auf
Hochtouren. Auch, um sich darauf einzustimmen, wird am Sonntag (28.04.)
[11][auf dem Kreuzberger Heinrichsplatz gecornert] – weil die Betonträume
der Berliner Autokoalition immer auch die Vernichtung alternativer
Freiräume bedeuten. Los geht es ab 15 Uhr.
## Revival eines Klassikers
Bereits der Samstag steht indes ganz im Zeichen des Häuserkampfs. Das
Bündnis Betongold ruft zur [12][„Der Kiez hat Eigenbedarf!“]-Parade auf,
die an Orten der Verdrängung vorbeizieht. Los geht es um 15 Uhr von der
Reichenberger Str. 142. Um 16:30 Uhr soll der Protest an der Brache
Oranienstraße Ecke Audre-Lorde-Straße eintreffen. Von dort aus geht es
gemeinsam zum Hafenplatz am Mendelssohn-Bartholdy-Park, wo eine Party
stattfinden soll.
Ebenfalls um 15 Uhr wird auf der Mainzer Straße [13][ein alter Klassiker]
wiederbelebt: [14][Das Friedrichshainer Häuserrennen]. Nach acht Jahren
Pause findet das Battle mit den selbstgebauten Seifenkisten wieder statt,
die an das eigene Wohn- oder Politprojekt erinnern. Die Gefährte müssen
unmotorisiert und rollbar (mindestens fünf Räder) sowie mit einer Flagge
(keiner Nationalflagge) versehen sein, die maximalen Maße sind 6 Meter
lang, 2,5 Meter breit und 4 Meter hoch. Die Route geht von der Mainzer
Straße Ecke Scharnweber Straße bis zur KØPI in der Köpenicker Straße 137.
Politisches Ziel der Aktion ist es, einige Alternativen zur sonstigen
Gentrifizierungsscheiße zu präsentieren. In der KØPI angekommen geht es
direkt weiter mit dem [15][GentriFickDich!-Festival]. Gefeiert werden soll
sich selbst und die eigene Stadt. Es gibt Vorträge, Filme, Drag Shows,
Konzerte, Feuershows und Raves an verschiedenen Orten – nicht nur in der
KØPI. Im Aufruf heißt es: „Die Stadt gehört uns und wir sind fucking laut�…
Vielleicht wird in dieser Nacht die Anarchie in dieser Stadt wieder ein
bisschen greifbarer. Ganz so einfach, wie es sich die Pinguine dieser Welt
vorstellen, ist es nämlich nicht.
23 Apr 2024
## LINKS
[1] /Kommentar-Abu-Jamal/!5105768
[2] https://kontrapolis.info/12876/
[3] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138
[4] https://lamintouray.com/
[5] https://lamintouray.com/demo-in-berlin
[6] https://fez-berlin.de/
[7] https://www.instagram.com/p/C55A_sXshMI/?img_index=1
[8] https://asanb.noblogs.org/?event=der-klimakrise-kann-man-nicht-davon-fahren
[9] https://twitter.com/TOP_B3RLIN
[10] https://disrupt-now.org/2024/02/17/aktionstage-gegen-tesla-08-12-05/
[11] https://asanb.noblogs.org/?event=unser-block-unser-park-unser-wasser-corne…
[12] https://asanb.noblogs.org/?event=der-kiez-hat-eigenbedarf-parade
[13] /Archiv-Suche/!1102059
[14] https://stressfaktor.squat.net/node/304931
[15] https://stressfaktor.squat.net/node/305153
## AUTOREN
Timm Kühn
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