| # taz.de -- Hebammen Versorgung Deutschland: Prekäre Geburt | |
| > Jede Frau hat Anspruch auf eine Hebamme. Doch vielen Müttern fehlt eine | |
| > Betreuung. Woran liegt das? Unterwegs mit einer Geburtsthelferin. | |
| maBerlin taz | Wäh, Wääääh!“ Schon an der Gegensprechanlage hören wir | |
| Baby-Geschrei. Doch angekommen im sechsten Stock, ist die vier Wochen alte | |
| Sophie ganz still. Sie liegt im Arm ihrer Mutter Ellenor und nuckelt gierig | |
| an einem Fläschchen Milch. Immer wieder hört man sie leise schmatzen. Ihre | |
| kleinen Hände klammern sich um den Zeigefinger ihrer Mutter. Hebamme | |
| Marie-Luise Hartmann kniet sich auf den Boden im Wohnzimmer der jungen | |
| Familie. Direkt vor der Couch, auf der Ellenor Forck* und ihre Tochter | |
| sitzen. Ganz nah ist sie an den beiden dran und beobachtet, wie Sophie* | |
| trinkt. „Und wie geht’s dir und der kleinen Sophie?“, fragt sie. | |
| Marie-Luise ist heute das 14. Mal bei Ellenor Forck seit Sophies Geburt. | |
| Trotzdem hat die junge Mutter noch viele Fragen. Sie sprechen darüber, wie | |
| weit Sophie ihren Kopf drehen kann, Probleme bei der Verdauung, eine | |
| Pustel an Sophies Po oder eine kahle Stelle auf ihrem Kopf. Marie-Luise | |
| kniet die ganze Zeit vor den beiden, hört sich Ellenors Fragen an und gibt | |
| Ratschläge. Über eine halbe Stunde vergeht so. | |
| „Ich hätte das allein nie geschafft“, sagt Ellenor Forck. Wenn man ein | |
| Neugeborenes versorgt, stellen sich einem viele Fragen, die einen als | |
| Eltern erst einmal überfordern können. Vom Stillen über die Babypflege bis | |
| hin zur Gesundheit des Kindes. Dazu kommen Fragen zu den Folgen der Geburt | |
| für den eigenen Körper. Dass Marie-Luise ihr all diese Fragen beantworten | |
| kann, sie berät und auch mal tröstet, wenn etwas nicht funktioniert oder | |
| man sich von allem überfordert fühlt, gebe Ellenor Forck Sicherheit. | |
| Ellenor Forck ist zweifache Mutter. Sophies ältere Schwester Marie ist drei | |
| Jahre alt. Vor ihrer Geburt suchte Ellenor lange nach einer Hebamme, die | |
| sie betreut. Erst vier Wochen vor der Geburt wurde sie fündig. So geht es | |
| vielen werdenden Müttern in Deutschland. Zwar ist die Zahl freiberuflicher | |
| Hebammen in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. Im Jahr 2023 waren es | |
| laut dem [1][Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen] (GKV) 18.652. | |
| Drei Jahre zuvor waren es noch über 500 weniger. | |
| Einen Fachkräftemangel an Hebammen scheint es in Deutschland demnach nicht | |
| zu geben. Dennoch wurden im Jahr 2023 über 40 Prozent von 570 befragten | |
| Müttern im Wochenbett nicht von einer Hebamme betreut. 2018 waren es laut | |
| dem Forschungsinstitut appinio nur halb so viele. Dabei hat jede Frau | |
| während der Schwangerschaft, der Geburt, dem Wochenbett und der Stillzeit | |
| Anspruch auf Hilfe durch eine Hebamme. Bis zu zwölf Wochen nach der Geburt. | |
| Dass es trotz der ausreichenden Anzahl an Hebammen in Deutschland einen | |
| Versorgungsmissstand gibt, liegt laut dem [2][Deutschen Hebammenverband] | |
| (DHV) daran, dass der Großteil der freiberuflichen Hebammen nur in Teilzeit | |
| oder auf Minijob-Basis arbeitet. Viele von ihnen sind zusätzlich in | |
| Kliniken oder Geburtshäusern angestellt. Ein Grund dafür sei die schlechte | |
| Bezahlung freiberuflicher Hebammen. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen | |
| den Krankenkassen und Hebammenverbänden, um die Vergütung zu verbessern. | |
| Noch in diesem Jahr soll ein Ergebnis vorliegen. | |
| Auch Ellenor Forck wurde bereits zwei Tage nach Sophies Geburt entlassen. | |
| „Früher blieben Frauen in der Regel fünf bis sechs Tage nach der Geburt im | |
| Krankenhaus“, erklärt Marie-Luise Hartmann. Mit der Einführung der | |
| Fallpauschalen 2003 änderte sich das. Diese fasst Patienten in Kategorien | |
| mit pauschaler Vergütung für die Krankenhäuser zusammen. So verbringen | |
| Frauen mittlerweile – nach der Zeit im Kreißsaal – meist nur noch zwei Tage | |
| im Krankenhaus. | |
| Ellenor Forck hätte sich gewünscht, mit ihrem Neugeborenen länger bleiben | |
| zu können. Die Sicherheit, von Ärzten umgeben zu sein und sich erst mal | |
| nicht um den Haushalt kümmern zu müssen, hätten ihr die Erholung nach der | |
| Geburt erleichtert, meint sie. „Umso wichtiger ist die Betreuung durch | |
| Hebammen bei den Frauen zu Hause“, sagt Marie-Luise Hartmann und ergänzt: | |
| Der Umstand, dass Frauen immer später gebären und viele Frauen nur noch ein | |
| Kind bekommen, mache die Betreuung für Hebammen immer beratungs- und | |
| zeitintensiver. Denn mit zunehmendem Alter der Frau steigt auch das Risiko | |
| für Geburtsverletzungen, und Erstgebärenden fehle die Erfahrungen aus | |
| früheren Geburten. | |
| Sophie liegt mittlerweile in ihrer Wiege und schläft. Jetzt will sich | |
| Marie-Luise um Ellenor kümmern. Die zweifache Mutter hat beide Kinder per | |
| Kaiserschnitt geboren. Doch viele Frauen unterschätzten einen solchen | |
| Eingriff, meint Marie-Luise Hartmann. Denn er erhöhe das Risiko für | |
| Geburtsverletzungen bei folgenden Geburten und könne zu ernsthaften | |
| Verletzungen an umliegenden Organen führen. Bis zu anderthalb Jahre dauere | |
| es, bis das Narbengewebe verheilt und der untere Teil des Bauches nicht | |
| mehr taub sei. | |
| Mit dem Rücken auf ihrem Bett liegend zeigt Ellenor Forck Marie-Luise ihre | |
| Narbe. Der tiefe Schnitt am unteren Ende ihres Bauches ist auch vier Wochen | |
| nach der Geburt noch deutlich zu erkennen. Die Hebamme tastet vorsichtig | |
| Ellenors Narbe und ihren Bauch ab. So kontrolliert sie, wie weit sich | |
| Ellenors Gebärmutter bereits zurückgebildet hat. Aus ihrer Tasche holt | |
| Marie-Luise Hartmann ein kleines Fläschchen. Sie lässt Ellenor daran | |
| riechen. Das Öl hat einen beißenden Geruch. Doch Ellenor scheint diesen | |
| kaum wahrzunehmen. | |
| Langsam beginnt die Hebamme damit, Ellenors Narbe in kreisenden Bewegungen | |
| zu massieren. Ellenor verzieht das Gesicht. Auch wenn dieser Teil ihres | |
| Bauches taub ist, fühlt sich die Massage unangenehm an. Aber solche | |
| Massagen sind wichtig, um die Heilung der Narbe zu beschleunigen und | |
| mögliche Komplikationen zu erkennen, erklärt Marie-Luise Hartmann. Nach | |
| über einer Stunde verabschiedet sich die junge Hebamme bei Ellenor Forck. | |
| Die beiden haben ein vertrautes Verhältnis und tauschen bei der | |
| Verabschiedung noch schnell ein paar Backrezepte aus. | |
| Ellenor ist erleichtert, [3][eine Hebamme zu haben], die sich für ihre | |
| Probleme Zeit nimmt. Die Hebamme, die sie nach der Geburt ihres ersten | |
| Kindes betreut hatte, sei selten und meist nur zwanzig Minuten bei ihr | |
| gewesen. Da habe die Zeit gerade so gereicht, um die dringendsten Fragen zu | |
| klären, erzählt Ellenor Forck. Über eine Stunde war Marie-Luise Hartmann | |
| jetzt bei Ellenor und Sophie. Abrechnen kann sie dafür 38,46 Euro. Klingt | |
| erst mal nach einem soliden Stundenlohn. | |
| Doch Marie-Luise rechnet vor, wie viel davon netto bei ihr ankommt. Wenn | |
| sie die Zeit, die sie für Anfahrt, Terminvereinbarung oder Buchhaltung | |
| benötigt, mitberechnet, kommt sie noch auf 26,92 Euro. Zieht sie die Kosten | |
| für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, Einkommensteuer und sonstige | |
| Kosten, wie das Öl, mit dem sie Ellenors Narbe massiert hat, ab, bleiben | |
| gerade einmal 9,91 Euro übrig. Das ist deutlich unter Mindestlohn – der bei | |
| 12,41 Euro liegt. Bei den ersten Besuchen nach der Geburt sei sie meist | |
| sogar über zwei Stunden bei den Familien, erzählt Marie-Luise Hartmann. | |
| Denn nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sind die Eltern erstmals auf | |
| sich allein gestellt und haben entsprechend viele Fragen. | |
| Für diesen ersten Besuch im Wochenbett kann sie zwar einen Aufschlag von | |
| 7,87 Euro abrechnen, doch das Problem bleibt: Wochenbettbesuche werden | |
| pauschal vergütet. Egal, ob die Hebamme zwanzig Minuten oder zwei Stunden | |
| bei der Familie ist. Die Bezahlung bleibt gleich. Marie-Luise gibt an, in | |
| der Regel über eine Stunde für einen Wochenbettbesuch zu brauchen. Auch der | |
| [4][Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands] (Bfhd) bestätigt, dass ihre | |
| Mitglieder im Schnitt 65 Minuten für einen Hausbesuch benötigen. | |
| Ein Brutto-Stundenlohn von 9,91 Euro für über eine Stunde Arbeit ist für | |
| freiberufliche Hebammen also keine Ausnahme. „Natürlich hört man da | |
| irgendwann eine innere Uhr ticken, die einem sagt, wie wenig man in der | |
| Zeit hier verdient“, gibt Marie-Luise Hartmann zu. Dennoch bleibe sie so | |
| lange bei den Familien, wie diese sie brauchen. „Es ist nicht fair, wenn | |
| die Familien am Ende darunter leiden, dass ich zu wenig verdiene“, | |
| kritisiert die Hebamme. | |
| Falls man mal nicht arbeitet – sei es aus Krankheit oder weil man Urlaub | |
| macht – verdient man auch nichts. Deshalb gibt Marie-Luise neben ihrer | |
| Tätigkeit als Vollzeithebamme zusätzlich Kurse für Babypflege und Yoga für | |
| Schwangere oder mit Kind. Marie-Luise Hartmann schwingt sich aufs Fahrrad | |
| und macht sich auf den Weg zu einem nächsten Hausbesuch. Ihre braune | |
| Ledertasche mit der Babywaage und anderen Hilfsmitteln hat sie vorne auf | |
| einem Korb festgeschnallt. Bis zur nächsten Familie sind es zwanzig Minuten | |
| Fahrt. „Die kleine Stella hat Gelbsucht“, erklärt Marie-Luise Hartmann auf | |
| dem Weg. Das ist gar nicht so selten bei Neugeborenen und zunächst einmal | |
| harmlos. Wird die Gelbsucht aber nicht erkannt und von einer Fachperson – | |
| wie einer Hebamme – beobachtet, kann das zu schweren Hirnblutungen führen, | |
| die den Tod des Kindes zur Folge haben können. | |
| Stella liegt auf der Wickelkommode im Wohnzimmer ihrer Familie. Ihr Vater | |
| zieht sie gerade aus. Denn Marie-Luise möchte sie wiegen. So kann sie bei | |
| jedem Termin überprüfen, ob Stella zunimmt und entsprechend ihre Ernährung | |
| anpassen. 3.580 Gramm. Das ist gut. Stella hat ordentlich zugenommen. Ihre | |
| Eltern schauen sich erleichtert an. Die Sorgen um ihr Kind scheinen fürs | |
| Erste vergessen und die angespannten Gesichtszüge weichen einem kleinen | |
| Lächeln. | |
| Denn Neugeborene mit Gelbsucht sind oft sehr schwach. Umso wichtiger ist | |
| es, dass sie ausreichend Milch zu sich nehmen. Deshalb muss Stella zunächst | |
| mit Fläschchen ernährt werden. Erst nach und nach kann über einen Schlauch | |
| abgepumpte Muttermilch beim Füttern zugeführt werden. Doch auch beim | |
| Abpumpen der Muttermilch ist es wichtig, dass eine Hebamme immer wieder | |
| einen Blick auf den Prozess hat, meint Marie-Luise Hartmann. „Sonst pumpen | |
| sich Frauen schnell in einen Milchstau“, erklärt sie. Denn durch das | |
| Abpumpen wird die Milchproduktion angeregt. | |
| ## Frisch gewordene Eltern unterstützen | |
| Wenn die überproduzierte Milch nicht richtig abfließen kann, sorgt dies für | |
| eine schmerzhaften Milchstau in der Brust. Die Hebamme achtet darauf, dass | |
| Anastasia Kubitza nicht zu viel Milch abpumpt, und hilft ihr dabei, Stück | |
| für Stück zum Stillen überzugehen. Wieder kniet Hebamme Marie-Luise | |
| Hartmann auf dem Boden. Denn auch bei diesem Besuch kümmert sie sich nicht | |
| nur um das Neugeborene, sondern auch um dessen Mutter Anastasia Kubitza. | |
| Die Hebamme zeigt ihr ein paar Übungen, die ihr helfen sollen, dass sich | |
| ihre Bauchmuskeln und ihr Beckenboden wieder mehr zusammenziehen. So soll | |
| beispielsweise Inkontinenz als Folge der Geburt vorgebeugt werden, erklärt | |
| Marie-Luise Hartmann. | |
| Marie-Luise und Anastasia sitzen auf dem Teppich im Wohnzimmer der Familie | |
| gegenüber. Die Hebamme macht ein paar Übungen vor. Auf allen Vieren spannt | |
| sie abwechselnd den Bauch an und entspannt diesen wieder. Setzt sich auf | |
| ihre Knie, richtet ihren Oberkörper auf und setzt sich wieder auf ihre | |
| Knie. „Und das zehnmal jeden Tag“, sagt sie zu Anastasia Kubitza. Die | |
| bemüht sich die Übungen nachzumachen. Immer wieder kommt sie aus dem | |
| Gleichgewicht und setzt sich erschöpft auf den Boden. | |
| Die ersten Wochen mit dem Neugeborenen scheinen sie merklich gerädert zu | |
| haben. „Stella ist unser erstes Kind, da ist man erst mal überfordert“, | |
| sagt ihr Vater Kolja Kubitza. Während der Schwangerschaft seiner Frau habe | |
| er viele Bücher und Onlineratgeber gelesen. Doch oft fehlten ihm | |
| Erklärungen und in dem Wirrwarr unterschiedlicher – teilweiser sogar | |
| gegensätzlicher – Informationen habe er sich schnell verloren. „Marie-Luise | |
| ist unsere einzige Quelle der Wahrheit“, sagt Kolja Kubitza. Auf ihren Rat | |
| hätte sich die Familie bislang immer verlassen können. | |
| „Eltern brauchen diese fachliche Unterstützung durch uns Hebammen“, sagt | |
| Marie Luise Hartmann. Zu wissen, was normal ist für den Entwicklungsstand | |
| des Kindes, welche Wehwehchen und Probleme nicht schlimm sind und welche | |
| gegebenenfalls doch, das könnten Eltern meist nicht allein leisten. Auch | |
| das Bundesgesundheitsministerium schreibt auf seiner Website: „Hebammen | |
| leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung und | |
| Begleitung von Frauen vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der | |
| Stillzeit, sowie von Neugeborenen und Säuglingen.“ | |
| Kinder- und Frauenärzte könnten diesen Betreuungsbedarf von frisch | |
| gewordenen Eltern nicht auffangen. Oft fehle ihnen hierzu auch die | |
| fachliche Kompetenz, die Hebammen in einer zweijährigen Ausbildung oder | |
| einem dualen Studium erlernt haben. Doch diese Betreuung braucht Zeit. Auch | |
| bei Stella und ihren Eltern ist Marie-Luise über eine Stunde. Abrechnen | |
| kann sie wieder nur 38,46 Euro. Netto bleiben ihr davon 9,91 Euro. | |
| „Das ist einfach zu wenig“, kritisiert Marie-Luise Hartmann. Immer mehr | |
| freiberufliche Hebammen müssten ihre Selbstständigkeit bereits aufgeben. | |
| Denn in Kliniken und Geburtshäusern sei die Bezahlung besser und die | |
| finanzielle Belastung durch beispielsweise Haftpflichtversicherungen | |
| deutlich geringer. Deshalb hat die 31-Jährige zusammen mit anderen Hebammen | |
| die Initiative freiberuflicher Hebammen (IFH) gegründet. | |
| [5][In einer Petition] fordert sie eine angemessene Bezahlung ihrer | |
| Leistungen. Die Vergütung darf aus ihrer Sicht nicht wie bislang entlang | |
| von Pauschalen erfolgen, sondern muss sich an der Arbeitszeit der Hebammen | |
| orientieren. Mindestens 100 Euro pro abrechenbare Stunde, heißt es in der | |
| Petition. Diese hat mittlerweile über 52.000 Unterschriften. Damit will die | |
| Initiative Druck auf die laufenden Verhandlungen zum neuen | |
| Hebammenhilfevertrag ausüben, der auch die Vergütung freiberuflicher | |
| Hebammen regelt. Hebammenverbände und der Bund der gesetzlichen | |
| Krankenkassen – der GKV-Spitzenverband- verhandeln bereits seit Frühling | |
| 2021. | |
| „Wir sind nicht die GDL“, sagt Ursula Jahn-Zöhrens vom Deutschen | |
| Hebammenverband (DHV). Denn im Gegensatz zu den Lokführern, die mit ihren | |
| Streiks das ganze Land lahmlegen können, müssen Hebammen sicherstellen, | |
| dass immer eine Notversorgung gewährleistet ist. Zum anderen ist der | |
| Hebammenhilfevertrag an Bestimmungen des gesamten Gesundheitswesens | |
| gebunden. „So können wir nicht den gleichen Druck auf unsere | |
| Verhandlungspartner ausüben“, erklärt die Beirätin für den Freiberuflichen | |
| Bereich des DHV. | |
| ## Stundenlohn statt pauschale Vergütung | |
| Doch warum sich die Verhandlungen zum neuen Hebammenhilfevertrag bereits | |
| seit 2021 hinziehen, hat einen anderen Grund. Denn bevor diese starten | |
| konnten, stritten die verschiedenen Hebammenverbände vor Gericht, wer an | |
| den Verhandlungen teilnehmen darf. Dieser Rechtsstreit zog sich über | |
| eineinhalb Jahre. Erst im Frühjahr 2023 konnten die Verhandlungen starten. | |
| Auf eine kleine Erhöhung der Vergütung von freiberuflichen Hebammen konnten | |
| sich die Hebammenverbände mit dem GKV-Spitzenverband vorläufig einigen. | |
| Seit dem ersten April sind die Pauschalen, die Hebammen für ihre Arbeit | |
| abrechnen können, um fünf Prozent gestiegen. | |
| „Eine ausreichende Erhöhung ist das nicht“, sagt die Vorsitzende des Bunds | |
| freiberuflicher Hebammen Deutschland (Bfhd), Ilona Strache, und ergänzt: | |
| „Es geht darum, uns freiberufliche Hebammen in der aktuellen Not etwas zu | |
| entlasten. Nicht mehr und nicht weniger.“ Trotzdem lobt sie den Schritt des | |
| GKV. Die laufenden Verhandlungen ernsthaft abschließen zu wollen, sei ein | |
| Signal, das es in dieser Form noch nie gegeben habe. Auch Jahn-Zöhrens | |
| sagt, die Erhöhung sei letztendlich zu wenig, nachdem Hebammen sowohl bei | |
| den Coronahilfen als auch bei den gestiegenen Energiekosten und Inflation | |
| weitestgehend nicht berücksichtigt wurden. Sie betont, die fünf Prozent | |
| mehr haben nichts mit den laufenden Verhandlungen zu tun. Der neue | |
| [6][Hebammenhilfevertrag] werde eine von Grund auf andere Struktur haben. | |
| „Die gesamten Grundpfeiler der Bezahlung freiberuflicher Hebammen werden | |
| neu verhandelt“, beschreibt es Jahn-Zöhrens. Erstmals soll die pauschale | |
| Vergütung freiberuflicher Hebammen durch einen Stundenlohn ersetzt werden. | |
| „Gute Hebammen-Hilfe braucht einfach Zeit“, sagt auch Ilona Strache. Eine | |
| pauschale Vergütung sei da der falsche Ansatz. Laut Stache gibt es bei der | |
| Höhe des Stundenlohns jedoch noch einen deutlichen Dissens zwischen der | |
| Seite der Krankenkassen und derjenigen der Hebammenverbände. Dazu, wie hoch | |
| dieser Stundenlohn aus ihrer Sicht liegen sollte, wollten sich alle | |
| Beteiligten nicht äußern. | |
| Der DHV setzt sich als klares Ziel, die Verhandlungen noch in diesem Jahr | |
| zu einem Abschluss zu bringen, so Jahn-Zöhrens. Auch aus Sicht des | |
| Netzwerks der Geburtshäuser ist ein Abschluss „in greifbarer Nähe und noch | |
| in diesem Jahr machbar.“ Der GVK-Spitzenverband will zwar nichts zu den | |
| laufenden Verhandlungen sagen, sprach jedoch davon, dass die Verhandlungen | |
| bereits „weit fortgeschritten“ seien. Neben einer Erhöhung der Vergütung | |
| erhofft sich Hebamme Marie-Luise Hartmann aber insbesondere, dass in | |
| Zukunft regelmäßig über die Bezahlung von freiberuflichen Hebammen | |
| verhandelt wird. Denn nur durch eine ausreichende Vergütung könne der | |
| Versorgungsmissstand in Deutschland reduziert werden. | |
| *Die Namen der Eltern und Neugeborenen wurden auf deren Wunsch geändert. | |
| 5 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/amb… | |
| [2] https://hebammenverband.de/ | |
| [3] /Hebammen-in-Deutschland/!5926866 | |
| [4] https://bfhd.de/ | |
| [5] https://www.openpetition.de/petition/online/faire-bezahlung-fuer-freiberufl… | |
| [6] https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/… | |
| ## AUTOREN | |
| Moritz Huhn | |
| ## TAGS | |
| Hebammen | |
| Gesundheitspolitik | |
| Geburt | |
| IG | |
| GNS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Dokumentarfilm | |
| Krankenhausreform | |
| Geburt | |
| Kino | |
| Geburtshilfe | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Dokumentarfilm „Gretas Geburt“: Hebamme in Haft | |
| In „Gretas Geburt“ beschäftigt sich Filmemacherin Katja Baumgarten mit | |
| einem Kindstod und der Hebamme, die dafür wegen Totschlags verurteilt | |
| wurde. | |
| Klinik-Spezialisierungen in Deutschland: Der Zufall operiert | |
| Würden Sie Ihr Kind von einem Chirurgen behandeln lassen, der das nur | |
| einmal im Jahr macht? Bei seltenen Fehlbildungen passiert das immer wieder. | |
| Autorin über Gewalt bei Geburten: „Kinder kriegen und Klappe halten“ | |
| Verbale Übergriffe und körperliche Gewalt: Gebärende machen belastende | |
| Erfahrungen im Kreißsaal, sagt Lena Högemann. Warum das so ist und was sich | |
| ändern müsste. | |
| Filmfestival San Sebastián: Eine Hebamme auf der Flucht | |
| Die 71. Ausgabe des Filmfestivals San Sebastián war das Jahr der Frauen. | |
| Der Hauptpreis ging an „O Corno“ von Regisseurin Jaione Camborda. | |
| Tag gegen Gewalt an Frauen: Selbstbestimmung für Gebärende! | |
| Eine Geburt kann für Frauen eine traumatische Erfahrung bedeuten. Gerade | |
| psychisch kranke Schwangere brauchen bessere Unterstützung. |