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# taz.de -- Überfälliger ARD-Tatort: Vietnam in Lichtenberg
> Der Tatort „Am Tag der wandernden Seelen“ erzählt einen klischeefreien
> Krimi zwischen Berlin-Lichtenberg, Nord- und Südvietnam. Das war
> überfällig.
Bild: Tatort-Szene: Susanne Bonard (Corinna Harfouch, rechts) und Robert Karow …
Die ARD hat es bislang versäumt, das Publikum an Trigger-Warnungen zu
gewöhnen, die bei Streamingdiensten längst Usus sind. Das Manko fällt
besonders diesen Sonntag ins Gewicht. Denn der RBB-„Tatort“ mit dem schönen
Titel [1][„Am Tag der wandernden Seelen“] erzählt eine grausame Geschichte.
Der Krimi ist besonders, im Visuellen, aber auch vom Plot her: Es handelt
sich um das erste Drehbuch eines Berliner „Tatort“-Films, das in einem
sogenannten Writers’ Room entstanden ist: An der Entwicklung waren Josefine
Scheffler, Dagmar Gabler und Thomas André Szabó beteiligt. Regie führte
[2][Mira Thiel]. Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark
Waschke) führt ihr zweiter gemeinsamer Fall nach Berlin-Lichtenberg. In
einer Reihenhaussiedlung liegt ein Mann tot in seiner Wohnung. Und wo
steckt die alte pflegebedürftige Mutter des Toten?
Ein seltsamer Fall. Und ein merkwürdiges Haus. Alles wirkt – irgendwie
konserviert. Kommissarin Bonard wird es erst mulmig, dann schlecht. „Ich
hätte ihn auch umgebracht“, sagt sie, mitgenommen aus dem Keller wankend.
Denn da hat sich das Grauen schon offenbart: Karow stößt auf eine
versteckte Tür im Haus, auf einen Folterkeller. Wahrscheinlich war der Tote
ein perfider Sadist.
Bonard und Karow suchen nach einer flüchtigen, verletzten und
wahrscheinlich traumatisierten Person, die den Folterkeller überlebt haben
muss. Das Ermittlerduo taucht in die vietnamesische Lebenswelt Berlins ein.
Bislang hat sich kein „Tatort“ diesen migrantischen Mitbürger:innen
gewidmet. Es war also höchste Zeit.
## Verdeckte Ermittlerin
Der nicht genug zu lobende Krimi entstand unter Mitwirkung der
vietnamesischstämmigen Community. Das verhindert erfreulicherweise, dass
sich der Plot in den üblichen Klischees verheddert. Eine erste Spur führt
also nicht in ein Blumengeschäft oder ins Nagelstudio, sondern zur
Tierärztin Lê Müller (Mai-Phuong Kollath) aus Charlottenburg. Frau Doktor
kennt den Toten von früher und weiß mehr, als sie zugibt – aber sie traut
der Polizei eben nicht.
LKA-Beamtin Pham Thi Mai (Trang Le Hong) ermittelt seit zwei Jahren
verdeckt in der vietnamesischen Community und dient Bonard und Karow als
Dolmetscherin, aber noch mehr als Mittlerin zwischen den Kulturen.
Sie spricht zum Beispiel Frau Müller mit „Tante“ an – aus Respekt vor dem
Alter, nicht weil sie mit ihr verwandt ist. Und sie klärt Karow darüber
auf, dass es Animositäten zwischen den Nord- und Südvietnamesen in Berlin
gibt. Die einen – wie Doktor Müller – kamen als Vertragsarbeiter aus dem
kommunistischen Vietnam in die einstige DDR; die anderen als Boatpeople vor
Jahrzehnten nach Westberlin.
So gesehen ist dieser ambitionierte, facettenreiche, spannende und visuell
außergewöhnliche „Tatort“ auch ein Lehrfilm. Die Ermittlungen führen Bon…
und Karow schließlich zu einer Pagode für die Nordvietnamesen in
Lichtenberg, die es übrigens wirklich gibt – so wie eine zweite in Spandau
für die Südvietnamesen. In der Pagode haben die Seelen der Ahnen ihren
Platz. Das kulturelle Zentrum der Gemeinde ist jedoch vom Abriss bedroht
(wie übrigens auch in der Realität).
Ach ja, die Trigger-Warnung: Die Folter wird nicht gezeigt. Das Leiden
lässt sich aber vorstellen, man hat ja genug eigene Bilder im Kopf – das
ist schon schlimm genug.
Berlin-„Tatort“: „Am Tag der wandernden Seelen“, So., 20.15 Uhr; ARD; in
der Mediathek auch mit vietnamesischen Untertiteln verfügbar
3 May 2024
## LINKS
[1] https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/sendung/am-tag-der-wander…
[2] /Adel-Onodi-ueber-trans-Schauspielerinnen/!5841538
## AUTOREN
Andreas Hergeth
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