# taz.de -- Shoppen auf Online-Marktplätzen: Verbraucher plötzlich Importeur | |
> Internet-Händler wie Temu oder Amazon sind häufig auch Marktplätze, | |
> machen das aber nicht immer transparent. Für Kund:innen birgt das | |
> Risiken. | |
Bild: Für Verbraucher:innen ist häufig nicht direkt erkennbar, wer der Vertra… | |
Wer im Internet bestellt, stößt fast zwangsläufig auf sie: Marktplätze. | |
Manchmal stecken sie hinter bekannten Namen wie Kaufland, manchmal sind es | |
Newcomer wie [1][Temu] und mal tritt derselbe Anbieter sowohl als | |
Marktplatz als auch als Verkäufer auf, wie bei Amazon oder Otto. Das Wesen | |
der Marktplätze: Die Unternehmen agieren nicht selbst als Verkäufer der | |
angebotenen Waren oder Dienstleistungen, sondern als Vermittler, der | |
Kund:innen und Händler zusammenbringt. | |
Für Kund:innen ist häufig nur bei sehr genauem Hinsehen erkennbar, wer | |
der Vertragspartner für die jeweilige Bestellung ist. Vor allem dann, wenn | |
die Marktplätze den Versand für die Händler übernehmen. Dabei ist durchaus | |
relevant, wer welche Rolle hat. So ist zum Beispiel der Händler erster | |
Ansprechpartner bei Gewährleistungsansprüchen, wenn also ein Produkt | |
fehlerhaft ist. | |
Besonders schwierig wird das jedoch, wenn der Händler außerhalb der [2][EU] | |
sitzt. Das ist bei der Plattform Temu regelmäßig der Fall. Das Unternehmen | |
wurde vor nicht einmal zwei Jahren gegründet, ist aber die 2023 in | |
Deutschland am häufigsten heruntergeladene Shopping-App. Sie bringt | |
Anbieter aus China mit Kund:innen vor allem in den USA und Europa | |
zusammen. | |
„Nach der derzeitigen Rechtslage ist der Verbraucher in solchen Fällen der | |
Importeur“, sagt Stefanie Grunert, Handelsexpertin beim Verbraucherzentrale | |
Bundesverband (vzbv). Importeure hätten eigentlich besondere Pflichten. So | |
müssten sie beispielsweise die Dokumente zur CE-Kennzeichnung prüfen, die | |
die EU-Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz | |
nachweisen soll. | |
## Mögliche Risiken beim Verbraucherschutz | |
Zwar sei ihr bislang kein Fall bekannt, in dem die Marktüberwachung | |
tatsächlich an Verbraucher:innen herangetreten sei und etwa die | |
CE-Dokumentation von ihnen angefordert habe. Aus der entsprechenden | |
EU-Richtlinie gehe außerdem hervor, dass Verbraucher:innen im Gegensatz | |
zu einem gewerblichen Importeur auch nicht stellvertretend haften, etwa | |
wenn sie das Produkt weitergeben. | |
Dennoch: „Rechtlich gesehen übernimmt man als Verbraucher:in hier | |
Pflichten, hat aber, wenn etwas passiert, selbst kaum Möglichkeiten die | |
eigenen Rechte durchzusetzen“, sagt Grunert. So etwa im Fall eines | |
fehlerhaften Produktes oder wenn ein Produkt durch einen Defekt einen | |
Schaden verursacht. Löst etwa ein fehlerhaftes Elektrogerät einen Brand | |
aus, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Betroffenen auf dem Schaden | |
sitzen bleiben. | |
Der Handelsverband Deutschland (HDE) äußerte Ende März in einem Schreiben | |
an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister | |
Christian Lindner (FDP) Sorgen über Lücken in der Rechtsdurchsetzung. „Die | |
Defizite in der Rechtsdurchsetzung führen zu Wettbewerbsverzerrungen auf | |
Kosten europäischer Unternehmen und zu Risiken beim Verbraucherschutz“, | |
erklärte der stellvertretender HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. | |
Die EU versucht, durch eine Reihe an Gesetzen die Position der | |
Verbraucher:innen zu verbessern. [3][Zum Beispiel mit dem Digital | |
Services Act (DSA)], dem Gesetz über digitale Dienste, dessen Regeln im | |
Februar vollständig wirksam geworden sind. Der DSA verpflichtet die | |
Marktplätze unter anderem, die Händler besser zu prüfen und bei Beschwerden | |
schneller zu reagieren – und gegebenenfalls zu sperren. | |
Die neue Produkthaftungsrichtlinie, auf die sich die EU-Gremien im Dezember | |
geeinigt haben, soll darüber hinaus eine Haftungskaskade aufbauen: Wenn | |
Händler und Hersteller im Schadensfall nicht greifbar sind, soll | |
gegebenenfalls direkt der Marktplatz in die Verantwortung genommen werden | |
können. | |
Außerdem wird es vor Gericht Beweiserleichterungen für die | |
Verbraucher:innen geben. Bei komplexen Produkten wie Smartphones soll | |
dann der Hersteller beweisen müssen, dass sein Produkt fehlerfrei war. Bis | |
die neue Produkthaftungsrichtlinie greift, wird es allerdings noch | |
mindestens zwei Jahre dauern, so lange läuft die Umsetzungsfrist. Und | |
selbst dann werden wahrscheinlich erst einmal Gerichte klären müssen, wie | |
weitgehend die Haftung der Marktplätze ist. | |
12 Apr 2024 | |
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[1] /Umstrittene-Shopping-Plattform-Temu/!6000467 | |
[2] /Europaeische-Union/!t5013441 | |
[3] /Digital-Markets-und-Digital-Services-Act/!5992274 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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