# taz.de -- Polizeigewalt in Düsseldorf: Rechtmäßig eingekesselt | |
> 2021 ging die Polizei in NRW hart gegen Demos für Versammlungsfreiheit | |
> vor. Nun entschied ein Gericht: Das Vorgehen sei meist rechtens gewesen. | |
Bild: Rabiates Vorgehen: Der Polizeikessel in Düsseldorf am 26. Juni 2021 | |
DÜSSELDORF taz | Der Polizeikessel, mit dem hunderte Menschen am 26. Juni | |
2021 ausgerechnet bei einer Demonstration gegen das [1][restriktive | |
NRW-Versammlungsgesetz] festgehalten wurden, war in Teilen rechtmäßig. Das | |
ist der Tenor von [2][drei Urteilen,] die das Verwaltungsgericht Düsseldorf | |
am Mittwochabend nach über neunstündiger Verhandlung verkündete. | |
Vorangegangen waren Klagen der Demo-Veranstalter und Eingekesselten. | |
Block 7 – der Antifa-Block der Demo – habe eine „unmittelbare Gefahr für | |
die öffentliche Sicherheit“ dargestellt, da aus diesem Straftaten wie | |
„Körperverletzungen“ und „Angriffe auf Amtsträger“ erfolgt seien, erk… | |
die Vorsitzende Richterin Andrea Houben zur Begründung. Dass dabei auch | |
völlig friedlich Protestierende „als Beifang“ festgesetzt und damit ihrer | |
Demonstrationsrechte beraubt wurden, sei grundsätzlich hinzunehmen. | |
Allerdings müsse die Polizei verhältnismäßig vorgehen, so die Kammer. Die | |
Einkesselung des damaligen Landesvorstands der Linken, Amid Rabieh, sowie | |
der Sprecherin des Bündnisses Versammlungsgesetz NRW stoppen, Gizem | |
Koçkaya, sei rechtswidrig gewesen: Wie auf Dutzenden bei der Verhandlung | |
gezeigten Polizeivideos zu sehen war, hatte Rabieh völlig gewaltfrei | |
demonstriert und dabei ständig ein Transparent der Linken in Händen | |
gehalten. Inzwischen ist Rabieh Vize-Parteivorsitzender des Bündnis Sahra | |
Wagenknecht. Auch Koçkaya habe sich nie in Block 7 aufgehalten, erklärte | |
das Verwaltungsgericht. | |
Die Demo-Anmelder Mischa Aschmoneit und Martin Behrsing kritisierten die | |
Urteile scharf – und kündigten weitere juristische Schritte an. „Die | |
Interpretation des Gerichts ist nicht nachvollziehbar“, sagte Aschmoneit | |
der taz unmittelbar nach Prozessende. Die Demonstration sei weitgehend | |
friedlich abgelaufen. Auch deren Anwältin Anna Busl sprach deshalb von | |
einem „äußerst angreifswürdigen Urteil“. | |
## Sogar Reul sieht Fehler durch Polizei | |
Aus dem Antifa-Block 7, der sich zum Zeitpunkt der Einkesselung gegen 18 | |
Uhr längst mit anderen Protestierenden vermischt hatte, sei es nur zu | |
einzelnen Tritten und Schlägen auf Polizist:innen gekommen – und die | |
seien eine Reaktion auf Versuche der Beamt:innen gewesen, die Demo | |
zusammenzudrücken und den Teilnehmer:innen Transparente zu entreißen. | |
Eine weitere Demonstration gegen das Gesetz im August 2021 verlief völlig | |
problemlos. | |
Tatsächlich war die Polizei bei den ersten Protesten im Juni [3][mit großer | |
Härte] gegen die Protestierenden vorgegangen. Die Demo-Organisator:innen | |
sprachen von rund 100 Verletzten, besonders durch Schlagstockeinsatz und | |
Pfefferspray. Videos zeigen, wie Polizist:innen Menschen bis in | |
Tiefgaragen verfolgten und dort mit Gewalt zu Boden brachten. Mit einem | |
Schlagstock geprügelt wurde auch ein Pressefotograf der Nachrichtenagentur | |
dpa. Deren Chefredakteur sprach daraufhin von einem „nicht hinnehmbaren | |
Angriff auf die Pressefreiheit“. | |
Selbst der als „schwarzer Sheriff“ geltende CDU-Innenminister Reul hatte | |
danach Fehler seiner Polizei eingeräumt. Verbesserungsfähig sei nicht nur | |
der Umgang mit 38 Minderjährigen gewesen, deren Eltern erst Stunden nach | |
deren Einkesselung über die Festsetzung ihrer Kinder informiert worden | |
seien. Auch seien eigens für den Kessel bestellte Toiletten nicht geliefert | |
worden – Demonstrierende mussten stattdessen Gullys nutzen, die notdürftig | |
mit Transparenten abgeschirmt wurden. | |
Auch die Gewalt gegen den dpa-Fotografen verurteilte Reul Anfang Juli 2021 | |
im Landtag: „Für mich war er klar als Fotograf und Journalist erkennbar“, | |
musste der Christdemokrat nach Ansicht von Polizeivideos einräumen. „Ich | |
hätte mir gewünscht, die Beamten hätten einen Bogen drum gemacht.“ | |
Die Repression traf ausgerechnet eine Demo gegen Repression: Anlass für den | |
Protest war die Einführung eines Landes-Versammlungsgesetzes, mit dem die | |
damalige schwarz-gelbe Landesregierung das Demonstrationsrecht einschränken | |
wollte. Nur in wenigen Teilen entschärft wurde das Gesetz [4][im Dezember | |
2021 auch beschlossen]. Zuvor galt im bevölkerungsreichsten Bundesland das | |
liberalere Bundesversammlungsgesetz. | |
Abgemildert wurde im Gesetzestext nur das sogenannte „Gewalt-und | |
Einschüchterungsverbot“, mit dem unter ausdrücklichem Hinweis auf Hitlers | |
„SA und SS“ einheitliche Kleidung von Protestierenden verboten werden | |
sollte. Untersagt ist jetzt nur noch das „Tragen von Uniformen“ und | |
„paramilitärisches Auftreten“. Nicht nur die oft in weißen Overalls | |
auftretende Klimabewegung, sondern auch Fußballfans und Gewerkschaften | |
hatten wegen der Passage um ihr Demonstrationsrecht gefürchtet – | |
schließlich wären wohl auch Zusammenkünfte von Belegschaften in | |
einheitlicher Berufskleidung unter Reuls „Einschüchterungsverbot“ gefallen. | |
Doch der NRW-Innenminister schaffte es, sogar in seinem nachgebesserten | |
Gesetzesentwurf noch Verschärfungen unterzubringen. Proteste auf Autobahnen | |
wurden – wohl besonders mit Blick auf die Klimabewegung – ausdrücklich | |
untersagt. Legalisiert wurde dagegen eine exzessive Videobeobachtung etwa | |
durch Drohnen und aus Hubschraubern. Das Bündnis Versammlungsgesetz NRW | |
stoppen hat deshalb zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte | |
Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgerichtshof in Münster | |
eingereicht. | |
Dennoch wurde die Anwendung des Gesetzes auch von der seit 2022 amtierenden | |
schwarz-grünen NRW-Landesregierung über die Verwaltungsgebührenordnung noch | |
einmal verschärft. Danach sollen Demo-Organisator:innen für die Kosten | |
eines Polizeieinsatzes aufkommen müssen, „wenn die Ansammlung die | |
öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt“ – die Gebühr kann bis | |
zu 50.000 Euro beantragen. „Statt einer lebendigen Zivilgesellschaft | |
wünscht sich Herbert Reul Friedhofsruhe“, kritisiert deshalb die Sprecherin | |
des Bündnisses Versammlungsgesetz NRW stoppen, Gizem Koçkaya: „Und die | |
Grünen machen mit.“ | |
11 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Versammlungsgesetz-in-NRW/!5783048 | |
[2] https://www.vg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/2024/1… | |
[3] /Polizeigewalt-in-Nordrhein-Westfalen/!5778928 | |
[4] /Demonstrationsfreiheit-in-NRW-gefaehrdet/!5779365 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
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