Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete ins Hamburger Nobelviertel: Zu schrecklich zum Leben
> Im gut betuchten Klein Flottbek will die Hamburger Sozialbehörde
> Geflüchtete unterbringen. Reiche Anwohner:innen und die FDP wollen
> das verhindern.
Bild: So idyllisch parkt man wohl nur in Klein Flottbek: Zum Wohnen ist es hier…
Hamburg taz | Ein Parkplatz also. Vor allem ältere Menschen steigen hier in
ihren Funktionsjacken aus ihren glänzenden Neuwagen aus, Jüngere schließen
ihre E-Räder an Bügeln ab, hochgewachsen sind die grünen Sträuche und
blühenden Bäume um die rund 40 mal 20 Meter große Fläche. Dass die
Hamburger Sozialbehörde hier am nach Loki Schmidt benannten Botanischen
Garten ab dem kommenden Jahr eine [1][temporäre Folge-Unterkunft für
Geflüchtete errichten lassen will,] sorgt im gut betuchten Klein Flottbek
für Aufruhr – einige Anwohner:innen drohen bereits mit Klagen und auch
die örtliche FDP versucht, das Vorhaben noch abzuwenden.
Zwischen dem Botanischen Garten im Norden und der angrenzenden
S-Bahn-Station sollen 144 Menschen Wohnraum finden, in „Modulbauweise“, wie
es auf Nachfrage bei der Sozialbehörde heißt. Wenn alles klappt, ab dem
kommenden Frühjahr für fünf Jahre.
Südlich der geplanten Unterkunft gen Elbufer, westlich nach Blankenese und
östlich Richtung Othmarschen reihen sich hübsche Villen auf. Wenige hundert
Meter entfernt findet jährlich das Deutsche Spring- und Dressurderby statt,
dahinter geht es in den großzügigen Jenischpark mit seinen kleinen Museen.
Der Anteil an Sozialleistungsempfänger:innen tendiert in diesem
Teil der Stadt Richtung Promillebereich, das durchschnittliche
Jahreseinkommen liegt bei mehr als 120.000 Euro im Jahr – ein hamburgweiter
Spitzenwert.
## Selbst die CDU ist dafür
Es sei eine Diskussion, „die wir doch eigentlich nicht mehr führen wollen“,
sagte am Donnerstagabend die Grüne Nadine Neumannn in empörtem Ton in der
Bezirksversammlung Altona, zu dem Klein Flottbek gehört. Zwar ist die
Entscheidung in der Sozialbehörde längst gefallen, doch die örtliche FDP
wollte zuvor mit einem Antrag dazu auffordern, die Unterkunft nicht zu
errichten. Für eine gute Integration sei der Standort leider, leider
überhaupt nicht geeignet – Discounter kaum fußläufig erreichbar und der
Busverkehr direkt nebenan an der S-Bahn-Haltestelle auch sehr gefährlich,
so die örtliche Fraktionschefin Katharina Blume.
Blume verfolgt damit dasselbe Ziel wie einige Anwohner:innen. Eine
Bürgerinitiative gegen die Unterkunft hat sich schon formiert und eine
Anwaltskanzlei beauftragt, [2][wie das Hamburger Abendblatt zuerst
berichtete.] „Wir werden mit rund aktuell 36 Klägern und Klägerinnen
anwaltlich vertreten und haben bereits weitere 60 Unterstützer. Diese
Gruppe soll auf mindestens 1.000 bis 2.000 innerhalb der nächsten Wochen
erweitert werden“, teilt die „Bürgerinitiative Flottbek für adäquate
Flüchtlingsunterkünfte“ mit.
Deren Ablehnung teilt sie nicht, betonte Blume am Donnerstagabend. Es gebe
aus ihrer Sicht schlicht geeignetere Standorte. Allerdings: Mit denselben
Argumenten, wie sie Blume in der Bezirksversammlung anführte, argumentiert
auch die Bürgerinitiative. In ihrer Mitteilung an die „lieben
Mitbürgerinnen und Mitbürger“ betont die Initiative, darum bemüht zu sein,
„integrative sinnvolle Lösungen (überparteilich) zu unterstützen“.
Es müsse wirklich ein schrecklicher Ort zum Leben sein, konterte sogar der
CDU-Abgeordnete Tim Schmuckall. Bis über zur Linksfraktion herrscht
Einigkeit, dass die Unterkunft nötig und der von Grün umgebende Parkplatz
zumindest als Übergangslösung eine geeignete Fläche für Wohnraum ist. Doch
die Errichtung wäre auch ein Novum, denn was den Ortsteil Klein Flottbek
noch ziemlich besonders macht: Trotz kontinuierlich wiederkehrender
Probleme seit 2015, Geflüchtete in Unterkünften unterzubringen, gibt es
hier immer noch keine Unterkunft.
## Schon wieder Widerstand in den Elbvororten
Und der Widerstand gegen Unterkünfte ist in den Elbvororten kein neues
Phänomen. [3][Am Björnsonweg in Blankenese] wehrten sich einige
Anwohner:innen gegen eine Unterkunft, inklusive Auto-Blockade, um die
Bauarbeiten zu verhindern. Ein Anwohner ging 2017 juristisch gegen die
damals geplante Geflüchtetenunterkunft vor. Das Ergebnis: Sie durfte
gebaut, musste jedoch nach spätestens sieben Jahren wieder abgebaut werden.
Anschließend beschloss die Stadt, hier dauerhaft Sozialwohnungen für
Obdachlose und Geflüchtete zu errichten, zu Protest kam es dagegen nicht.
Über den Flottbeker Widerstand sind nicht nur die Bezirksfraktionen von CDU
bis Linken empört. „So wie alle Hamburger:innen muss auch dort die
Nachbarschaft Platz machen für Menschen, die bei uns Schutz suchen“, sagt
der Landesvorsitzende des Sozialverbands SoVD, Klaus Wicher. „Auch Klein
Flottbek ist nicht Bullerbü.“
Zuletzt waren nach Angaben des rot-grünen Senats die Unterkünfte nahezu
komplett ausgelastet. Als Notmaßnahme kündigte er an, für Asylbewerber und
Schutzsuchende aus der Ukraine verstärkt Zelte in Parks und auf Festplätzen
aufzustellen. Außerdem legte Innensenator Andy Grote (SPD) der Bürgerschaft
eine Änderung des sogenannten Gesetzes zum Schutz der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung (SOG) vor.
Wie schon zwischen 2015 und 2017 soll die Änderung wieder ermöglichen, dass
der Senat temporär auch gegen den Willen der Eigentümer:innen deren
leerstehenden Immobilien zur Unterbringung nutzt. Für die Elbvororte schlug
die örtliche Linke direkt zwei leerstehende Pflegeheime vor. Eine
abschließende Prüfung des Vorschlags durch die Sozialbehörde steht noch
aus.
28 Apr 2024
## LINKS
[1] /Zu-wenig-Plaetze-in-Unterkuenften/!5997840
[2] https://www.abendblatt.de/hamburg/altona/article242166972/Fluechtlingsheim-…
[3] /Sozialwohnungen-fuer-Hamburg-Blankenese/!5873539
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Hamburg
Unterbringung von Geflüchteten
Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
Sozialbehörde Hamburg
IG
Hamburg
Hamburg
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Pflege
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sozialarbeiter über miese Unterkünfte: „Diese Kinder sind nicht behütet“
Viele Jugendliche kennen in Hamburg nur das Leben in isolierten
Unterkünften für Geflüchtete. Sozialarbeiter Yama Waziri fordert Wohnungen
für Familien.
Villen-Besitzer:innen gegen Geflüchtete: Reiche mit besonderen Rechten
Hamburg wollte eine Unterkunft in einem Villenviertel errichten. Doch dank
einer Klausel konnten reiche Anwohner:innen einfach dagegen stimmen.
Bundesweit größte Geflüchtetenunterkunft: So kann man hier nicht leben
Im früheren Berliner Flughafen Tegel ist Deutschlands größte
Geflüchtetenunterkunft eingerichtet. Die Zustände in der Massenbleibe sind
abschreckend.
Bezahlkarte für Geflüchtete: Ein Instrument der Repression
Hamburg zieht Alleingang mit der Bezahlkarte für Geflüchtete durch. Im
Herbst könnte sie ohne Auswertung in die bundesweite Social Card übergehen.
Zu wenig Plätze in Unterkünften: Geflüchtete sollen in Parks zelten
Hamburg reaktiviert ein Gesetz von 2015, das die Beschlagnahme von
Immobilien ermöglicht. Die Sozialbehörde schwört die Bezirke auf Notlage
ein.
Streit um Pflegeheime für Obdachlose: Zu Bullerbü gehören die Schwachen
Hamburg setzt auf Security, um die ängstlichen Anwohner eines Heims für
pflegebedürftige Obdachlose zu beruhigen. Besser wäre genug Pflegepersonal.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.