# taz.de -- Umgang der Kirche mit der freien Presse: Woelki will Wellen reiten | |
> Der berüchtigte Kölner Kardinal Woelki will mehr Einfluss auf das | |
> „Domradio“. Statt kritischen Inhalten könnte der Sender dann kirchlicher | |
> werden. | |
Bild: Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln, bei einer Messe im Dom | |
„Einen guten Draht nach oben“, verspricht der katholische Multimediasender | |
Domradio. Angesichts der jüngsten Pläne des Erzbistums Köln soll dieser | |
Draht aber zukünftig eher zum Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki als zu | |
Gott führen. Das Domradio ist ein großer Player in der [1][christlichen | |
Medienlandschaft]. | |
Seit dem Sendestart im Jahr 2001 versucht es den Spagat zwischen | |
theologischen Betrachtungen etwa über den Marienmonat Mai und Beiträgen, | |
die kritisch auf Kirche und Welt blicken. „Vielfalt in der Kirche fördern“, | |
so ist zum Beispiel ein Artikel des Domradios überschrieben. | |
Diese Freiheit in der Themenwahl wurde stets durch eine spezielle Struktur | |
abgesichert, die bei Gründung des Senders durch den ehemaligen Kölner | |
Erzbischof Joachim Kardinal Meisner eingerichtet worden war: Das Domradio | |
erhält zwar Zuschüsse des Erzbistums Köln – der „Wirtschaftsplan 2024“ | |
sieht etwa 3,8 Millionen Euro vor – Träger ist allerdings das Bildungswerk | |
des Erzbistums, also ein formal unabhängiger Verein. | |
Das Domradio ist somit kein offizieller Teil der Öffentlichkeitsarbeit des | |
Erzbistums Köln und kann sich deshalb auch jenseits der häufig engen | |
Grenzen kirchlicher PR bewegen. | |
## Unmittelbarer Zugriff auf Multimediasender | |
Im März [2][machte der Journalist Joachim Frank im Kölner Stadtanze]iger | |
öffentlich, dass das Domradio in eine gemeinnützige GmbH überführt werden | |
solle. Das Erzbistum Köln hätte dadurch unmittelbaren Zugriff auf den | |
Multimediasender und könnte diesen nach seinen Vorstellungen formen. Eine | |
Veränderung, die für den Umbruch im kirchlichen Journalismus und das | |
zusehends angespannte Verhältnis der Kirchen zur freien Presse exemplarisch | |
wäre. | |
Wie das genau passieren soll, ist noch nicht klar. Das Erzbistum Köln | |
bezeichnete die Umstrukturierung in einer kurzen Pressemitteilung im März | |
als „Stärkung“ des Domradios. Es müsse sich mit Blick auf die „zunehmen… | |
gesellschaftliche Polarisierung und die rasante Entwicklung im | |
Medienbereich“ weiterentwickeln. Das „journalistische Profil“ solle aber | |
erhalten und sogar ausgebaut werden, teilte das Erzbistum später auf | |
Anfrage der taz mit. | |
Dem entgegen befürchten viele User*innen in den sozialen Medien, dass | |
sich das Domradio zu einer Art Werbeportal wandeln könnte. Und dass sich | |
der Sender nach dem Eingriff stärker der sogenannten Neuevangelisierung | |
widmen könnte. Darunter wird meistens eine spirituelle Erneuerung der | |
katholischen Kirche verstanden, die Menschen in [3][säkularisierten | |
Gesellschaften] wieder an den Glauben heranführen soll. | |
Diese Ängste sind nicht unbegründet: Bisher gab der Sender immer wieder | |
Reformkräften eine Plattform, die sich wie die Benediktinerschwester | |
Philippa Rath für Gleichberechtigung in der Kirche starkmachen. „Endlich | |
ist das Tabu gebrochen“, sagte Rath etwa 2022 in einer Domradio-Sendung | |
über Frauen in Kirchenämtern. | |
Damit steht sie in direkter Opposition zum Kölner Erzbischof Woelki. Er | |
hatte das Anliegen von Frauen, die Weihe zur Diakonin oder gar Priesterin | |
empfangen zu dürfen, in der Vergangenheit mehrmals zurückgewiesen. Zudem | |
würden die Auseinandersetzungen um Machtverhältnisse und Strukturen der | |
spirituellen Erneuerung der katholischen Kirche schaden, kritisierte der | |
Erzbischof wiederholt. Wie sähe wohl ein Domradio nach Woelkis Geschmack | |
aus? | |
## DJV kritisiert das Kölner Vorhaben | |
Auch journalistische Expert*innen wie der Landesverband | |
Nordrhein-Westfalen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) kritisierten | |
das Kölner Vorhaben: Woelki erweise mit seinen Plänen „der Idee eines | |
professionellen, eigenständigen Kirchenjournalismus einen Bärendienst“. | |
Der Programmbeirat des Domradios warnte vor einer weiteren Folge: Der | |
Trägerwechsel könnte zu einer neuen medienrechtlichen Bewertung der | |
Landesmedienanstalt NRW und damit zum Verlust der Sendelizenz führen. | |
Andere kirchennahe Medien sind schon davon betroffen. | |
Zum Beispiel beschlossen die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die acht | |
Trägerbistümer 2010, dass sich die traditionsreiche Wochenzeitung | |
Rheinischer Merkur den „gewandelten Bedingungen des Medienmarktes“ anpassen | |
müsse, obwohl sie noch mehr als 60.000 Leser*innen erreichte. Die | |
Verantwortlichen versicherten damals, dass die Entscheidung keinen „Rückzug | |
der Kirche aus der Publizistik oder aus dem gesellschaftlichen Diskurs“ | |
bedeute. | |
Ganz eingestellt wurde die Zeitung nicht, stattdessen erschien sie fortan | |
unter dem Namen [4][Christ & Welt] als Wochenbeilage der ZEIT und ging 2016 | |
vollständig in deren Besitz über. | |
Angesichts der immer größeren Distanz der Kirchen zu den Medien fällt auf, | |
dass manche ihrer Vertreter*innen gleichzeitig den Kontakt zu | |
ausgewählten Medien suchen. So feierte der Kölner Erzbischof Woelki | |
anlässlich des 75. Geburtstags der Tagespost im September 2023 eine Messe | |
im Würzburger Neumünster. Die Wochenzeitung sei ein „Symbol für Freiheit�… | |
so der Kardinal in seiner Predigt. | |
## Stimme einer schweigenden Mehrheit | |
Seit ihrer Gründung widme sich die Tagespost dem „Dienst der | |
Evangelisierung“. Ähnlich wie andere rechte Akteur*innen inszeniert sich | |
die Tagespost trotz einer vergleichsweise geringen Auflage von etwa 10.000 | |
Exemplaren gerne als Stimme einer angeblich schweigenden Mehrheit innerhalb | |
der katholischen Kirche. | |
Darüber hinaus hat sich das Blatt in den vergangenen Jahren radikalisiert. | |
Vertreter*innen der Neuen Rechten, wie der belgische Historiker David | |
Engels, gehören zu den regelmäßigen Gastautor*innen. Er argumentierte | |
jüngst [5][auf der „National Conservatism Conference“ in Brüssel] dafür, | |
dass „wir unsere eigene Zivilisation den anderen vorziehen sollten“. | |
Zu kirchlichen Fragen kommen ebenfalls mehrheitlich radikale Stimmen zu | |
Wort. Beispielsweise wird häufig gegen das Frauendiakonat geschossen, | |
[6][obwohl selbst der Vatikan angeregt darüber debattiert.] Das Erzbistum | |
Köln wollte eine Frage der taz bezüglich der Nähe [7][von Erzbischof | |
Woelki] zur Tagespost nicht kommentieren. | |
Das [8][Domradio] bildet diese Diskussion in ihrer Offenheit ab und trifft | |
damit wohl weniger den Geschmack des Kölner Oberhirten. Vielleicht ändert | |
sich das, wenn er größeren Einfluss auf den Multimediasender ausüben kann. | |
4 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Christliche-Influencerinnen/!6002078 | |
[2] https://www.ksta.de/koeln/erzbistum-koeln-woelkis-naechste-attacke-gilt-dem… | |
[3] /Soziologe-ueber-Niedergang-der-Kirchen/!5977530 | |
[4] https://abo.zeit.de/die-zeit/christ-und-welt/ | |
[5] /Rechtspopulisten-Tagung-in-Bruessel/!6001916 | |
[6] /Katholische-Kirche-im-Wandel/!5930874 | |
[7] /Ermittlungen-gegen-Woelki/!5943028 | |
[8] https://www.domradio.de/ | |
## AUTOREN | |
Louis Berger | |
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